Zuzahlungen

Hilfsmittel-Boni vor BGH

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Berlin -

Versender von Diabetikerbedarf dürfen ihren Kunden die gesetzliche Zuzahlung nicht erlassen. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) entschieden. In dem Fall ging es um den Spezialanbieter Dr. Schweizer, der mit einem Nachlass geworben hatte. Das baden-württembergische Unternehmen will das Urteil nicht hinnehmen und vor den Bundesgerichtshof (BGH) ziehen.

Dr. Schweizer hat vor dem BGH Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht. Geben die Karlsruher Richter der Beschwerde statt, wird der Fall als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Spezialversender aus Geislingen hat eine verlängerte Frist erhalten und kann seine Begründung bis November einreichen. Solange ist das Urteil nicht rechtskräftig. Dr. Schweizer kann weiterhin für die Hilfsmittel-Boni werben.

Dr. Schweizer hatte gegenüber Kunden damit geworben, die Zuzahlung bei Hilfsmitteln komplett zu übernehmen. „Zuzahlung bezahlen Sie übrigens bei uns nicht, das übernehmen wir für Sie“, hieß es. Die Wettbewerbszentrale war dagegen vorgegangen. In diesem Jahr werde in dem Fall keine Entscheidung aus Karlsruhe erwartet, sagt Rechtsanwältin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale.

Nach erfolgloser Abmahnung im Oktober 2013 war die Wettbewerbszentrale vor Gericht gezogen. Leistungserbringer sind laut Klage verpflichtet, die gesetzliche Zuzahlung zu erheben, damit diese ihre vorgesehene Steuerungswirkung auch erfüllt. Die Gewährung von Vergünstigungen verstoße zudem gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).

Das Landgericht hatte die Klage der Wettbewerbszentrale in erster Instanz abgewiesen. Denn bei Einziehungspflicht der Zuzahlung handele es sich nicht um Marktverhaltensregeln. Auch das OLG Stuttgart folgte im Berufungsverfahren dieser Argumentation, verbot das Angebot aber trotzdem.

Das OLG erkannte einen Verstoß gegen das HWG: Der Rabatt werde von Dr. Schweizer selbst eindeutig als Vergünstigung oder Zuwendung deklariert. Da die Leistungserbringer die Zuzahlung laut Sozialgesetzbuch (SGB V) einziehen müssen, wolle man einen Wertungswiderspruch mit dem HWG vermeiden.

Der Erlass kommt aus Sicht der Stuttgarter Richter einem Geschenk gleich, Dr. Schweizer verspreche somit eine Werbegabe im Sinne des HWG. Und ähnlich wie seinerzeit die Praxisgebühr sei die Zuzahlung bei der Bevölkerung eindeutig negativ konnotiert. Für angesprochene Kunden sei eine Ersparnis von bis zu 10 Euro ein „erhebliches Kaufargument, sprich ein nachhaltiges Marketinginstrument“, so das OLG.

Das OLG bezog sich dabei auf die vom BGH in Verfahren zu Rx-Boni gezogene Bagatellgrenze von einem Euro. Diese sei im Falle der Zuzahlungen jedenfalls überschritten. Die Karlsruher Richter hätten die maßgebliche Wertgrenze bereits ab ein Euro gesehen und so festgelegt. Bis zu dieser Grenze dürfte Dr. Schweizer die Zuzahlung theoretisch auch künftig erlassen.

Die Wettbewerbszentrale hatte Apotheken nach dem Urteil verwarnt, ihren Kunden die Zuzahlung nunmehr teilweise zu erlassen. Apothekern sei dies nach ihren Berufsordnungen nicht gestattet. Das derzeit nicht rechtskräftige Urteil des OLG sollte demnach nicht als „Freibrief“ verstanden werden, mit einem teilweisen Zuzahlungsverzicht zu werben oder auf die Zuzahlung auch nur teilweise zu verzichten.

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