„Viele Kunden haben uns angesprochen“

Rassismus-Debatte: Nächste Mohren-Apotheke benennt sich um

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Berlin -

Black Lives Matter ist auch in den deutschen Apotheken angekommen. Was die Diskussion um die Frankfurter Mohren-Apotheke vor zwei Jahren nicht vermochte, erreicht nun die aktuelle Rassismus-Debatte, zumindest in Kiel: Dort hat Apothekeninhaber Jens Rath beschlossen, seine Mohren-Apotheke umzubenennen. Glücklich war er mit dem Namen seit langem nicht mehr, sagt er. Doch die betriebliche Herausforderung, das Traditionshaus umzubenennen, stand der Entscheidung im Weg. Das aktuelle gesellschaftliche Klima macht es nun möglich.

Seit 1923 gibt es die Kieler Mohren-Apotheke und die meiste Zeit davon hat sich kaum jemand an ihrem Namen gestört. Doch Zeiten ändern sich. Und zwar nicht nur im Laufe eines Jahrhunderts, sondern manchmal auch ganz schnell: „2018 gab es ja schon einmal eine solche Diskussion um Mohren-Apotheken“, erzählt Rath. „Mein Standpunkt war damals, dass es kein diskriminierender Name ist, weil er die Wertschätzung für die Heilkunst widerspiegelt.“ Dennoch habe er auch zu der Zeit nicht voll hinter dem Begriff gestanden. Nicht zuletzt die Reaktionen auf seine Verteidigung habe ihn dann zweifeln lassen. „Ich habe damals viele Unterstützerbriefe von Menschen aus dem eindeutig rechten Spektrum erhalten, das hat mich viel mehr schockiert als die Kritik an mir“, erinnert er sich. „Ich dachte mir damals, ich würde den Namen gern ändern, will aber erst die 100 Jahre voll machen.“

Doch so lange dauerte es nicht. Black Lives Matter und die darüber hinausgehende Debatte über Rassismus und Polizeigewalt hat in den vergangenen Wochen auch Deutschland in Bewegung versetzt. Das merkte Rath am eigenen Leib. „In letzter Zeit haben uns immer wieder Kunden auf den Namen angesprochen und wir mussten uns immer wieder erklären“, sagt er. Beim Reden und Erklären blieb es aber nicht. Unbekannte haben ihm Plakate an die Schaufenster geklebt, auf denen stand „Wegen Rassismus geschlossen“, die Apotheke wurde mit Graffiti beschmiert, die vor der Apotheke warnen sollten. „Das war es aber nicht, was mich zur Umbenennung bewegt hat“, sagt Rath.

Den Ausschlag gab vielmehr das gesellschaftliche Klima, denn das gibt ihm jetzt die Gelegenheit, die Umbenennung zu etwas Positivem zu machen. „Wenn ich es heimlich in einem Jahr mache, ist die öffentliche Wirkung nicht so groß. Im Moment ist das viel einfacher zu kommunizieren, weil ich viel mehr Gehör dafür finde. Warum soll ich diese positive Stimmung jetzt nicht nutzen?“ Die Kalkulation: Angesicht der Debatte ist es für die Apotheke auch positive PR, wenn sie sich in der Sache eindeutig positioniert.

Die Umbenennung in diesem Sinne als einen positiven Schritt zu zeigen und gegebenenfalls sogar auch in der Region ein gewisses Aufsehen zu erregen – Lokalzeitungen werden mit Sicherheit darüber berichten – ist auch eine betriebswirtschaftliche Erwägung. Denn einen Traditionsbetrieb umzubenennen, ist ein Risiko. „Wir machen viel Traditionelle Chinesische Medizin und unsere Apotheke hat in dem Bereich Kunden in ganz Deutschland“, erklärt Rath. Entsprechend sei auch die Marke deutschlandweit bekannt. „Hier vor Ort kann man so eine Umbenennung relativ leicht kommunizieren, aber darüber hinaus ist das schon schwieriger.“ Wie genau er das machen will, weiß er noch nicht, aber wahrscheinlich werde er den Kundensendungen Flyer beilegen, in denen er schon vorab auf den neuen Namen hinweist.

Bürokratisch ist die Umbenennung kein großer Akt. „Das geht formlos und unkompliziert, man muss es nur bei der Aufsichtsbehörde anzeigen und erhält dann eine neue Betriebserlaubnis. Da die Apotheke als Filiale im Handelsregister eingetragen ist, muss ich aber nochmal zum Notar.“ Wie genau die Apotheke künftig heißen wird, wisse er noch nicht. „Nächste Woche ist der Notartermin, bis dahin muss ich mir sicher sein.“ Voraussichtlich werde er sie dem Markendach seiner anderen Apotheken anschließen und sie „Raths-Apotheke am Brauereiviertel“ oder so ähnlich nennen. Etwas umfangreicher werde es dann, alle Geschäftskunden über die Umbenennung zu informieren. „Das läuft eigentlich wie bei einer Übernahme“, sagt er.

Die war 2002, eigentlich hätte er die Apotheke auch damals schon umbenennen können, findet Rath. „Hätte man das damals absehen können, hätte ich den Namen gleich bei der Übernahme geändert. Wenn man heute eine neue Apotheke gründen würde, würde man die ja nicht Mohren-Apotheke nennen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Vielleicht habe ich das damals aus Unerfahrenheit nicht gemacht.“ Allerdings: Übernimmt man einen etablierten Betrieb, ist Kontinuität wichtig, schließlich will man die bisherige Kundschaft halten. Die Kontinuität ist nun gegeben, schließlich bleiben er und sein Team. Die Kundschaft wird derzeit aktiv auf die anstehende Umbenennung hingewiesen – und reagiere überwiegend positiv. „Von alten Stammkunden kommt manchmal etwas Unverständnis für die Umbenennung, aber meistens erhalten wir Zustimmung.“

 

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