Italien

Arztfehler: Homöopathen fordern „volle Härte“

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Berlin -

Der Tod des siebenjährigen Francesco schockiert und sorgt für Diskussionen. Die Eltern hatten die Gabe eines Antibiotikums verweigert und eine Mittelohrentzündung homöopathisch behandelt. In Deutschland wäre ein derartiger Fall unmöglich, so der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).

„Hier liegt offenbar ein ärztlicher Kunstfehler vor“, so die erste Vorsitzende des DZVhÄ, Cornelia Bajic. Man zeigt sich bestürzt über das Schicksal des siebenjährigen italienischen Jungen, der am Wochenende nach 15 Tagen an den Folgen einer Mittelohrentzündung verstarb.

„Der Verzicht auf Antibiotika scheint in diesem Fall eine klare unterlassene Hilfeleistung und nicht mit dem ärztlichen Selbstverständnis vereinbar“, so Bajic. Die Großeltern des Jungen wollen gerichtlich gegen den Homöopathen vorgehen. Die Vorsitzende des DZVhÄ begrüßt im Falle einer Anklage die „volle Härte der italienischen Gesetze“.

In Deutschland sei ein derartiger Fall nicht denkbar. „Die Homöopathie gehört in kompetente Hände. Und in Deutschland gelten klare Regeln, die bei korrekter Anwendung durch den behandelnden Arzt einen vergleichbaren Fall verhindern.“

Für die Behandlung einer Otitis media gelte in Deutschland die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Handelt es sich um eine unkomplizierte Mittelohrentzündung und einen Patienten ohne Risikofaktoren, kann auf eine sofortige Antibiose verzichtet werden. „Selbst bei Fieber und/oder Erbrechen ist es vertretbar, die ersten 24 bis 48 Stunden unter Beobachtung des Kindes abzuwarten und erst bei einer Verschlechterung der Symptome oder einer ausbleibenden Besserung Antibiotika zu verordnen.“ Laut DZVhÄ halten sich die deutschen homöopathischen Ärzte an die medizinische Leitlinie.

Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), verweist auf die Richtlinien, die für Homöopathika genauso gelten wie für alle anderen Arzneimittel: „Homöopathische Arzneimittel sind amtlich zugelassen und auf ihre Qualität, Sicherheit und Unbedenklichkeit hin geprüft. Sie unterliegen derselben Arzneimittel-Sicherheitsüberwachung wie alle anderen im Verkehr befindlichen Arzneimittel und sind besonders gut geeignet, leichte vorübergehende Erkrankungen zu behandeln.“

Ein Allheilmittel seien Homöopathika nicht: „Wie alle anderen Arzneimittel auch, haben Homöopathika therapeutische Grenzen, die jeder verantwortungsvolle Apotheker und Arzt kennen sollte. Ein mögliches Gefährdungspotenzial liegt, wie bei allen Arzneimitteln auch, in einer nicht sachgerechten Anwendung.“

Krankenkassen mahnten in der Vergangenheit, Antibiotika würden zu schnell und zu oft verordnet. Auch die TK kritisierte die steigenden Verordnungen. Je häufiger Kinder Antibiotika nähmen, desto höher sei das Risiko einer Resistenz. „Gerade bei Mittelohrentzündungen sollten die Ärzte gründlich abwägen, ob Antibiotika wirklich nötig sind“, sagte Tim Steimle, Apotheker und Fachbereichsleiter Arzneimittel der Krankenkasse.

Eine akute Mittelohrentzündung heile meist folgenlos nach einigen Tagen. „In der Regel helfen entzündungshemmende Schmerzmittel wie zum Beispiel Ibuprofen oder Paracetamol“, so Steimle. Auch abschwellende Nasentropfen, Wärme durch Rotlicht oder ein Traubenkernkissen seien bewährte Mittel.

Die Otitis media zählt zu den am häufigsten auftretenden Erkrankungen im Säuglings- und Kleinkindalter. Etwa zwei Drittel der Kinder erkranken innerhalb der ersten drei Lebensjahre an der Entzündung der Schleimhäute des Mittelohres. Zur Behandlung können im Falle eines bakteriellen Infektes antibiotische Ohrentropfen oder ein orales Antibiotikum verordnet werden.

Die Eltern des siebenjährigen Francesco verweigerten die Gabe von Antibiotika seit dem dritten Lebensjahr des Jungen. Sie setzten auf alternative Heilmethoden und behandelten die Erkrankungen homöopathisch. So auch eine beidseitige Mittelohrentzündung, die jedoch auf die Therapie nicht ansprach und sich im Körper weiter ausbreitete. Die Eltern hatten ihn laut italienischen Medien erst ins Krankenhaus gebracht, als der Junge das Bewusstsein verlor.

Der kleine Junge erlag der Erkrankung nach 15 Tagen homöopathischer Behandlung in einem Krankenhaus. Laut italienischer Nachrichtenagentur Ansa konnten die Ärzte den Jungen trotz Operation und Antibiose nicht retten. Zu weit hatte sich die Infektion im Körper ausgebreitet, so dass der Junge schließlich an einem Hirntod verstarb. Die Organe des Jungen seien von den Eltern zur Spende freigegeben worden.

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