EuGH-Urteil

Spiegel: Und jetzt alle im Ausland bestellen!

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Berlin -

Das EuGH-Urteil vom vergangenen Mittwoch beschäftigt weiterhin nicht nur die Apotheker, sondern auch die Medien. „Werden Arzneimittel für Patienten jetzt billiger?”, fragt der „Spiegel“ – und empfiehlt seinen Lesern, ab jetzt ausnahmslos im Ausland zu bestellen.

„Eine gute Nach­richt für Pa­ti­en­ten“, lautet das Fazit im „Spiegel“. „Wer sein Re­zept bei ei­ner aus­län­di­schen Ver­sand­apo­the­ke ein­löst, kann jetzt Geld spa­ren.“ Weil da­von aus­zu­ge­hen sei, dass die Recht­spre­chung in Deutsch­land dem Ur­teil folge, bie­te die Doc­Mor­ris ab so­fort zwei Euro Nach­lass auf je­des Me­di­ka­ment. „Statt bis zu zehn Euro Zu­zah­lung sind dort also nur noch acht Euro fäl­lig. Man stel­le sich vor, alle deut­schen Kas­sen­pa­ti­en­ten wür­den ihre Me­di­ka­men­te ab so­fort im Aus­land be­zie­hen. Bei etwa 600 Mil­lio­nen ver­schrei­bungs­pflich­ti­gen Ver­ord­nun­gen pro Jahr käme ein Mil­li­ar­den­be­trag zu­sam­men.“

Der „Spiegel“ räumt ein, dass das Urteil für die deutschen Apotheker eine Katastrophe gleichkomme. Dass bislang die Abgabepreise gesetzlich festgelegt seien, sei „bequem, weil kein Apotheker Angst haben muss, dass die Konkurrenz mit Rabatten lockt“. Weil die Preise höher seien als in anderen EU-Staaten, sicherten sie „ein gutes Auskommen“. „Zumal in Kombination mit Hustenbonbons, Vitaminpillen und Aufbaupräparaten, die inzwischen oft einen Gutteil des Verkaufsraums einnehmen.“

In vielen Städten gebe es mehr Apotheken als Metzgereien – das sei wahrscheinlich weltweit einzigartig, moniert der „Spiegel“ und verweist auf Dänemark mit seiner geringen Apothekendichte und darauf, dass die Dänen nicht seltener krank würden.

Bislang hätten die Apotheker sich auf die Politik verlassen können, „egal wer regierte“. Jetzt stelle sich Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wieder an ihre Seite, auch von CSU, SPD und der Linkspartei gebe es Stimmen pro Rx-Versandverbot. „Die Freude der Patienten wäre dann von kurzer Dauer. Gröhe könnte sich fortan Bundesapothekenminister nennen.“

Im Online-Auftritt des ebenfalls im Spiegel-Verlag erscheinenden Manager Magazins versuchte sich am Freitag eine Autorin unter dem Titel „Apotheken gegen DocMorris – Akute Gefährdung der Gesundheit“ an einer Glosse zum Thema. „Ja, sind denn diese verantwortungslosen Richter in Luxemburg von allen guten Geistern verlassen!? Kippen einfach die Preisbindung für lebensrettende Arzneien – eine der absolut unerschütterlich geglaubten Grundfesten unseres bewährten traditionellen Gesundheitswesens. Also, ich muss sagen, mir zittern noch jetzt die Hände vor Abscheu und Entsetzen. Und ein bisschen auch vor Angst.“

„Wo kommen wir denn hin, wenn das wertvollste Gut des Menschen – seine Gesundheit – jetzt auch noch den bekanntlich zerstörerischen Kräften des Wettbewerbs ausgesetzt wird.“ Der winzige Vorteil für die Patienten stehe doch „in keinerlei Verhältnis zu dem enormen Schaden, den das Ende der Preisbindung bei den Pharmazeuten auslöst“. „Die (finanzielle) Gesundheit jener Garanten einer flächendeckenden Rund-um-die Uhr Vor-Ort-Versorgung mit Pillen und Pflastern (also jetzt natürlich nicht wirklich überall. Aber auf den Dörfern lohnt sich das Geschäft ja nun wirklich überhaupt nicht) wird dadurch enorm gefährdet.“

Den Apothekern stehe doch schon heute das Wasser bis zum Hals. „Wer nicht zumindest die Immobilie besitzt, in dem sein Ladenlokal angesiedelt ist, der verdient höchstens noch Mitleid. Und auch die Hausbesitzer können meist nur durch Mieteinnahmen aus den Wohnungen in den oberen Stockwerken mühsam ihren gewohnten Lebensstandard halten. Ich persönlich kenne schon Apotheker, die ihren erwachsenen Kindern die Eigentumswohnung in München nur noch teilfinanzieren können.“ Und jetzt würden die ohnehin schon gebeutelten Pharmazeuten auch noch einem mörderischen Preiskampf ausgesetzt.

Das Handelsblatt holte am Freitag unter der Überschrift „Was verdient ein Apotheker?“ noch einmal zum Rundumschlag aus. „Das ist ein Frontalangriff auf das Geschäftsmodell der Apotheken. Doch wie stark trifft das Urteil ihre Inhaber tatsächlich?“ Die Zahlen des Instituts für Handelsforschung (IFH) lieferten ein nur auf den ersten Blick ernüchternden Ergebnis: Zwar betrage der Betriebsgewinn gerade einmal 1,5 Prozent – also knapp 32.000 Euro. „Doch die Zahl ist trügerisch. Denn hinzu kommt stets das Geschäftsführer-Gehalt, das sich der Apotheker aus dem laufenden Betrieb auszahlt.“ Betriebsgewinn und Geschäftsführer-Gehalt summierten sich im Durchschnitt auf 118.000 Euro, zitiert das Handelsblatt das IFH, an dem unter anderem der Apothekerverband Nordrhein und die Noweda beteiligt sind.

Dann erklären die Autoren, dass die Spanne zwischen armen und reichen Apothekern beachtlich sei: „Arzneimittelhändler mit weniger als einer Million Euro Jahresumsatz – nach Berechnungen des Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ist dies jeder Zehnte – schrieben laut IFH fast ausnahmslos rote Zahlen. Bei Jahreserlösen von über drei Millionen Euro lagen die Gewinne andererseits weit über dem Durchschnitt.“ Großapotheken seien in Deutschland wegen des Mehrbesitzverbots eher die Seltenheit.

Das Handelsblatt erklärt, dass das Apothekenhonorar zuletzt mehrfach erhöht worden sei. Nach einem Ausflug zu den millionenschweren Zytoapothekern kommt der Beitrag auf das Thema Rx-Versandhandelsverbot. Zu Wort kommt der Münchener Kartellrechtsexperte Martin Bechtold, der der Idee keine Chancen einräumt: „Der EuGH hat zwar vor einigen Jahren ein solches Verbot in Bezug auf rezeptpflichtige Medikamente für mit dem EU-Recht vereinbar erklärt, aber nur weil er anerkannte, dass es Probleme geben könnte, die Abgabe von Medikamenten gegen ärztliche Verordnung auf dem Versandweg rechtssicher zu gestalten. Diese Bedenken dürfte das Gericht aber heute kaum noch gelten lassen, nachdem der Versandhandel in Deutschland seit 2004 erlaubt ist und offenbar funktioniert.“

Zum Schluss des Beitrags schlägt der Vorsitzende der Monopolkommission, Professor Dr. Achim Wambach, vor, die Apotheker in Zukunft selbst über ihre Handelsspanne in Form einer Servicegebühr entscheiden zu lassen. Die müsste jeder Versicherte aus eigener Tasche zahlen.

Durch diese Umstellung der Zuzahlung entstünde für die Versicherten ein Anreiz, sich bei der Auswahl der Apotheke nach Preis und Servicequalität zu richten. „Die Krankenkassen würden im Modell der Monopolkommission nur die Einkaufskosten der Apotheken für die Medikamente übernehmen.“

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