Arzneimittelschmuggel

Lunapharm-Sperre: Behörde bessert nach

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Berlin -

In der Affäre um den mutmaßlichen Medikamentenschmuggel aus Griechenland durch den Brandenburger Pharmahändler Lunapharm muss sich das Gesundheitsministerium erneut korrigieren: Das Landesgesundheitsamt (LAVG) hat den bereits ausgesprochen Entzug der Betriebserlaubnis kurzfristig zurückgezogen und ein neues Handelsverbot mit einer stichhaltigeren Begründung gegen Lunapharm erlassen. Dieses soll jetzt für sechs Monate gelten.

Damit will Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) einer absehbare Niederlage vor dem Verwaltungsgericht offenbar zuvorkommen. Golze steht wegen des Umgans mit der Lunapharm-Affäre ohnehin politisch unter Druck. In dieser Woche sollte eigentlich das Verwaltungsgericht Potsdam über den ersten Entzug der Betriebserlaubnis entscheiden. Lunapharm hatte dagegen in einem Eilverfahren Widerspruch eingelegt. Das Gericht hatte bereits durchblicken lassen, dass es die Begründung der Behörde für nicht ausreichend halte.

Da dieser Beschluss vom Gesundheitsministerium wieder zurückgenommen wurde, wird das Verwaltungsgericht nur noch über die Kosten dieses Verfahrens entscheiden. Ob Lunapharm gegen den neuen Beschluss zum Entzug der Betriebserlaubnis Widerspruch einlegen wird, ist noch nicht bekannt. Aktuell war bei Gericht noch kein Widerspruch eingegangen.

Im zweiten Bescheid gegen Lunapharm wird ausführlicher als beim ersten Versuch begründet, warum sich die Firma als unzuverlässig erwiesen hat. Das teilte das Gesundheitsministerium in Potsdam mit. Man sei zu der Auffassung gelangt, dass die notwendigen Begründungen beim ersten Mal nicht umfassend genug gewesen seien, heißt es in einer Pressemitteilung: „Das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) hat heute einen neuen Bescheid zum Ruhen der Herstellungs- und Großhandelserlaubnis an die Lunapharm erlassen. Dieser soll verhindern, dass die Firma aus Blankenfelde-Mahlow weiterhandeln darf. Der Bescheid enthält eine ausführliche Darstellung der Tatsachen, insbesondere der jüngsten Erkenntnisse, die belegen, dass sich die Firma unter anderem als unzuverlässig erwiesen hat“, so die neue Mitteilung. Mit dem neuen Bescheid seien die Großhandels- beziehungsweise Herstellungserlaubnis für die nächsten sechs Monate ruhend gestellt worden. „Weitere Tätigkeiten wurden untersagt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet“, so das Gesundheitsministerium.

Mit diesem neuen Bescheid werde der Widerruf der Betriebserlaubnis vom 20. Juli aufgehoben. „Dies war nötig, da das Landesamt zu der Auffassung gelangt ist, dass die notwendigen Begründungen des ersten Bescheides nicht umfassend genug waren und somit einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten hätten“, begründetet das Ministerium seinen Schritt.

Grund sei der „enorme zeitliche Druck“ bei der Erstellung des Bescheides vom 20. Juli gewesen. Zudem hätten inzwischen Dank weiterer Aufklärungsbemühungen im LAVG neue Anhaltspunkte für eine auf neue Tatsachen gestützte Begründung gesammelt werden können. Die Anordnung zum Ruhen der Betriebserlaubnis stelle zudem einen milderen Eingriff als der Widerruf der Erlaubnisse dar, habe aber die gleiche Folge, dass Lunapharm zunächst nicht mehr handeln dürfe.

Das Fazit des Brandenburger Gesundheitsministeriums: „Lunapharm darf sechs Monate nicht handeln. In dieser Zeit kann geprüft werden, ob sich zum Beispiel im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft der Verdacht auf Hehlerei bestätigt oder ob Lunapharm in die kriminellen europaweiten Machenschaften verstrickt ist.“ Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Potsdam bezeichnete das Vorgehen des Gesundheitsministerium als „ungewöhnlich“. So etwas komme nicht häufig vor.

Unterdessen wird die Opposition im Brandenburger Landtag noch in dieser Woche einen Antrag auf erneute Sondersitzung des Gesundheitsausschusses stellen. CDU und Grüne hatten Gesundheitsministerin Golze aufgefordert, innerhalb einer Woche Stellung zu den Personalfragen in der Brandenburger Arzneimittelaufsicht zu nehmen. Schon vor längerer Zeit hatte ein Mitarbeiter der Arzneimittelaufsicht auf personelle Engpässe hingewiesen. Aktuell ist nur ein GMP-Inspektor im Dienst. Für Inspektionen ist Brandenburg daher auf Amtshilfe aus anderen Bundesländern angewiesen.

Außerdem will die Opposition von Golze wissen, wer jetzt die Verantwortung für die Pannen in der Arzneimittelaufsicht übernimmt. Der Versuch, zwei Mitarbeiter mit Anzeigen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit als Hauptverantwortliche darzustellen, sei gescheitert, heißt es in der CDU-Fraktion. Die Staatsanwaltschaft hatte nach wenigen Tagen die Ermittlungen eingestellt, weil kein Anfangsverdacht vorlag. Der betroffene Referatsleiter des Gesundheitsministeriums kehrte inzwischen wieder ins LAVG zurück – allerdings nicht auf seine früherer Position als Dezernatsleiter für Arzneimittelaufsicht.

Der Skandal um Lunapharm war im Juli durch Recherchen des ARD-Magazins Kontraste öffentlich geworden. Die rbb-Reporter hatten aufgedeckt, dass die Firma gestohlene Krebsmedikamente aus griechischen Kliniken vertrieben haben soll.

Es wird bezweifelt, dass die Medikamente vorschriftsgemäß gelagert wurden. Daher besteht der Verdacht, dass sie möglicherweise nicht voll oder sogar unwirksam waren, als sie an Apotheken ausgegeben wurden. Diese haben sie möglicherweise unwissentlich an Patienten weitergegeben. Elf Bundesländer sollen damit beliefert worden sein, unter anderem auch Berlin.

Weil die Behörden trotz Hinweisen zunächst nicht eingeschritten waren, steht Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) derzeit unter Druck. Das Ministerium hatte zunächst die Gefährdungen für Patienten ausgeschlossen. Bislang war nur der vermeintliche Arzneimittelschmuggel aus Griechenland und eine unsachgemäße Lagerung bekannt. Inzwischen kommen neue Informationen ans Licht. Demnach hat Lunapharm womöglich auch gestohlene Krebsmedikamente aus Italien in Deutschland vertrieben. Das geht aus einem E-Mail-Verkehr hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Indizien weisen auf Mafia-Kontakte hin.

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