Kommentar

DocMorris gibt auf, Apotheker verlieren

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Berlin -

Erfolg ist relativ – auch auf der Zeitachse. Die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) hat gegenüber der Wettbewerbszentrale eine Unterlassungserklärung abgegeben, dass sie nicht mehr für DocMorris-Boni wirbt. Das wäre 2011 ein Erfolg für die Wettbewerbszentrale gewesen, 2017 ist es eine Pleite. Ein Kommentar von Alexander Müller.

DocMorris hat über viele Jahre juristisch vor allem ein Ziel verfolgt: Rx-Boni vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen. Die Versandapotheke hat trotz Boni-Verbot immer weiter rabattiert, sich verklagen lassen und dann von jedem Richter die Vorlage in Luxemburg verlangt. Dass der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ihre Absagen zunehmend gereizt begründeten, ließ DocMorris unbeeindruckt.

Irgendwann – so der feste Glaube in Heerlen – würde irgendein Richter einer unteren Instanz die europarechtliche Relevanz sehen und den EuGH anrufen. Und irgendwann fand sich dieser Richter am OLG Düsseldorf. Dieser bekam vom EuGH sogar ein Lob, als die Luxemburger Richter ausländische Versandapotheken im Oktober 2016 von der lästigen Preisbindung lossprachen. Jetzt hat der deutsche Gesetzgeber den Salat.

Angefangen hat alles mit einem unscheinbaren Zettelchen. Die Wettbewerbszentrale hatte 2011 ein Schreiben der DPV abgemahnt, in dem die Mitglieder der Patientenorganisation auf die DocMorris-Boni hingewiesen wurden. Die DPV hielt trotz der vorgetragenen Bedenken an ihrer Kooperation mit der Versandapotheke fest und gab keine Unterlassungserklärung ab. Es kann als sicher gelten, dass die von DocMorris für gewöhnlich engagierte Hamburger Kanzlei Diekmann auch in diesem Fall von der Versandapotheke bezahlt wurde und nicht von der DPV.

In Luxemburg durfte sich die Patientenlobbygruppe dann sogar von der Brüsseler Kanzlei Sidley Austin vertreten lassen – die ihre Sache offensichtlich gut gemacht hat. Der EuGH entschied im Sinne von DocMorris und die EU-Versender stellten noch am selben Tag ihre Boni-Konzepte scharf.

Das Verfahren war damit aber noch nicht abgeschlossen: Jetzt hätte das OLG Düsseldorf im Sinne der von Luxemburg beantworteten Fragen entscheiden können und terminierte auf den 25. April. Die Wettbewerbszentrale wollte sich noch nicht geschlagen geben, den Fall vor den BGH bringen und dann gegebenenfalls erneut nach Luxemburg. Das wäre nicht leicht geworden, weil das OLG einer Revision – und damit einer erneuten Überprüfung seines Urteils – hätte zustimmen müssen.

Die Düsseldorfer Richter kommen aber gar nicht in die Verlegenheit, sie dürfen in diesem Grundsatzstreit nur noch über die Kostenfrage entscheiden. Der Weg nach Karlsruhe ist nun gänzlich versperrt, weil die DPV mit sechs Jahren Verspätung die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Die Wettbewerbszentrale muss dies akzeptieren – immerhin war das die ursprüngliche Forderung aus Bad Homburg. Es hört sich wie ein Sieg an, in Verbindung mit dem EuGH-Urteil ist es aber eine juristische Niederlage.

Aus der Perspektive von DocMorris ist die abgegebene Unterlassungserklärung ein genialer Schachzug. Die Versandapotheke ist – zumindest vorläufig – am Ziel ihrer Boni-Träume. Für die Kooperation mit der DPV hat DocMorris keinen Bedarf mehr. Der Fortgang des Verfahrens hätte für die Zur Rose-Tochter nur ein Risiko bedeutet, ein kleines zwar, aber ein unnötiges.

Die große Frage ist, warum die DPV bei dem Spiel mitspielt. Denn öffentlichkeitswirksam hatte die Patientenorganisation DocMorris einen Korb gegeben und der ABDA ihre Liebe erklärt. Was an der Basis der Apotheker mit zähneknirschender Verwunderung zur Kenntnis genommen wurde, mag der Standesorganisation womöglich in der Politik als Symbol dienen.

Ein echter Sinneswandel auf Seiten der DPV dürfte aber gerade nicht in einem Abbruch des Boni-Prozesses münden – weil man damit dem neuen Partner in den Rücken fällt. Das hat die ABDA kalt erwischt. Auch die Mitteilung an die Mitgliedsorganisation fällt knapp aus und geht weder sprachlich noch inhaltlich über das hinaus, was die Wettbewerbszentrale zuvor in ihrer öffentlichen Stellungnahme kundgetan hatte.

Die DPV hat sich selbst noch nicht erklärt. Denkbar ist, dass sich DocMorris nur in dieser Konstellation an eine mutmaßlich früher versicherte Kostenübernahme gebunden fühlte. Die ABDA steht jedenfalls düpiert da. Die Wettbewerbszentrale muss auf ein anderes Boni-Verfahren setzen, um die Ausführungen aus Luxemburg vielleicht doch noch von deutschen Gerichten einordnen zu lassen. Wenn nicht die Politik zwischenzeitlich ohnehin neue Fakten schafft – die fraglos in neue Prozesse münden. Wie gesagt, Erfolg ist relativ – auch auf der Zeitachse.

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