EuGH-Urteil

Ohne Lauterbach: Bundestag debattiert Rx-Versandverbot

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Berlin -

Morgen muss sich der Bundestag erstmals mit dem Rx-Versandverbot befassen – nicht mit dem Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), aber mit dem Antrag der Fraktion Die Linke für eine „gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung“. Nach dem überraschenden Kursschwenk von SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach gewinnt der Termin zu nachtschlafender Zeit jetzt an Interesse. Wie verhält sich die SPD zu Rx-Versandhandel nach der politischen Steilkurve vom Wochenende?

Um 20.40 Uhr steht der Antrag der Linken für ein Rx-Versandverbot auf der Tagesordnung des Bundestages. Aller Erfahrung nach verschieben sich die späten Tagesordnungspunkte an so einem langen Parlamentstag nach hinten. Es könnte also noch später werden, bis der Tagungspräsident TOP 16 aufruft. Nicht auszuschließen ist daher, dass die vorbereiteten Reden gar nicht gehalten, sondern zu Protokoll gegeben werden. Bei der Fraktion Die Linke geht man davon aus – dabei hätte man insbesondere Lauterbach gerne gehört und allgemein über den Sinn von Zuzahlungen gesprochen.

Für die Linksfraktion wird deren gesundheitspolitische Sprecherin Kathrin Vogler den Antrag begründen. Darin fordert die Linke die Bundesregierung auf, „einen Gesetzentwurf vorzulegen, der durch Änderung von § 43 Arzneimittelgesetz den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln verbietet“. Beantragen will Die Linke zudem eine Anhörung im Gesundheitsausschuss.

Ob zu später Stunde SPD-Fraktions-Vize Karl Lauterbach im Plenarsaal weilen wird, bleibt abzuwarten. Das Wort ergreifen will er offenbar nicht. Als Redner hat die SPD ihre Arzneimittelexpertin Sabine Dittmar und den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses Edgar Franke gemeldet.

Und das könnte interessant werden: Kurz nach dem EuGH-Urteil am 19. Oktober sagte Dittmar gegenüber APOTHEKE ADHOC: „Wir können den Versandhandel den Verbrauchern nicht mehr wegnehmen.“ Außerdem sah sie rechtliche Probleme. Stattdessen schlug die SPD-Bundestagsabgeordnete – wie ihr Fraktionskollege Lauterbach – eine „differenzierte Honorarordnung“ für Apotheken vor. Vor der Debatte will sich die Arbeitsgruppe Gesundheit der Fraktion eine Meinung zum aktuellen Stand der Diskussion zum Rx-Versandverbot bilden.

Franke hatte sich vorsichtiger zum Rx-Versandverbot geäußert. Man werde Gröhes Gesetzentwurf prüfen: „Die SPD hat sich noch nicht festgelegt“, sagte Franke. Es gehe in den Beratungen darum, den besten Weg für den Erhalt der flächendeckenden Versorgung mit Apotheken zu finden. „Dabei geht es in erster Linie um handwerkliche Dinge.“ Man müsse einen rechtssicheren Weg einschlagen. Franke: „Es macht keinen Sinn, wenn das Gesetz in einem halben Jahr wieder vor Gerichten landet.“ Dann schlug Franke vor, ausländischen Versandapotheken Rx-Boni über das Sozialgesetzbuch zu verbieten oder sie zumindest zu deckeln. „Es gibt unterschiedliche Wege“, so Franke.

Womöglich fließen in die Debatte auch noch aktuelle Erkenntnisse vom Nachmittag ein: In einer einstündigen Sondersitzung ist im Gesundheitsausschuss EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis zu Gast. Der Litauer kommt zwar nicht wegen des EuGH-Urteils, bringt aber trotzdem die Position der EU zum geplanten Rx-Versandverbot mit. Vermutlich kann er auch einige Bewertungen zum notwendigen Notifizierungsverfahren einbringen.

Die Union hat in der morgigen Debatte leichtes Spiel. Michael Hennrich wird als Redner Gröhes Gesetzentwurf unterstützen. Gespannt sein darf man, ob er sich zu ein paar Sticheleien in Richtung des Koalitionspartners hinreißen lässt. Bei der Debatte zum Pharmadialog-Gesetz präsidierte ausgerechnet Ulla Schmidt (SPD), als Hennrich ans Mikrofon trat. Er lieferte sich ein kleines Scharmützel mit ihr.

Die Bundestagsregie hat – vorbehaltlich möglicher Änderungen – für morgen ein erneutes Aufeinandertreffen verhindert. Zwischen 19 und 20 Uhr präsidiert erneut die ehemalige Gesundheitsministerin, von 20 bis 21 Bundestagspräsident Nobert Lammert und anschließend übernimmt Petra Pau (Die Linke).

Auf eine halbe Stunde angesetzt ist die Debatte über den Antrag der Linken. „Arzneimittel bergen Chancen und Risiken. Zu Recht werden an die Zulassung und die Erstattungsfähigkeit hohe Anforderungen gestellt“, begründen die Linken ihren Vorstoß. Doch die besten Studienergebnisse nützten nichts, wenn die Arzneimittel in der Praxis falsch eingesetzt würden.

Durch fehlende Therapietreue würden nicht nur gesundheitliche Nachteile und Folgebehandlungen hervorgerufen. Durch Arbeitsausfall, ebenso wie durch Arbeit trotz Krankheit und Verrentung träten hohe indirekte Kosten für die Allgemeinheit auf. „Die Kosten wurden für Deutschland auf insgesamt 10 bis 20 Milliarden Euro jährlich geschätzt“, so der Antrag.

Versandapotheken könnten diese Aufgaben von hohem Gemeinwohlbelang nicht oder nur unzureichend erfüllen. „Umso unverständlicher ist es, dass der Arzneimittelversand gerade für den ländlichen Raum zur Versorgungssicherung hervorgehoben wird. Denn dort ist die Apothekendichte gering und es wird versucht, mit häufigen Bereitschaftsdiensten, vielen Botengängen, dem Betreiben von Rezeptsammelstellen etc. die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“

Wer den Versandhandel zur Versorgungssicherung anführe, schwäche die Strukturen vor Ort und habe „den Anspruch an eine wohnortnahe und schnelle Versorgung rund um die Uhr offenbar aufgegeben“, so die Linke. Vor diesem Hintergrund sei die Argumentation des EuGH ein „gesundheitspolitischer Offenbarungseid“.

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