Schleswig-Holstein

Jamaika: Apotheker als Cannabis-Dealer

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Berlin -

Gescheitert sind in den letzten Jahren mehrere Anläufe, das Kiffen von Cannabis zu erlauben. Jetzt macht sich die CDU-geführte Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein auf den Weg, in einem Modellprojekt die Freigabe des Cannabis-Konsums zu erproben. Dabei könnten auch die Apotheker ins Spiel kommen. Und die Apothekerkammer Schleswig-Holsteins ist nicht abgeneigt, dabei den Dealern den Rang abzulaufen.

„Die Möglichkeit zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Rahmen eines Modellprojekts werden wir prüfen“, heißt es lapidar im Koalitionsvertrag zwischen CDU, FDP und Grünen. Aber der künftige Sozial- und Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) will keine Zeit verlieren. Er will schon bald eine Arbeitsgruppe bilden, die Pläne für die kontrollierte Abgabe von Cannabis entwickeln soll. „Ein staatliche kontrollierte Abgabe würde dafür sorgen, dass kein verunreinigter Stoff an die Menschen verkauft wird. Der ‚Dealer an der Ecke' streckt die Droge ja zum Teil mit sehr gesundheitsgefährdenden Substanzen“, sagte Garg den Kieler Nachrichten.

Auch die Grünen finden die Idee gut und haben sich schon mal für die konkrete Umsetzung flexibel gezeigt. Ob die Freigabe über Apotheken oder spezielle Coffee-Shops erfolgt – alles ist möglich. Schließlich hätten die Grünen für die Cannabis-Freigabe im Koalitionsvertrag „hart und erfolgreich gestritten“, so deren Innenpolitiker Burkhard Peters.

Und die Apothekerkammer kann sich vorstellen, bei einem Modellversuch mitzumachen: „Die kontrollierte Abgabe von Cannabis widerspricht eigentlich unserem Berufsethos, da wir das Konzept der Gesunderhaltung verfolgen“, erklärt Kammergeschäftsführer Frank Jaschkowski. Dennoch sagt die Kammer nicht kategorisch Nein: Denn schließlich sei sachkundiges Personal für den Umgang mit solchen Substanzen wichtig: „Unterhalb des Apothekers sehe ich da niemanden, der diese Aufgabe übernehmen kann.“

Im norddeutschen Bundesland ist jedenfalls schon eine Diskussion entbrannt: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt das Projekt ab: „Der Irrglaube, eine Cannabis-Freigabe sei harmlos und erleichtere die Arbeit der Polizei, muss endlich aus der öffentlichen Diskussion verschwinden“, findet Susanne Rieckhof von der GdP. Außerdem müssten dann die Verkehrskontrollen wegen Betäubungsmittel ausgeweitet werden. Die Suchtberatung begrüßt zwar die Entkriminalisierung, sieht aber Probleme im Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr und auch am Arbeitsplatz. Auch der Jugendschutz müsse gesichert sein. Denn die Gefahren für „die Entwicklung von Jugendlichen sind einfach sehr hoch.“

Garg will sich mit einem möglichen Modellprojekt an anderen Ländern orientieren: In Portugal gibt es sehr liberale Drogengesetze. Der persönliche Gebrauch von Rauschgift ist dort nur noch eine Ordnungswidrigkeit. Süchtige gelten als krank. In Uruguay können sich Kiffer registrieren lassen und in Apotheken bis zu zehn Gramm pro Woche kaufen.

Ob das Cannabis-Modellprojekt in Schleswig-Holstein kommt, bliebt abzuwarten. In einigen Bundesländern gab es in der Vergangenheit Bestrebungen, Cannabis zu entkriminalisieren. Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) hatte sich als erster Ministerpräsident für eine Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) war grundsätzlich für eine Legalisierung von Cannabis, um den Stoff zu entkriminalisieren. Und auch die Hamburger Landesregierung erwog, die Gesetzesregeln zum Konsum zu lockern. Auch in Düsseldorf und Berlin gab es Bestrebungen, die lizenzierte Abgabe von Cannabis zu erlauben.

Aus all diesen Ansätzen ist bislang nichts geworden. Die Drogen-Beauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), lehnt die Freigabe hingegen ab. „Cannabiskonsum wird zu sehr verharmlost. Dabei ist es alles andere als harmlos“, sagte sie mit Bezug auf die Forderung der rot-grünen Landesregierung in Bremen nach einer Freigabe.

Auch die Schweiz will ein Pilotprojekt zur kontrollierte Abgabe von Cannabis testen. Berner Apotheken sollen der Verkaufspunkt sein und das Kraut legal an Teilnehmer einer Studie abgeben. Die Politiker sperren sich gegen den Vorstoß – die Berner Apotheker zeigen sich aufgeschlossen.

Mit 100 bis 1000 Probanden rechnen die Studieninitiatoren. Es ist vorgesehen, dass Apotheken Cannabis nur an mindestens 18-Jährige mit Wohnsitz Bern abgeben. Die Probanden müssen bereits Erfahrung mit dem Kiffen haben. Zudem dürfen sie nicht schwanger oder in psychiatrischer Behandlung sein. Auch bestimmte Medikamente einzunehmen ist ein Ausschlussgrund. Pro Person ist die Abgabe auf fünf Gramm pro Apothekenbesuch und 15 Gramm pro Monat gedeckelt. Da sich die Studienteilnehmer ausweisen müssen, können die Apotheken den Verbrauch überwachen. Dreißig Monate soll das Projekt laufen.

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