Antrag im Bundestag

Grünes Apothekengesetz: Honorar-Umverteilung, Light-Apotheken, XXL-Verbünde

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Berlin -

Die Grünen wollen das Apothekenhonorar reformieren und bringen dazu einen Antrag im Bundestag ein. So sollen Apotheken je nach Größe unterschiedliche Packungspauschalen erhalten; dies soll einer „der Versorgung nicht zuträglichen Konzentration auf wenige große (Versand-)Apotheken“ entgegenwirken. Außerdem sollen Höchstpreise eingeführt werden. Die Kassen sollen für den Botendienst zahlen – hier soll, genauso wie im Versandhandel, allerdings eine Temperaturkontrolle eingeführt werden. Um jüngeren Apothekern eine Karriere als Angestellte zu ermöglichen, sollen die Anzahl der Filialapotheken angehoben und das gemeinsame Betreiben von Apotheken erleichtert werden. Auch „Light-Apotheken“ sollen die Versorgung auf dem Land sichern. Das Paket fußt zum Teil auf Vorschlägen, die die Basisapotheker aus Westfalen-Lippe Anfang des Jahres gemacht hatten.

„Mit dem Antrag bekennen wir uns zur Apothekenversorgung vor Ort – heute und in Zukunft“, kommentiert Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche. „Es leuchtet überhaupt nicht ein, warum Krankenkassen großen wie kleinen Apotheken und Apothekenunternehmen gleich hohe Vergütungen für ihre Leistungen zahlen, wenn deren Kostenstrukturen doch ganz unterschiedlich sind. Große Apothekenunternehmen, wie wir sie oft bei Versandapotheken haben, haben beispielsweise viel geringere Lagerkosten pro Arzneimittelpackung. Auf diese Unterschiede gehen wir mit einem neuem Vergütungsmechanismus nun ein.“

Die Höhe der Vergütung für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels soll sich künftig am Umsatz der abgebenden Apotheke bemessen. Kleinere, versorgungsrelevante Apotheken können laut Schulz-Asche so entlastet werden, größere erhielten weniger und finanzierten damit die Entlastung.

Die Umverteilung begründen die Grünen so: Während in Großstädten zuweilen gleich mehrere Apotheken in Sichtweite seien, beklagten Patienten in ländlichen Regionen einen Mangel. Ursache für die schlechte Verteilung ist aus Sicht der Grünen die starre Apothekenvergütung, die neben der Entlohnung für die pharmazeutische Leistung auch einen Kostenanteil für die Deckung der Betriebskosten enthalte. Diese seien aber bei steigendem Umsatz relativ gesehen rückläufig – Großapotheken erzielten andere betriebliche Skaleneffekte.

„Um diese unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Kostenstrukturen adäquat in der Vergütung zu berücksichtigen, ist daher eine packungsabhängige Vergütung notwendig, die sich an dem Umsatz der Apotheke orientiert“, schlagen die Grünen vor. Je Packung sollen Großapotheken eine niedrigere Vergütung erhalten als kleinere Apotheken. Schon eine Honorarkürzung um einen Euro für die umsatzstärksten 10 Prozent der Apotheken könnte ein Umverteilungspotential im dreistelligen Millionenbereich bedeuten, rechnen die Grünen vor. 60 Prozent der Apotheken – jene mit bis zu 2,31 Millionen Euro Umsatz – könnten sogar begünstigt werden. Diese frei gewordenen Mittel sollen „patientennahe Dienstleistungen wie das Medikationsmanagement und den Sicherstellungsfonds zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung“ finanzieren.

„Mit dem Vorschlag wollen wir einem Ungleichgewicht entgegentreten, welches seit Jahren schwerwiegender wird. Denn während rund die Hälfte (Haupt-)Apotheken gut bis sehr gut verdient, ist die andere Hälfte bereits heute in ihrer Existenz gefährdet. Ganze 2600 Apotheken in Deutschland hätten aus wirtschaftlicher Sicht eigentlich schon längst schließen müssen. Das zeigt, dass die Politik hier dringend eingreifen muss. Wir haben nun einen Vorschlag vorgelegt, der diese Versorgungsprobleme löst, ohne dabei die Versichertengemeinschaft zusätzlich zu belasten.“

Der Referentenentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) löst laut Schulz-Asche kein einziges Problem. „Er sieht Mehrausgaben von jährlich knapp 200 Millionen Euro für die Versichertengemeinschaft vor, die aber weiter nur per Gießkannensystem verteilt werden sollen. Damit erhalten die ohnehin schon wirtschaftlich stabilen Apotheken den größten Anteil der Ausgaben und den Kleinen ist weiterhin nicht geholfen. Das zeigt, dass es hier intelligentere Lösungen braucht, als einfach nur wieder das Portemonnaie anderer zu öffnen.“

Doch die Grünen wollen auch an die Struktur des Apothekenmarktes gehen: Sie kritisieren die hohen Anforderungen, die an den Betrieb einer Apotheke gestellt werden. Zu den zahlreichen formalen Bedingungen zählten auch Vorgaben zu den Betriebsräumen, zur Mindestgrundfläche, zum Vorhandensein eines Labors und so weiter. „Hierfür ist zu prüfen, ob und wie von den Anforderungen abgewichen werden könnte. Dadurch könnte gerade in dünn besiedelten Regionen für mehr Versorgungssicherheit gesorgt werden“, heißt es in der Begründung.

Für angehende Apotheker sei es zudem eine Belastung, dass das unternehmerische Risiko bei einer Neugründung allein auf einer Person laste. Hier müssten Alternativen und flexiblere Berufsausübungsformen geschaffen werden. So sollte die erlaubte Anzahl von Filialapotheken gelockert werden – „unter bestimmten Bedingungen, um eine Ketten-Bildung zu vermeiden“. Zudem soll der Betrieb von Apotheken auch von mehreren Pharmazeuten gemeinschaftlich erleichtert werden.

Eine Finanzierung des Medikationsmanagements ist aus Sicht der Grünen schon aufgrund des demografischen Wandels notwendig. Und selbst heute seien schon jährlich 250.000 Krankenhauseinweisungen auf vermeidbare Medikationsfehler zurückzuführen. Trotzdem seien die Apotheken „am Medikationsmanagement bislang nicht hinreichend beteiligt“. Das sei nicht nachvollziehbar, „denn wer könnte Medikationspläne besser auf etwaige kritische Wechselwirkungen zwischen Arzneien, Nebenwirkungen und Fehldosierungen hin prüfen als Pharmazeuten?“, fragen die Grünen.

Hier will die Partei die Rolle der Apotheker aufwerten. Denn künftig werde die flächendeckende regionale Gesundheitsversorgung im Interesse der Patienten „durch stärkere Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe auf Augenhöhe geprägt sein müssen“. Vorbild könnte dabei die „Arzneimittelinitiative Sachsen Thüringen“ (ARMIN) sein. Das Modellprojekt zwischen Krankenkassen, Ärzten und Apothekern habe sich seit seiner Gründung 2014 zum Paradebeispiel für das Medikamentenmanagement älterer, multimorbider Patienten entwickelt.

Die Vergütung der teilnehmenden Apotheken teilt sich auf in einen hohen zweistelligen Betrag für die Erstaufnahme von Patienten in das Programm und einen niedrigen zweistelligen Betrag für erneute Beratungen, der einmalig quartalsweise ausgezahlt wird. Die Finanzierung des Medikationsmanagements erfolgt aus den Einsparungen bei der Senkung der packungsbezogenen Vergütung bei besonders umsatzstarken Apotheken.

Die Grünen nehmen auch Bezug auf das 2hm-Honorargutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsmnisteriums (BMWi). Demnach seien 7600 Apotheken in ihrer Existenz gefährdet, 2600 davon Apotheken sogar in einer sehr kritischen Situation mit einem Betriebsergebnis von weniger als 30.000 Euro. „Wir schlagen daher die Einrichtung eines Sicherstellungsfonds zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung vor“, heißt es im Antrag der Grünen. Die Finanzierung soll über den Nacht- und Notdienstfonds erfolgen.

Wie Spahn in seinem aktuellen Apothekenstärkungsgesetz wollen auch die Grünen den Botendienst ausbauen. Dieser soll gezielt honoriert werden, so dass für die Patienten bei Bedarf eine zeitnahe Versorgung mit Arzneimitteln inklusive Beratung gerade auch in ländlichen Räumen bis an die Haustür gewährleistet wird. Beim Versandhandel und im Botendienst soll bei Temperaturen ab 25° Celsius eine Kühlkette bis zur Übergabe des Arzneimittels nicht unterbrochen werden.

Zum Urteil des EuGH in Sachen Rx-Boni bemerken die Grünen in ihrer Begründung, dass die Luxemburger Richter keine Belege für eine aufgrund der Preisbindung bessere regionale Verteilung der Apotheken in Deutschland feststellen konnten. Da die ausländischen Versender seitdem wettbewerblich im Vorteil sind, schlagen die Grünen die Umwandlung der Festpreisbindung in eine Höchstpreisbindung um. Bonuszahlungen sollten aber nur im begrenzten Rahmen zugelassen werden – etwa in Höhe der Zuzahlung. „Somit würde vermieden, dass Patienten für die Einreichung von Rezepten Geld als Gegenleistung erhalten“, argumentiert die Partei.

Die Grünen beklagen einmal mehr, dass die ABDA beziehungsweise die Landesapothekerkammern nur unzureichende Zahlen zu Eröffnungen und Schließungen von Apotheken zur Verfügung stellen. Was man aber schon sehen könne: Die Preisbindung führe gerade nicht zu einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung. So sei das durchschnittliche Betriebsergebnis einer öffentlichen Apotheke seit Jahren steigend, jedoch sind die Gewinne ungleich verteilt – seit Jahren relativ konstant.

„So wundert es nicht, dass neue Apotheken vor allem in lukrativeren, städtischen Regionen entstehen“, monieren die Grünen. Die Antwort aus Sicht der Partei wäre ein gemeinsam mit den Ländern, Apothekenkammern und -verbänden entwickeltes Monitoring, „um flächendeckend Veränderungen der Patientenversorgung rechtzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten“.

Eine grundlegende Reform der Besteuerung soll sicherstellen, dass Unternehmen im Zeitalter einer sich digitalisierenden Wirtschaft dort einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der Infrastruktur und des Gemeinwohls leisten, wo sie wirtschaftlich aktiv sind.

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