Verstöße gegen Preisbindung

Rx-Boni: BMG schaut zu, Aufsicht zaudert

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Berlin -

Mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) wurden die ausländischen Versender verpflichtet, sich als Partner des Rahmenvertrags an die gesetzlichen Preisvorgaben zu halten. Doch immer wieder werden Verstöße bekannt, und je weniger CardLink zum Selbstläufer wird, desto offensiver werden DocMorris & Co. wieder mit Rx-Boni umgehen. Während die Paritätische Stelle zögert, endlich die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen zu verhängen, sieht das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gar  keinen Handlungsbedarf.

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die ausländischen Versender aus Wettbewerbsgründen von der Rx-Preisbindung nach § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) freigesprochen hatte, wurde sie ins Sozialrecht überführt: Wer Arzneimittel zu Lasten der Kassen abgeben will, muss dem Rahmenvertrag beitreten. Und wer dem Rahmenvertrag beitritt, muss sich an die festgesetzten Preisspannen halten und darf Versicherten keine Zuwendungen gewähren, so steht es in § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V).

Außerdem wurde das BMG verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) die Auswirkungen dieser Regelung „auf die Marktanteile von Apotheken und des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“ zu evaluieren – und zwar bis zum 31. Dezember 2023.

Kein Handlungsbedarf

Wie das BMG auf Nachfrage mitteilt, ist dies tatsächlich geschehen: Gemäß dem gesetzlichen Auftrag habe man die Folgen der Neuregelung auf das Marktgeschehen geprüft. Fazit: „Auf der Grundlage der dem BMG vorliegenden Daten befindet sich der Anteil des EU-Versandhandels am Rx-Markt weiterhin auf niedrigem Niveau, so dass derzeit in Bezug auf die Boni- und Rabattgewährung durch EU-Versandapotheken kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf gesehen wird.“

Die Aussage ist zwar sachlich korrekt, allerdings waren zuletzt immer wieder Verstöße durch DocMorris und Shop Apotheke bekannt geworden. In einer Stellungnahme für das Oberlandesgericht München (OLG) hatte das BMG vor drei Jahren selbst eingeräumt, dass der Versandhandel mit dem E-Rezept weiter an Dynamik gewinnen und es zu einer Verdrängung von Apotheken kommen könnte. Und dass Mitgliedstaaten nicht abwarten müssen, bis Schäden im Gesundheitswesen eingetreten sind, ist auch europarechtlich anerkannt.

Andererseits beschränkte sich der Prüfauftrag des BMG tatsächlich nur auf die Entwicklung des Versandanteils, und der ist seit Inkrafttreten des VOASG sogar noch gesunken. Für die Kontrolle und Ahndung von Verstößen gegen die Preisbindung ist dagegen die sogenannte Paritätische Stelle zuständig, gegen deren Einrichtung DocMorris sogar geklagt hatte.

Bislang keine Sanktionen

Und obwohl es seit Jahren immer wieder Hinweise und auch Belege dafür gab, dass die Versender ihre Kundinnen und Kunden weiterhin mit Rabatten und Gutscheinen belohnen, wurde bislang kein Verfahren eingeleitet oder eine Strafe verhängt. Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), räumte in dieser Woche ein, dass es in der Struktur des Kontrollgremiums erhebliche Unzulänglichkeiten gebe.

Je drei Mitglieder entsenden Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband. Für Entscheidungen über die Einleitung eines Verfahrens und die Verhängung von Sanktionen genügt zwar die Hälfte der Stimmen, sodass die Apothekerseite theoretisch auch alleine Beschlüsse treffen könnte.

Angst vor Schadenersatz

Doch laut Hubmann könnten die einzelnen Mitglieder dann von der betroffenen Versandapotheke persönlich haftbar gemacht werden, sollte ihre Entscheidung am Ende von einem Gericht doch noch für unzulässig erklärt werden.

Im Rahmenvertrag musste der DAV sogar hinnehmen, dass er im Zweifel alleine für die Entscheidung gerade stehen muss: „Das Haftungsrisiko tragen der GKV-Spitzenverband und der DAV je nach den Stimmanteilen der für die Entscheidung maßgeblichen Mitglieder, die den Antrag für begründet halten und die sich zugleich für die konkrete (gegenüber der Apotheke verhängten) oder eine höhere Strafe ausgesprochen haben“, heißt es dort.

Dass Schadenersatzklagen drohen, klingt natürlich auf den ersten Blick weit hergeholt, da ja „nur“ Geldstrafen verhängt werden können und ein kompletter Ausschluss vom Rahmenvertrag als Sanktion nur im Zusammenhang mit anderen Verstößen, aber eben nicht bei Preisbrechern vorgesehen ist. Allenfalls wenn die verhängte Vertragsstrafe nicht gezahlt wird, „kann vorgesehen werden, dass die Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe ausgesetzt wird“.

An einem anderen Fall kann man sehen, wie schnell die Einforderung von Rechstreue zum Bumerang werden kann. Aufgrund des EuGH-Urteils waren aus Sicht von DocMorris verschiedene Urteile unwirksam geworden, die die Apothekerkammer Nordrhein im Zusammenhang mit den Rx-Boni des Versenders erwirkt hatte. Der fordert jetzt einen Schadenersatz von 14 Millionen Euro – der Fall liegt gerade beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Bis zu 250.000 Euro pro Aktion

Dabei sind die Vertragsstrafen sogar gesetzlich geregelt: Bei einem gröblichen oder einem wiederholten Verstoß gegen die Preisbindung sind Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro für jeden Einzelfall möglich, wobei die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang begangene Verstöße die Summe von 250.000 Euro nicht überschreiten darf.

So gesehen wurden die Apotheken beim VOASG wieder einmal alleine gelassen; alleine mit einem eher stumpfen Schwert. Bei den Kassen hält sich der Ehrgeiz in Sachen Rx-Preisbindung ohnehin in Grenzen – obwohl ja gerade die Versichertengemeinschaft der eigentliche Verlierer ist, wenn einzelne Patientinnen und Patienten für ihre Verordnungen Vorteile erhalten.

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