BSG-Urteil

Entmündigte Versicherte, ruinierte Apotheker

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Berlin -

Als „juristisch schon im Ansatz nicht nachvollziehbar“ bezeichnet der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zur Zyto-Ausschreibung der AOK Hessen. Die Rechtslage sei insoweit klar, als der Patient auch bei der Versorgung mit Zytostatika ein gesetzlich verbrieftes Apothekenwahlrecht habe. Der Verband will nun für eine politische Lösung kämpfen.

Laut VZA hat das Sozialgericht Darmstadt (SG) mit seiner erstinstanzlichen Entscheidung noch zu Recht betont, dass dem Patienten das entscheidende Wort über seine Arzneimittelversorgung zustehe. Dieses Patientenwahlrecht habe der Gesetzgeber bei Schaffung der Rechtsgrundlage der Ausschreibung der AOK Hessen noch einmal ausdrücklich bestätigt, so der VZA weiter. Eine Einschränkung wie bei Hilfsmittelausschreibungen gebe es gerade nicht.

„Apotheken haben im Vertrauen auf Recht und Gesetz und entsprechend der Auffassung von Kammer und Behörde gehandelt und sehen sich nun ruiniert“, sagte Verbandschef Dr. Klaus Peterseim. Das BSG-Urteil sei daher vernichtend für alle betroffenen Apotheker, die nun für ihre Patientenversorgung keine Vergütung der Krankenkasse erhalten sollen.

Doch auch für die schwerstkranken Patienten bedeute der Spruch aus Kassel einen schweren Schlag: „Sie werden entmündigt und sollen künftig bei der Frage, wer sie in ihrer lebensbedrohlichen Lage versorgt, nichts mehr zu sagen haben. Das hätte verheerende Folgen und wäre ein ökonomisches Diktat der Krankenkassen auf Kosten ihrer Versicherten.“

„Ein rabenschwarzer Tag für Krebspatienten und ihre wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln“, fasst Peterseim zusammen. „Es drohen schlimme Langzeitfolgen, wenn die Politik nicht korrigierend eingreift und Ausschreibungen verbietet.“ Der VZA will daher dafür kämpfen, dass die wohnortnahe und flexible Patientenversorgung bei Zytostatika erhalten bleibt und auch die dringend gebotene Kooperation zwischen Arzt und Apotheker im Sinne der Patienten gewährleistet werden kann.

Laut BSG ist die Belieferung den Vertragspartnern der Kasse vorbehalten. Die Ausschreibung erfordere eine prinzipielle Exklusivität, sonst könnten mangels ausreichender Verhandlungsmacht keine entsprechenden Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden. Ein rechtlich geschütztes Interesse der Versicherten, eine Apotheke zu wählen, bestehe bei der onkologischen Versorgung nicht.

Auch Ärzte müssten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots die Apotheke in Anspruch nehmen, die zu den wirtschaftlichsten Konditionen liefere, sofern nicht zwingende medizinische Gründe dagegen stünden. Darüber würden Ansprüche der Versicherten eingeschränkt. Der Apotheker habe dann auch keinen Vergütungsanspruch. Er sei zu Recht auf Null retaxiert worden.

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