Apotheker-Brief an SPD

Die Verwechselung von Schulz und Schulze

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Berlin -

Noch ist nicht absehbar, ob noch einmal Bewegung in den festgefahrenen Koalitionsstreit über das Rx-Versandverbot von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kommt. Trotzdem will Apotheker Maik Ullrich noch nicht aufstecken. „Das Rx-Versandverbot kommt bestimmt noch einmal auf den Tisch, spätestens in den nächsten Koalitionsverhandlungen“, so Ullrich. Daher hat er einen fünfseitigen Brief geschrieben – an Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und an SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Darin erzählt der Apotheker beiden Politikern von einer beinahe folgenschweren Patientenverwechslung.

Zwei ältere Patienten versorgt die Linden-Apotheke in Sohland an der Spree im südlichen Sachsen seit Jahren: Herrn Schulz und Herrn Schulze. Herr Schulze lebt in einer Einrichtung für betreutes Wohnen, Herr Schulz in seiner eigenen Wohnung. Kürzlich kam Herr Schulz mit drei Rezepten über sieben Arzneimittel in die Linden-Apotheke und wurde von Apothekerin Elke Ullrich bedient. Die Apothekerin holte nach den Vorgaben der Rezepte alle Medikamente und ging damit zum HV-Tisch. „An seinem Gesichtsausdruck bemerkte ich, dass etwas nicht stimmen konnte“, schrieb jetzt Ullrich, der die Situation beobachtet hat, an die beiden SPD-Politiker.

Auch die Adresse des langjährigen Kunden sei ihr „spanisch“ vorgekommen. Also fragte die Apothekerin nach, ob Herr Schulz umgezogen sein. Als er das verneinte, prüfte sie die Kundenkarte und sah sogleich, dass der Arzt „komplett falsche Medikamente“ verordnet hatte. Ein Telefonat mit dem Arzt klärte die Verwechslung von Schulz und Schulze auf. Das Rezept wurde rasch ausgetauscht und Herr Schulz konnte mit den für ihn bestimmten Arzneimitteln nach Hause gehen.

„Das funktioniert aber nur in der Apotheke vor Ort, wo langjährige Kundenbeziehung besteht“, so Ullrich in seinem Brief, „denn eine Versandapotheke hinterfragt solche Dinge nicht.“ Diese gehe einfach davon aus, dass der Patient „umgestellt“ worden sei. Auch sei die Apothekentreue von Versandkunden nicht so intensiv, da die Preis- und Rabattorientierung im Vordergrund stehe. Ullrich: „Der persönliche Kontakt, insbesondere bei älteren Patienten mit vielen Medikamenten, ist für die Arzneimittelsicherheit unerlässlich.“

Die SPD setze mit ihrer Politik diese Sicherheit aufs Spiel. Auch die Rabattverträge vergrößerten das Risiko für Verwechslungen, so Ullrich. Weil die Patienten inzwischen an immer wieder neue Arzneimittelpackungen gewöhnt seien, „stumpfen sie ab, dann wird das genommen und geschluckt.“ In der Apotheke vor Ort aber könne man die Zweifel sehen und durch Fragen klären: „Die Wirkung von Mimik und Gestik sollte Ihnen bekannt sein“, schreibt Ullrich an Zypries und Lauterbach. Sollten beide anderer Auffassung sein, empfehle er ein Apotheken-Praktikum.

Einen Vorschlag unterbreitet Ullrich auch zu den Spezialversendern. „Warum geben sie den Spezialversendern nicht einfach die Möglichkeit, eine Großhandelserlaubnis zu beantragen?“ Dann könnten diese doch ihre Produkte an die Apotheke vor Ort liefern. „Das macht ihr Argument obsolet“, schreibt Ullrich.

Dringend ab rät Ullrich, der auch Betriebswirtschaftslehre studiert hat, von einer Honorierung der Beratungsleistung wie von Lauterbach angeregt: „Haben Sie einmal einen Kunden in der Apotheke beraten?“ Dieser Vorschlag sei „mit Abstand das Realitätsfernste, das ich seit langem aus Berlin gehört habe“. Jeder Patient empfinde Beratung unterschiedlich. Einem reichten zwei bis drei Fakten, eine anderer wolle alle Details erklärt haben.

Dennoch könnten beide mit der Beratung sehr zufrieden sein, „obwohl die eine vielleicht 30 Sekunden und die andere 15 Minuten gedauert hat“. „Wie wollen Sie messen, welche Beratung welches Honorar verdient hat, wenn doch am Ende beide Kunden sagen würden, die Beratung war sehr gut?“, fragt Ullrich. Und wer solle das überprüfen: „Hier öffnen Sie doch dem Missbrauch eines schon im Vorfeld sehr schlecht überlegten Systems alle Türen“, warnt der Apotheker.

Antworten hat der Apotheker auf die Anfang Mai verschickten Brief noch nicht erhalten. Aber er ist auch so zufrieden mit seinem Brief: „Wir Apotheker sollten uns noch stärker engagieren.“ So wie sich die politische Landschaft ihm darstelle, laufe die Bundestagswahl wieder auf eine große Koalition von Union und SPD hinaus, glaubt Ullrich: „Spätestens in den Koalitionsverhandlungen kommt das Thema Rx-Versandverbot wieder auf den Tisch. Da müssen wir dran bleiben.“

Sich selbst bezeichnet Ullrich als „Wähler der Mitte“. Er hat mal FDP, mal CDU gewählt. Doch mit der FDP ist Ullrich nach dem letzten Parteitag mit der Ablehnung des Rx-Versandverbots und dem Beschluss zur Abschaffung des Fremdbesitzverbotes fertig: „Die FDP hat sich selbst disqualifiziert. Die kann ich nicht mehr wählen.“

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