Lyrica-Patentstreit

KKH darf Apotheken nicht verheizen

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Berlin -

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) ist mit ihrem Versuch gescheitert, die Verantwortung für mögliche Patentverletzungen im Zusammenhang mit Pregabalin auf die Apotheken abzuwälzen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) sieht vielmehr die Kasse in der Pflicht, schon bei der Ausschreibung auf die Rechte des Originalherstellers Pfizer zu achten.

Pregabalin ist seit Ende 2014 in zwei Indikationen patentfrei: als Zusatztherapie bei partiellen epileptischen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung sowie zur Behandlung von generalisierter Angststörung. Die Anwendung zur Behandlung neuropathischer Schmerzen hat Pfizer allerdings noch bis Juli 2017 exklusiv; vier von fünf Verordnungen entfallen Schätzungen zufolge auf die geschützte Indikation.

Der Konzern kämpft an mehreren Fronten um sein Second-Medical-Use-Patent. Streitig ist beispielsweise, ob Generikahersteller sich an Ausschreibungen der Kassen beteiligen dürfen, bei denen die Unterschiede bei der Indikation nicht berücksichtigt werden. Parallel hat Pfizer erfolgreich mehrere Ausschreibungen vor der Vergabekammer des Bundes angegriffen. Mit Spectrum K und GWQ einigte sich der Hersteller in einem Vergleich, die KKH kämpfte in Düsseldorf um einen Rabattvertrag für den Wirkstoff.

Das OLG stellte sich auf die Seite von Pfizer. Zwar sei die Prüfung des Patentschutzes im Vergaberecht nicht explizit vorgesehen; allerdings seien Firmen, denen das Angebot eines Erzeugnisses patentrechtlich untersagt werden könne, aus rechtlichen Gründen als „nicht leistungsfähig“ anzusehen und vom Bieterwettbewerb als ungeeignet auszuschließen. Ähnlich hatte bereits das LG Hamburg in einem Streit mit den Generikaherstellern entschieden.

Die Richter in Düsseldorf waren bemüht, die Apotheker aus der Schusslinie zu nehmen. Sie setzten sich nämlich Unterlassungsansprüchen aus, wenn sie Lyrica im patentgeschützten Anwendungsbereich „aus Unwissenheit oder aus anderen Gründen“ substituierten. Gleiches gelte für Hersteller, die um diese Zusammenhänge wüssten, und möglicherweise Ärzte und die Krankenkasse.

Da auf dem Rezept die Diagnose nicht ersichtlich sei, könnten die Apotheker gar nicht erkennen, ob der patentgeschützte Bereich tangiert sei, so die Richter weiter. „Die Annahme, Ärzte und/oder Apotheker verhielten sich bei Verordnungen und Abgaben stets oder auch nur überwiegend rechtskonform und vermieden Patentverletzungen, ist in der Praxis, die überwiegend ein Massengeschäft ist, unrealistisch.“

Die KKH hatte darauf verwiesen, dass Apotheker teilweise in ihrer Software einen Hinweis auf den Patentschutz erhielten. Dies war für die Richter aber unerheblich, da es alleine die Kasse in der Pflicht sei, etwaige Patentrechte bei ihren Rabattverträgen zu berücksichtigen: „Sie ist nicht dazu berechtigt, anstelle dessen auf eine Heilung von Fehlern zu verweisen, die sich gewissermaßen zufällig daraus ergibt, dass die Apotheker bei dem Massengeschäft der Arzneimittelabgabe überobligationsmäßig gründlich vorgehen und einen etwaigen Patentschutz von sich aus erforschen.“

Die KHH lasse mangels Beschränkung des Einsatzbereichs Patentverletzungen zu und nehme eine „wilde“ Substitution unter dem Deckmantel des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in Kauf, kritisieren die Richter. Rabattverträge stünden aber nicht über dem Patentrecht, sondern hätten dieses zu respektieren, zumal geistigem Eigentum ein grundrechtlicher Schutz zuzuerkennen sei.

Pfizer hatte die ABDATA bereits vor einigen Monaten aufgefordert, einen Hinweis auf den Patentschutz in die Software aufzunehmen. In Eschborn wies man daraufhin, dass solche zusätzlichen Informationen nicht abzubilden seien. Nur Lauer-Fischer hatte sich dem Druck des Konzerns gebeugt: Seit August erhalten Anwender von Winapo einen Hinweis, dass sie Lyrica nicht immer austauschen dürfen: „Behandlung neuropathischer Schmerzen: Patentschutz für Lyrica beachten!“

Als erste Kasse hatte die AOK Baden-Württemberg im September den Wirkstoff getrennt nach Anwendungsgebiet ausgeschrieben. Laut Arzneiverordnungsreport stand das Antiepileptikum 2013 mit 2,4 Millionen Verordnungen im Wert von 281 Millionen Euro zu Apothekenverkaufspreisen auf Platz 26 der am häufigsten verordneten Medikamente. Die Autoren sehen bei dem Medikament auch das größte Einsparpotenzial: Konsequent ausgetauscht gegen das bereits generische Lamotrigin, könnten die Kosten um 83 Prozent gesenkt werden.

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