GOÄ-Novelle

Ärzte streiten um Privatpatienten

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Berlin -

Bei den Ärzten hängt wieder einmal der Haussegen schief: Dieses Mal geht es um die Novelle der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) – darum, wie teuer Ärzte Privatpatienen künftig abrechnen dürfen. Seit Jahren verhandeln die Bundesärztekammer (BÄK) und der Verband der Privaten Krankenkassen (PKV) darüber. Eigentlich schien der Konsens vor wenigen Wochen schon unter Dach und Fach. Doch dann hagelte es Kritik von allen Seiten. Jetzt muss neu verhandelt werden.

Die Gebührenordnung für Ärzte ist seit dem Jahr 1982 nur in Teilbereichen, zuletzt im Jahr 1996 aktualisiert worden. BÄK und PKV-Verband verhandeln schon seit dem Jahr 2010 über einen gemeinsamen Vorschlag für eine grundlegende GOÄ-Reform.

„Bei der Novelle der Gebührenordnung für Ärzte müssen wir den Blick nach vorn richten und gemeinsam mit unseren Verhandlungspartnern, mit den ärztlichen Verbänden und mit dem Bundesgesundheitsministerium eine tragfähige Reform auf den Weg bringen“, teilte jetzt Dr. Klaus Reinhardt mit, neuer Vorsitzender des Gebührenordnungsausschusses der BÄK. Hinter dieser diplomatischen Umschreibung verbirgt sich eine Blamage.

Die bisherige Verhandlungsführung wurde ausgewechselt. Neuer Chef-Verhandler ist jetzt BÄK-Präsident Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery höchstpersönlich. Montgomery, Reinhardt und der GOÄ-Verhandlungsbeauftragte der BÄK, Dr. Bernhard Rochell, sollen die geplatzten Gespräche mit dem PKV-Verband wieder flott machen – dieses Mal unter intensiver Einbeziehung der ärztlichen Verbände. Montgomery ist um Schadensbegrenzung bemüht: „Wir dürfen die Reform der GOÄ nicht zerreden, sondern müssen konstruktiv an guten Lösungen arbeiten.“

Noch vor dem Deutschen Ärztetag Ende Mai in Hamburg soll ein neuer Anlauf für die GOÄ-Novelle unter Beteiligung der Fachgesellschaften und Berufsverbände der Ärzteschaft starten. Bereits am 11. Mai will die BÄK die Novelle in einem Spitzengespräch mit den ärztlichen Berufsverbänden diskutieren.

Schon auf dem Deutschen Ärztetag vor einem Jahr hatte Montgomery allerdings den Erfolg verkündet, vorschnell wie sich jetzt herausstellt. In einem mühsamen Prozess habe man sich mit dem PKV-Verband auf eine neue GOÄ verständigt, so der BÄK-Chef damals stolz: 400 Gesamtleistungen und 160 Zuschlagsleistungen, etwa 80 Prozent des Volumens der GOÄ seien mit der PKV unter Dach und Fach.

Doch als jetzt die einzelnen Honorar-Positionen bekannt wurden, hagelte es Kritik. Angeblich lagen selbst Montgomery bis vor Kurzem lediglich die Textvorschläge zur Bundesärzteordnung (BÄO) und zum Paragraphenteil der GOÄ vor. „Jetzt wurde erstmals ein Leistungsverzeichnis mit Bewertungen vorgelegt, das auf vom PKV-Verband beauftragte Berechnungen durch ein Beratungsunternehmen basierte. Und dieses ist schlicht nicht akzeptabel“, ruderte der BÄK-Chef plötzlich zurück.

Man könne weder die Systematik noch die Bewertungen nachvollziehen. Deswegen müsse man das Leistungsverzeichnis ablehnen. Mit seiner Kehrtwende reagierte Montgomery auf wachsende Kritik im Ärztelager. Immer mehr Ärzteverbände hatten sich mit teilweise deftigen Erklärungen gegen den BÄK-Chef in Stellung gebracht. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände legte ein äußerst kritisches Zwölf-Punkte-Papier mit Forderungen vor. Die „mehr als eindrucksvoll vergeigte GOÄ-Strategie der Bundesärztekammer“, ätzte der Hambacher Bund.

Vor allem aber richtete sich ein Papier des einflussreichen Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa) direkt gegen den Präsidenten der BÄK. Unter dem provokanten Titel „Die Novellierung der GOÄ: Dichtung und Wahrheit“ führte dessen Hauptgeschäftsführer Lars Lindemann BÄK-Chef Montgomery öffentlich vor: Montgomery habe zuletzt behauptet, der jetzt vom BÄK-Vorstand abgelehnte Entwurf der neuen GOÄ sei ein Vorschlag der PKV. Aber noch zwei Tage vor der Ablehnung des Entwurfs habe Montgomery öffentlich erklärt, dass es sich um einen „konsentierten Vorschlag von BÄK und PKV“ handele.

Zudem habe er diese GOÄ als „bestes tarifpolitisches Ergebnis seiner Karriere“ bezeichnet. Auch dass die Berufsverbände beteiligt gewesen seien, wie vom BÄK-Präsidenten behauptet, stimme so nicht. Tatsächlich seien sie zuletzt im Jahr 2011 beteiligt worden. Und anders als behauptet gebe es Steigerungssätze für ärztliche Leistungen nur in „wenigen, klar umrissenen Fällen“.

„Insgesamt handelt es sich bei dem derzeitigen GOÄ-Entwurf um eine Festbetragsgebührenordnung mit abschließendem Leistungskatalog, die keine betriebswirtschaftlich kalkulierte Grundlage hat“, so Lindemann. Mehr noch: Auf dem Ärztetag in Hamburg müsse offen diskutiert werden, ob der Präsident dieser Chefsache gerecht geworden sei. Es geht also drunter und drüber bei den Ärzten und es geht um Montgomerys Kopf.

Denn auch der Deutsche Hausärzteverband ist auf Konfrontationskurs: Hausärztliche Leistungen müssten in der GOÄ angemessen dargestellt werden, fordert der streitbare Verband. Vor dem anstehenden Deutschen Ärztetag „muss die Spitze der Bundesärztekammer erklären, wie es zu der aktuellen Situation kommen konnte und wie man jetzt weiter verfährt“, fordert Ulrich Weigeldt.

Auf dem kommenden Deutschen Ärztetag in Hamburg dürfte es daher ungemütlich werden für den sonst so souverän auftretenden BÄK-Präsidenden. Frank Ulrich Montgomery steht im Kreuzfeuer der Kritik.

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