Pharmakonzerne

Bayer: Künftig mit Aspirin und Glyphosat

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Berlin -

Bayer-Chef Werner Baumann war erst wenige Tage im Amt, als er 2016 zum größten Wurf in der Geschichte des Konzerns ausholte. Nun ist der 55-jährige Top-Manager fast am Ziel: Die US-Behörden haben der mehr als 62,5 Milliarden (rund 50 Milliarden Euro) schweren Übernahme des amerikanischen Saatgut- und Agrarchemie-Riesen Monsanto zugestimmt – allerdings mit weitreichenden Auflagen. Und die Risiken sind für die Leverkusener generell hoch. Der Zukauf ist teuer, und Monsanto steht nicht nur wegen seines umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat in der Kritik. Für viele Aktionäre ist damit der Wunsch nach einem Bayer-Konzern, der sich zum reinen Pharmaanbieter entwickelt, endgültig begraben.

„Mit der Freigabe des Department of Justice (DoJ) stehen wir jetzt kurz vor dem Ziel, ein führendes Unternehmen der Agrarwirtschaft zu schaffen“, teilte Baumann am Dienstagabend mit. Die Genehmigung der US-Behörden ist ein Meilenstein. Auch wenn Mexiko und Kanada noch zustimmen müssen, gilt die Transaktion Bayer/Monsanto als sicher. Es ist die größte Übernahme eines deutschen Unternehmens im Ausland.

Der Dax-Konzern steigt dadurch schlagartig zum weltweit größten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln auf. Doch Baumann musste sich ins Zeug legen und erhebliche Zugeständnisse machen, damit die Kartellwächter den Milliarden-Deal durchwinken.

Der Bayer-Chef hat etliche Flugmeilen auf sich genommen, um für die Milliarden-Fusion zu werben. Mit seinem Monsanto-Pendant Hugh Grant, der nach der Übergabe seinen Posten räumen will, war Baumann bereits im Januar 2017 zum Antrittsbesuch bei Donald Trump, der damals noch nicht einmal als US-Präsident vereidigt war.

Ein Jahr später umgarnte Baumann Trump beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Erst kürzlich soll er erneut in den USA gewesen sein, um beim Justizministerium Überzeugungsarbeit für den Deal zu leisten.

Dennoch nahmen sich die Wettbewerbshüter viel Zeit, um zu prüfen, ob die Marktmacht durch die Fusion nicht zu groß wird. Letztlich stimmte die Trump-Regierung – wie im März bereits die EU-Kommission – dem Zusammengehen der Großkonzerne nur unter strengen Bedingungen zu.

Bayer muss deutlich mehr Geschäftsanteile an den Rivalen BASF verkaufen als ursprünglich erwartet. Auf 7,6 Milliarden Euro beziehungsweise 9 Milliarden Dollar beläuft sich der Kaufpreis.

Die wesentlichen Veräußerungen waren schon bekannt. In zwei Tranchen muss sich der deutsche Konzern unter anderem von seinem Gemüse- und Feldsaatgut-Geschäft, von Aktivitäten bei „Digital Farming“ sowie vom weltweiten Geschäft mit Glufosinat-Ammonium trennen - insgesamt geht damit ein Umsatzvolumen von 2,2 Milliarden Euro an BASF. Dem Verkauf stimmte die EU-Kommission Anfang Mai unter Auflagen zu, am Dienstagabend teilte sie zudem mit, dass sie BASF für den geeigneten Käufer halte. Das DOJ teilt diese Ansicht.

„Gemäß den Auflagen des DoJ kann die Integration von Monsanto in den Bayer-Konzern erfolgen, sobald BASF den Erwerb der von Bayer abgegebenen Geschäfte vollzogen hat“, erklärte Bayer am Dienstag. „Hiermit wird in zwei Monaten gerechnet.“

Da Bayer und Monsanto fast rund um den Globus Geschäfte machen, mussten Genehmigungen in rund 30 Ländern eingeholt werden. Neben den USA waren Brasilien und die EU die wichtigsten Hürden.

Für die Leverkusener ist der teure Zukauf auch ein finanzieller Kraftakt. Den Eigenkapital-Anteil der Fusion will Bayer unter anderem durch den Verkauf des Werkstoff-Herstellers Covestro sowie der Geschäftsteile an BASF stemmen.

Und auch wenn die Monsanto-Übernahme endlich in trockenen Tüchern ist, bleiben für Bayer große Herausforderungen. Der Konzernumsatz stagnierte zuletzt, mehrere Sparten schwächeln. Die Consumer-Sparte läuft seit zwei Jahren nicht gut, besonders auf dem US-Markt. Und das, obwohl Bayer sich 2014 mit dem Zukauf der OTC-Sparte von Merck & Co. einen Konkurrenten vom Hals geschafft hatte. Auf der Hauptversammlung vor wenigen Tagen warnten Aktionäre, das Kerngeschäft wegen der Übernahme nicht zu vernachlässigen.

Sie sorgten sich auch um Monsantos schlechtes Image, das abstrahlen könnte. Der US-Konzern steht wegen des Pestizids Glyphosat in der Kritik, das Sammelkläger und einige Studien für krebserregend halten.

Das ist jedoch nicht alles. In den USA etwa klagen zahlreiche Bauern wegen des Herbizids Dicamba, das zwar Unkraut tötet, aber auch Nutzpflanzen – sofern sie nicht aus genetisch modifizierter Saat stammen. In Europa, wo Politik und Verbraucher Gentechnik mit großem Argwohn betrachten, hat Monsanto ohnehin wenig Freunde. Nicht nur Umwelt- und Verbraucherschützern kritisieren die Fusion. Landwirte sorgen sich angesichts der großen Marktmacht der Konzerne. Sie klagen jetzt schon, dass an Monsantos Produkten in einigen Bereichen kaum ein Weg vorbeiführt.

Auch die Leverkusener beschäftigen Sammelklagen in den USA – etwa im Pharmageschäft im Zusammenhang mit ihrem Gerinnungshemmer Xarelto. Der Konzern verspricht sich von der Monsanto-Übernahme vor allem eine hohe Wertsteigerung und Know-how beim Saatgut und „Digital Farming“.

Nicht zuletzt gilt es angesichts großer Zusammenschlüsse von Konkurrenten, im Agrarchemie-Sektor nicht abgehängt zu werden. Mit der Fusion von Dow Chemicals und Dupont zum Chemiegiganten Dowdupont 2017 und der Übernahme des Schweizer Agrarchemie-Anbieters Syngenta durch den Chemieriesen Chemchina hat sich der Wettbewerb verschärft.

Baumann war sich der Skepsis von Anfang an bewusst. „Wir werden das kombinierte Geschäft nach Abschluss der Übernahme nach unseren Maßstäben führen“, versprach er besorgten Aktionären schon im Frühjahr 2017 – bis heute das Mantra bei Bayer.

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