Rx-Versandverbot

Lex DocMorris: Gröhes Problemfall

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Berlin -

In der kommenden Woche startet das politische Geschachere um das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigte Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel: „Wir werden in den Koalitionsfraktionen dafür werben“, wiederholt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mantramäßig seine Position. Auch wenn es am Ende auf eine „Lex DocMorris“ hinausläuft – Gröhe hat ein Problem.

Es gibt verschiedene gesetzgeberische Optionen für ein Rx-Versandverbot. Gröhe hat sich noch nicht entschieden: Es gebe noch keinen Fahrplan, heißt es im BMG. Je weniger Informationen Gröhe preisgibt, umso intensiver schießen die Spekulationen ins Kraut, wie er das Rx-Versandverbot in die Tat umsetzen kann. Nach dem Nein von SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach scheint der einfache Weg über eine gemeinsame Gesetzesinitiative der Koalition im Rahmen der Beratung des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) versperrt.

Aber auch aus einem anderen Grund ist dieser Weg für Gröhe womöglich zu riskant. Vermutlich muss ein Rx-Versandverbot in der EU notifiziert werden. Denn laut EU-Richtlinie müssen sämtliche Entwürfe technischer Vorschriften das Notifizierungsverfahren durchlaufen. Das sind unter anderem „Vorschriften, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden“. Darunter dürfte das Rx-Versandverbot fallen.

Alle EU-Mitgliedsstaaten, auch die Niederlande als Heimatstandort von DocMorris, der Europa Apotheek Venlo (EAV) und der von ihr abgespaltenen Shop-Apotheke, könnten das Verfahren damit erheblich in die Länge ziehen. Mit einem Rx-Versandverbot geriete daher das AM-VSG in die Mühlen der Europapolitik – mit unkalkulierbarem Ausgang. Gröhe müsste um das Inkrafttreten seines Pharmadialoggesetzes noch in dieser Legislaturperiode fürchten. Aus Sicht der Pharmaindustrie wäre das wegen der Verlängerung des Preismoratorium vielleicht gar nicht so schlimm. Ein Scheitern bedeutete für Gröhe aber einen herben Imageschaden.

Daran dürften übrigens auch die Apotheker kein Interesse haben: Denn im AM-VSG enthalten ist nicht nur das Preismoratorium, sondern auch die 100 Millionen Euro schwere Honorarerhöhung für Rezeptur und BtM-Rezepte. Auch das Zyto-Ausschreibungsverbot steckt darin – alles wichtige ABDA-Projekte. Die ABDA hat somit die Wahl zwischen Pest und Cholera. Drängt sie weiter auf eine rasches Rx-Versandverbot, gefährdet sie schon sicher geglaubte Erfolge an anderer Stelle.

Gespannt sein darf man daher darauf, wie die Koalitionsmehrheit auf die Bundesratsinitiative für ein Rx-Versandverbot aus Bayern reagiert. Am 9. November will CSU-Gesundheitsministerin Melanie Huml einen Gesetzesantrag in die Beratung des Gesundheitsausschusses einspeisen. Stimmt der Bundesrat am 25. November ebenfalls zu, muss der Bundestag darauf reagieren. Die Chancen auf ein Ja in der Länderkammer stehen nicht schlecht. NRW ist mit an Bord: „Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich bereits im März 2012 im Bundesrat für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausgesprochen und diese Position in der Sitzung im September 2012 noch einmal bekräftigt“, bestätigte die Düsseldorfer Landesregierung auf Nachfrage.

Will Gröhe sein Pharmadialoggesetz nicht zusätzlich mit dem Rx-Versandverbot belasten, bleibt nur ein ebenfalls riskanter Ausweg: Es muss ein Extra-Gesetz vorlegen – eine „Lex DocMorris“. Damit hielte der Minister zunächst das Heft des Handels in der Hand. Anders als bei der Einspeisung in das AM-VSG kann Gröhe einen Gesetzentwurf ohne Zustimmung der SPD vorlegen. Erst in der Kabinettsabstimmung müssten dann die SPD und die Verfassungsressorts Farbe bekennen. Gröhe könnte so immerhin sein Wort halten. Für das weitere Schicksal des Rx-Versandverbots wäre er dann nicht mehr verantwortlich.

Trotzdem birgt auch dieser Weg für den ihn erhebliche politische Gefahren: Bereits am vergangenen Wochenende brandmarkte die Publikumspresse Gröhe als „Apothekenminister“, der von der ABDA zu Nostalgie-Politik getrieben wird. „Die Apotheker haben es verlangt, der Minister setzt es um“, schrieb beispielsweise die FAZ und weiter: „Gröhe knickt ein.“ Gröhe stelle sich quer gegen billigere Medikamente. „Ein Gesetz für Apotheker“, titelte die Süddeutsche Zeitung und „Reingefallen, Herr Gröhe“. Die Springer-Presse druckte in der Bild die Zeile „Kassenaufstand gegen Gröhe“ und die Welt erhob die Forderung: „Kein Artenschutz“.

Die Presselage fiel für Gröhe desaströs aus. Solche Schlagzeilen liest man auch im Kanzleramt mit Argwohn. So etwas stört die Kreise von Angela Merkel. Wie kann man in der Regierungszentrale angesichts der um sich greifenden Europa-Skepsis die Fahne der Vorteile der Freizügigkeit innerhalb der EU hochhalten, wenn der eigene Gesundheitsminister die Grenzen für Arzneimittellieferungen an die Patienten dicht machen will? Nach Lage der Dinge hat Gröhe also ein Problem – so oder so.

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