Bonn

„Apotheken unter besonderem Beschuss“

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Berlin -

Gestern konnten die Bonner Innenstadt-Apotheker aufatmen: Sie haben sich das Recht erkämpft, auch nachmittags durch den Großhandel beliefert werden zu können. Die Entscheidung der Stadt kam einem spontanen Sinneswandel gleich, denn nach dem Runden Tisch am Dienstag war zunächst noch alles offen. Eigentlich wollte der Stadtrat erst am 4. September entscheiden, doch dann ging alles sehr schnell.

„Das Hauptargument war, dass wir einen Versorgungsauftrag haben, der im Gesetz verankert ist“, sagt Dr. Alexandra Raasch, Inhaberin der Münster-Apotheke. „Wenn man uns die Belieferung am Nachmittag versagt, werden wir in die Situation gebracht, gegen das Gesetz zu verstoßen.“ Das sei der Stadt zuvor nicht klar gewesen.

Für die Stadtverwaltung seien die Apotheken Geschäfte wie alle anderen gewesen. Zwischen Arzneimittel und Markenjeans hätten die Politiker keinen Unterschied gemacht. „Die Apotheken waren wegen der besonders häufigen Belieferung sogar unter besonderem Beschuss“, so Raasch.

Die Transportlogistiker führten an, dass die Ware temperaturempflindlich sei und sie nicht gewährleisten könnten, dass die Medikamente stets ordentlich temperiert seien, wenn die Fahrer durch die Fußgängerzone laufen müssten. Auch das Argument, dass eine Belieferung mit Betäubungsmitteln quer durch die Fußgängerzone Überfälle provoziere, überzeugte die Stadt.

Raasch hat das gemeinsame Gespräch als sehr angenehm empfunden: „Am Anfang merkte man noch, dass die Stadt große Probleme mit entsprechenden Ausnahmeregelungen hat.“ Schnell habe sich die Atmosphäre aber konstruktiv und freundlich entwickelt. Die Argumente seien gehört und verstanden worden, so Raasch.

Rund zwei Stunden dauerte das Gespräch von Stadtvertretern mit fünf Innenstadtapothekern, dem Vorsitzenden des Apothekerverbandes Bonn-Rhein/Sieg, Dr.Markus Reiz, den Vertretern des Einzelhandelsverbands und des Vereins City-Marketing, dem Logistikunternehmen Busch und Großhandelsvertretern. „Nach dem Gespräch hatte man das Gefühl, dass eine Kooperation besteht und unsere Argumente in die Ratssitzung am 4. September eingebracht werden“, sagt Raasch.

Bis dahin hätten die Apotheker warten müssen – „und zittern“, so Raasch. Denn eine klare Sache war die Entscheidung nicht. Zusagen wurden nicht erteilt. Besonders Bezirksbürgermeister Helmut Kollig (SPD) habe sich konsequent gegen die Argumente gesperrt. „Die Möglichkeit, dass wir tatsächlich nicht mehr beliefert werden, war extrem ernst zu nehmen“, sagt Raasch.

Von der Stadt sei wiederholt der „politische Wille“ einer autofreien Fußgängerzone angeführt worden. Auch hätte die Verwaltung versuchen können, die Apotheken mit längeren Ladezeiten zu vertrösten.

Am Donnerstag kam die überraschende Mitteilung: „Ihrem Ansinnen, Ihren Lieferanten entsprechende Ausnahmegenehmigung für die Fußgängerzone zu erteilen, möchten wir daher zukünftig gerne nachkommen“, heißt es in dem Schreiben an die Apotheker. Die Fraktionen hätten sich besprochen und zugestimmt.

Lieferant Hans-Eduard Busch war lediglich erstaunt, dass die Entscheidung so schnell fiel. Für ihn war es die einzig mögliche Entscheidung: „Weil wir mit der Klage auf jeden Recht bekommen hätten“, sagt er. Die Klage werde er nach diesem „Sinneswandel von heute auf morgen“ nun zurückziehen. „Ich hoffe, dass es keine weiteren Probleme gibt, aber das glaube ich auch nicht.“ Ganz vom Tisch scheint die Sache noch nicht zu sein: Laut dem Bezirksamt findet am kommenden Montag ein weiteres Gespräch im Stadtrat statt.

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