Kommentar

Apotheker werden filetiert

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Berlin -

Die Zahlen sind ernüchternd: Jeder zweite Apotheker am Beginn seines Berufswegs glaubt nicht mehr an eine Zukunft in der Apotheke. Und die Bereitwilligkeit zur Selbstständigkeit sinkt. Das ist „alarmierend“, findet nicht nur die Apobank. Die Apotheke braucht einen Aufbruch, kommentiert Lothar Klein.

Die Umfrage der Apobank zeichnet den Wandel der Apothekenlandschaft voraus. Rund 40 Prozent des Nachwuchses sieht seine Zukunft in der öffentlichen Apotheke – das ist die Hälfte des Status quo. Nun weichen die Vorstellungen am Anfang des Berufslebens oft von der späteren Realität ab. Trotzdem: Dass nur 20 Prozent eine Selbstständigkeit in Betracht ziehen, ist erschreckend. Aktuell liegt der Anteil noch bei 26 Prozent – vor zehn Jahren waren es 36 Prozent.

Schon rein rechnerisch zeigt sich, welche Lücke dem Berufsstand droht. Wenn nur noch ein Bruchteil sich selbstständig machen will, wo sollen die Kollegen eine Anstellung finden? Irgendwann könnten Apothekenketten unter neuem Licht gesehen werden: Wenn die Pharmazeuten die Mühen der Selbstständigkeit scheuen, kommt der Zeitpunkt, an dem um die Aufhebung des Fremdbesitzverbots kein Weg herum führt. Wie soll sonst die flächendeckende Arzneimittelversorgung organisiert werden? Nicht nur die „kleinen Buden“ von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt werden auf der Strecke bleiben.

Weite Teile der Politik schauen zu, wie das Ideal des Apothekers in seiner Apotheke stirbt. Die Resignation gibt es überall in der Gesellschaft, selbst Apotheker bestellen bei Amazon, obwohl sie es besser wissen müssten.

Erschreckend und zugleich aufrüttelnd ist die Diskrepanz zum Konzept „Apotheke 2030“. Im offiziellen Leitbild der ABDA wird der Apotheker in erster Linie als Inhaber einer Apotheker gesehen. Als nach wie vor selbstständiger Heilberufler soll er nicht nur Arzneimittel abgeben, sondern vor allem beraten und sein Wissen den Patienten als erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Probleme und auch in der Prävention anbieten. Das sind schöne Worte. Mit der Umsetzung ist die ABDA aber keinen Schritt voran gekommen.

Möglicherweise klaffen Realität und Leitbild doch weiter auseinander, als bisher angenommen. Die Apotheker haben ihre Rolle im digitalen Wandel des Gesundheitswesens weder definiert noch gefunden. Von vielen Seiten werden die „Filetstücke“ des Berufsstandes attackiert. Da gibt es nicht nur DocMorris & Co.; Versandapotheken und Herstellbetriebe versuchen, die profitträchtigen Teile des Geschäfts an sich zu ziehen. In einer Marktwirtschaft ist das im Rahmen der Regeln erlaubt. In Hüffenhardt steht sogar die Apothekenpflicht auf dem Spiel. Die Antwort der Apotheker ist rein juristischer Natur.

Und dann kommt demnächst das elektronische Rezept auf die Apotheken zu. Wenn die Verordnung per Mausklick übertragen werden kann, hat das weitreichende Auswirkungen. Dann können die Daten gleich an den Großhandel gehen und das Rezept von dort mundgerecht als Tüte verpackt in die Apotheke kommen. Das wird die Rolle der Apotheker in eine ganz andere Richtung als geplant verändern – ob sie wollen oder nicht.

In der Vergangenheit war die Standespolitik der ABDA vor allem von Abwehrgefechten geprägt – und das erfolgreich. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot wurde verteidigt, die Apothekenpflicht auch. Der EuGH hat mit dem Urteil zu Rx-Boni erstmals einen Durchbruch in die Wagenburg erzwungen. Das ist ein Alarmsignal.

Mit Verteidigungspositionen allein wird die ABDA die Zukunft der inhabergeführten Apotheken nicht mehr retten können. Wo sind die digitalen Konzepte zur Kundenbindung, zur Kundeninformation? Wo bleibt die Antwort auf die sich wandelnde Gesellschaft?

Wer auf Apothekertagen sich selbst ein App-Verbot auferlegt, darf sich nicht wundern, wenn ihn die rasante Entwicklung rechts und links überholt. Der Apothekerberuf alter Prägung droht so filetiert zu werden – bis am Ende kaum etwas zum Überleben bleibt.

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