EuGH-Urteil

Rx-Versandverbot: Die Woche der Entscheidung

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Berlin -

Die Suche nach einem Kompromiss im Koalitionsstreit über das Rx-Versandverbot spitzt sich zu: Alle Beteiligten erwarten in dieser Woche eine Weichenstellung. Der Druck wächst. In der Unionsfraktion, in der SPD und auch im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Ausgangslage ist verfahren. Scheitert der Versuch, könnte der Arzneimittelversand im Wahlkampf landen. Die Union will die SPD für das Apothekensterben verantwortlich machen.

Den Auftakt der Konsenssuche bildet das routinemäßige Koordinierungsgespräch der Gesundheitspolitiker der Koalition am Dienstagmorgen im BMG. Dem Vernehmen nach wird SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach teilnehmen. Von Lauterbach erwartet man nähere Details zu seinem Vorschlag, im Gegenzug für die Zustimmung der SPD zum Rx-Versandverbot Chroniker von Zuzahlungen für Arzneimittel zu befreien. Der Vorschlag hat politischen Charme, die Probleme liegen aber im Detail.

Circa 800 Millionen Euro kostet die Freistellung der Chroniker von den Zuzahlungen für Arzneimitteln die Krankenkassen. Das BMG möchte erfahren, wie der Betrag gegenfinanziert werden soll. Mehr noch: Werden die Chroniker von den Zuzahlungen für Arzneimittel befreit, stiegen ohne weitere Änderung deren Zuzahlungen für Krankenhausbehandlungen.

Damit wäre für die Chroniker unterm Strich nichts gewonnen. Also müsste es auch eine neue Begrenzung der Zuzahlung für die Krankenhauskosten von Chronikern geben. Das alles ist rechtlich schwierig auch und vor allem unter dem Aspekt der Gleichbehandlung von Patienten.

Im BMG hofft man, dass sich die SPD auf einen politischen Deal einlässt: Die Zustimmung der SPD zum Rx-Versandverbot gegen die Zusicherung, die Freistellung der Chroniker durch die Arbeitsebene des BMG prüfen und umsetzten zu lassen. Auf dieser Basis könnte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) seinen Gesetzentwurf zum Rx-Versandverbot dann wie beabsichtigt bis Ende Januar nach Brüssel zur Notifizierung schicken. Die Chroniker-Regelung wäre nationale Gesetzgebung und müsste nicht notifiziert werden.

Die Kuh rasch vom Eis bringen will auch die CDU/CSU-Fraktion. Dort wird der bislang unter der Decke gehaltenen Widerstand gegen ein Rx-Versandverbot lauter. „Die Wirtschaftspolitiker haben das Thema entdeckt“, heißt es bei den CDU-Gesundheitspolitikern. Aber nicht nur der CDU-Wirtschaftsflügel rümpft die Nase. Die Rechtspolitiker warnen vor einem erneuten Konflikt mit der EU. Sie erinnern daran, dass das EU-Vertragsverletzungsverfahren zu Rx-Boni noch im Wahlkampf wieder aufleben könnte.

Auch politische Sorgen treiben die Union um: Wie kann man Bundeskanzlerin Angela Merkel in der EU glaubwürdig gegen den in den USA heraufziehenden Protektionismus von Donald Trump ins Rennen schicken, wenn man in Deutschland die Grenzen für ausländische Versandapotheken schließt?

Ungeachtet allen Unbehagens mit einem Rx-Versandverbot ist man auch in der SPD an raschen Lösungen interessiert. Das Thema soll aus dem NRW-Landtagswahlkampf herausgehalten werden. Dort kämpft SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft um die Vorherrschaft im SPD-Stammland. Umfragen sehen die SPD Kopf an Kopf mit der CDU. Die SPD liegt mit 32 Prozent demnach sieben Punkte unter ihrem letzten Wahlergebnis. Die CDU hat mit ihrem Spitzenkandidaten Armin Laschet bereits fünf Punkte aufgeholt und liegt ebenfalls bei 32 Prozent. Wer am 14. Mai die Nase vorne hat, stellt vermutlich den Regierungschef.

In dieser Woche werde eine wichtige Weichenstellung zum Arzneimittelversand fallen, erwartet man daher auch in der SPD. Und für Donnerstagnachmittag hat der für Gesundheit zuständige stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvize, Georg Nüßlein (CSU), zu einem Rx-Versand-Gipfel geladen. Neben SPD-Vize Lauterbach, den gesundheitspolitischen Sprechern der Koalition – Maria Michalk (CDU) und Hilde Mattheis (SPD) – und den Arzneimittelexperten, Michael Hennrich (CDU), Sabine Dittmar (SPD), sind ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und Christian Buse vom Bundesverband Deutscher Versandapotheke (BVDVA) geladen. Entscheidungen sind von Treffen nicht zu erwarten. Allerdings dürfte das der letzte Versuch sein, auszuloten, ob und wie die weit auseinanderklaffenden Positionen politisch unter einen Hut zu bringen sind.

Wie ein Kompromiss aussehen könnte, steht zwar noch in den Sternen. Aber: „Es darf keinen Sieger geben und alle müssen etwas für ihre Leute etwas mitnehmen“, heißt es bei den Parteistrategen. Dazu müsste sich dann wohl auch die ABDA bewegen.

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