Selbstdispensation

BaWü-Ärzte: Weg zur Apotheke sparen

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Berlin -

In Baden-Württemberg wird der kassenärztliche Notdienst neu organisiert: Anders als bislang soll es künftig rund 100 zentrale Notfallpraxen geben, die vor allem an Kliniken angesiedelt sind und die durch 70 wechselnde Bereitschaftsärzte ergänzt werden. Bislang gab es 380 Praxen, die jede Nacht Notdienst hatten – Patienten müssen daher weitere Wege auf sich nehmen. Um ihnen wenigstens die Fahrt zur Notdienstapotheke zu ersparen, wollen die Mediziner selbst dispensieren.

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Dr. Norbert Metke, will Patienten an Wochenenden und an Feiertagen ausreichend Medikamente bis zum nächsten Werktag mitgeben dürfen. Dies solle in einem begrenzten Rahmen geschehen: So müsse geklärt werden, welche Medikamente abgegeben werden dürfen. Metke will jetzt sowohl mit den Apothekern als auch mit der Politik über seine Vorstellungen sprechen.

Bei den Apothekern stößt die Forderung auf Ablehnung. „Apotheker sind durch ihr Pharmaziestudium die Arzneimittelexperten. Ärzte sind für die Diagnose zuständig. Diese Aufteilung ist sinnvoll“, so Kammerpräsident Dr. Günther Hanke. Auch praktisch sei der Vorschlag nicht oder nur mit größtem Aufwand umsetzbar.

Laut Hanke kommt im Notdienst jeder zweite Patient direkt in die Apotheke: „Diese Patienten gehen gar nicht erst zum Arzt, sie gehen in die nächstgelegene Apotheke. Das zeigt doch, dass wir durchgehend gut erreichbar sind.“ Damit sei eine angemessene Versorgung gewährleistet; das habe auch das Sozialministerum im Land im Rahmen einer Kleinen Anfrage bestätigt.

Weite Wege zur Notdienstapotheke seien die absolute Ausnahme, ergänzt ein Sprecher der Kammer. „Und wenn es in der Vergangenheit zu weiten Wegen kam, dann lag es an den Ärzten, nicht an uns.“ Nach wie vor leisteten 150 bis 170 Apotheken jede Nacht Notdienst in Baden-Württemberg. „Wir haben eine flächendeckende Versorgung auch nachts und an Wochenenden.“

Die Apotheker sollen nun eine Liste mit allen zentralen Notfallpraxen erhalten. Dann müsse geschaut werden, ob sich die Notdienste gegebenenfalls in der Nähe von Praxen einteilen ließen. „Gerne überprüfen wir nochmals, wo es lange Fahrstrecken geben könnte. Sicher wäre eine bessere Absprache mit den Notfallpraxen vor Ort sinnvoll, damit die Apotheker wissen, welche Medikamente üblicherweise gebraucht werden, damit diese dann auch vorrätig sind“, so Hanke.

Im GKV-Versorgungsstärkunggesetz (GKV-VSG) ist eine bessere Verzahnung von Arzt- und Apothekennotdienst vorgesehen. Der Punkt ist im Entwurf allerdings allgemein gehalten: So ist lediglich ein „Informationsaustausch zwischen den KVen und den für die Einteilung der Apotheken zur Dienstbereitschaft im Notdienst zuständigen Behörden (Landesapothekerkammern)“ vorgesehen. „Hierdurch soll die Versorgung der Patientinnen und Patienten im Notdienst weiter verbessert werden“, heißt es.

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die ambulante Notfallversorgung besser koordiniert werden soll. Im Kern geht es darum, die Kliniken einzubinden, die außerhalb der allgemeinen Praxissprechzeiten schon heute für viele Patienten erste Anlaufstelle seien.

Im Vorfeld war auch über das Thema Selbstdispensation gesprochen worden. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) ist von der Regelung im Koalitionsvertrag nicht überzeugt und fordert, dass es keine Denkverbote geben darf, gerade auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels: „Es gibt Regionen, da wird es schwierig sein, den Landarzt zu halten, dann muss wenigstens der Apotheker da sein“. Dort, wo kein Apotheker mehr sei, müsse andersherum wenigstens ein Arzt sein, so Steffens bei den Münsteraner Gesundheitsgesprächen der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. „Wir brauchen überall mindestens einen von beiden.“

Der Apothekennotdienst wird derzeit im Auftrag der Länder beziehungsweise der Landesbehörden von den Kammern organisiert. Für den ärztlichen Bereitschaftsdienst sind laut Sozialgesetzbuch die KVen zuständig. Eine Synchronisierung der Notdienste ist eine echte Herausforderung. Derzeit werden die Bereitschaftsdienste meist vor Ort organisiert, wobei die Bezirke von Ärzten und Apothekern deckungsgleich sind.

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