Gesundheitspolitik

Gröhes Gesetzesmaschine stockt

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Berlin -

Die bislang gut geölte Gesetzesmaschinerie von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist ins Stocken geraten: Das mit Spannung erwartete Pharmadialog-Gesetz kommt nicht voran. Es gibt immer noch keinen Termin für das Kabinett. Damit steht das 100 Millionen Euro Honorarplus für die Apotheker auf der Warteliste. Weitere Verzögerungen gibt es voraussichtlich auch bei der Verabschiedung der 4. AMG-Novelle. Der Gesundheitsausschuss wird morgen vermutlich eine weitere Expertenanhörung zum den darin enthaltenen umstrittenen klinischen Studien an Demenzkranken beschließen. Im Bundestag wird es daher vorläufig keine Abstimmung geben.

Nach bisherigen Planungen könnte die als „Expertengespräch“ getarnte zweite Anhörung zu klinischen Studien an Demenzkranken Ende Oktober oder Anfang November stattfinden. Die Entscheidung über die umstrittene Gesetzesinitiative wurde schon mehrmals vertagt. Ursprünglich sollte der Bundestag die geplanten Änderungen noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschieden. Der Entwurf sieht vor, klinische Studien an nichteinwilligungsfähigen Personen, von denen diese nicht selbst profitieren, zu erlauben.

Gegen dieses Vorhaben hatte sich massive Kritik unter anderem von Kirchenvertretern, Patientenschützern und Opposition gerichtet. Selbst in der eigenen Partei stieß Gröhe mit seinen Plänen auf Widerstand. Zu den Kritikern gehört auch Bundestags-Vizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD) in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe. In einem Interview mit der Berliner Zeitung hatte sie Gröhes Vorhaben als „brandgefährlich“ bezeichnet.

Menschen mit geistiger Beeinträchtigung dürften keine „Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie“ werden, mahnte die frühere Gesundheitsministerin. Daher unterzeichnete sie einen fraktionsübergreifenden Änderungsantrag, demzufolge die Forschung an Nichteinwilligungsfähigen weiterhin nur zulässig sein soll, wenn die Betroffenen einen Nutzen davon haben. Zudem liegen zum diesem Thema Änderungsanträge von SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und ein weiter Antrag von SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis vor.

Bei der Abstimmung im Bundestag soll der Fraktionszwang aufgehoben werden. Die Abgeordneten sollen allein ihrem Gewissen folgen. Sie müssten „hier eine Entscheidung treffen, die auf zutiefst ethischen Fragen fußt“, so Schmidt, weshalb eine intensive Diskussion und ausführliche Informationen vor dem abschließenden Votum „unumgänglich“ sei.

Nicht voran kommt Gröhe auch mit dem Pharmadialog-Gesetz. Am 25. Juli hatte Gröhe einen Referentenentwurf mit dem Titel „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV“ (AM-VSG) vorgelegt. Seitdem hagelte es Kritik aus der Pharmaindustrie. Diese empört sich über die Verlängerung des Preismoratoriums um weitere sechs Jahre bis 2022. Ab 2018 soll ein Inflationsausgleich eingeführt werden. Das BMG schätzt die Ersparnisse für die Kassen daraus auf 1,5 bis zu zwei Milliarden Euro. Dies sei ein „Signal an die Pharmaindustrie, dass die Preise nicht durch die Decke“ gehen dürften, hieß es aus Regierungskreisen. Die Vorstände der Pharmakonzerne fühlen sich von Gröhe überrumpelt und protestierten schriftlich bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Als Grund für den ausbleibenden Kabinettsentwurf werden Abstimmungsprobleme mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) kolportiert. Das Ressort von Gabriel nimmt eine deutlich pharmafreundlichere Position ein als das Ministerium von Gröhe. Das gilt im übrigen auch für das Kanzleramt.

Gegen die Verlängerung des Preismoratorium über die nächste Legislaturperiode hinaus hatte die Pharmaindustrie verfassungsrechtliche Argumente ins Feld geführt. Offenbar stoßen solche Bedenken auch im BMWi auf offene Ohren.

Umstritten in der Bundesregierung bleibt auch die im Pharmadialog den Herstellern zugesagte Vertraulichkeit der Erstattungspreise. Das BMG schlägt vor, die Erstattungspreise Ärzten, Apothekern und anderen notwendigen Stellen bekannt zu machen. Die sei beispielsweise wichtig für die Auswahl der wirtschaftlichsten Therapie durch den Arzt. Im BMG ist man der Auffassung, dass auf solche Art bekannt gemachte Preise nicht als Referenzpreise in anderen Ländern herangezogen werden können, da es sich nicht um eine offizielle Preisliste handelt.

Im Referentenentwurf findet sich allerdings wie in den Eckpunkte nur die Absichtserklärung zur Vertraulichkeit. Die Details sollen im Zuge der weiteren Gesetzesberatung in einer Verordnung geregelt werden. „Dazu gab es unterschiedliche Meinungen in der Bundesregierung. Jetzt können wir in Ruhe weiter diskutieren“, hieß es aus Regierungskreisen zu dieser Ausklammerung.

Auch hier gibt es Meinungsverschiedenheiten mit dem BMWi. Gabriels Beamte plädieren für einen weitergehende Vertraulichkeitsregelung. In der SPD gibt es allerdings mit Lauterbach und Mattheis gewichtige Stimmen, die jede Änderung der heutigen Regelung ablehnen.

Angesichts dieser Ausgangslage wird bereits spekuliert, dass Gröhe auf die Vorlage eines Kabinettsentwurfes zum Pharmadialog komplett verzichten könnte. Das wäre allerdings das Eingeständnis des Scheiterns nach zweijährigen von drei Ministerien geführten Gesprächen mit Vertretern der Pharmaindustrie und der Wissenschaft über den Standort Deutschland für die Arzneimittelindustrie. Außerdem gab es zum Abschluss eine großangelegte Feier zur Verkündung der Ergebnisse.

Daher geht man im Regierungslager davon aus, dass Gröhe auf jeden Fall einen Entwurf für das Kabinett vorlegen wird. Alles andere wäre eine faustdicke Blamage. Das weitere Schicksal entscheidet sich dann im Parlament.

Sehr wahrscheinlich ist allerdings bereits jetzt, dass das AM-VSG nicht mehrt zum 1. Januar 2017 in Kraft treten wird. Damit müssen auch die Apotheker auf darin enthaltene Erhöhung des Honorars für Rezepturen und BtM-Rezepte um 100 Millionen Euro warten.

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