Cystinose

Augentropfen: 1400 statt 29 Euro

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Berlin -

Bislang fehlten den Apotheken Augentropfen mit dem Wirkstoff Cysteamin. Die Rezeptur gegen Erblindung wurde bis dato von den Apotheken selbst hergestellt. Die Bedingungen waren zuletzt erschwert – der Arzneistoff war nicht mehr in der nötigen Qualität verfügbar. Zudem hagelte es Retaxationen von den Krankenkassen. Ein Einzelimport war teuer und genehmigungspflichtig. Seit 15. Juni gibt es nun ein Fertigarzneimittel von Orphan für mehr als 1400 Euro, die Rezeptur kostete im Vergleich nur etwa 29 Euro.

Cystadrops 3,8 mg/ml (Cysteamin, Orphan) sind ein Segen für die Versorgung von Cystinose-Patienten. Die Augentropfen à 5 ml können ab dem zweiten Lebensjahr angewendet werden. Empfohlen sind vier Tropfen täglich auf vier Gaben verteilt während der Wachstunden.

Beispielsweise kann um 8, 12, 16 und 20 Uhr jeweils ein Tropfen in das Auge geträufelt werden. Wer drei- bis viermal träufelt, beugt neuen Kristallen vor. Bestehende Ablagerungen können bei acht- bis zehnmal täglicher Anwendung aufgelöst werden. Die letzte Anwendung sollte mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen erfolgen.

Das Präparat ist nach Anbruch nur sieben Tage haltbar und muss dann entsorgt werden. Vor dem ersten Öffnen sind Cystadrops im Kühlschrank aufzubewahren, nach Anbruch genügt eine Lagerung bei Raumtemperatur.

Cysteamin-Augentropfen haben zuletzt für Ärger und Aufregung gesorgt. In der Vergangenheit konnten die Augentropfen in der Apotheke hergestellt werden; der Ausgangsstoff konnte von Bedarfslieferanten wie Fagron bezogen werden. Seit mehr als einem Jahr fehlt es jedoch an dem Rohstoff in Arzneibuchqualität. Asiatische Hersteller könnten dem hohen europäischen Standard nicht entsprechen, hieß es: Die Mengen seien zu gering und kein Anreiz, in den asiatischen Produktionsstätten auf GMP umzustellen. Der Ausgangsstoff wäre mit entsprechendem Zertifikat exorbitant teuer.

Apotheken versorgten dennoch die Patienten und nutzen für die Herstellung Ware ohne GMP-Qualität von Chemikalien-Herstellern. Die Freigabe für die individuell hergestellten Augentropfen holten sich die Apotheken vom Arzt. Über die Situation aufgeklärt, musste er Nutzen und Risiken abwägen. Die Freigabe wurde dann dokumentiert und nach der bereits gelöschten NRF-Vorschrift hergestellt.

Die Kassen stellten sich bei der Erstattung quer: Sieben Euro zahlen sie für 300 Gramm, was 120 Tagesdosen entspricht. Bei der Berechnung wurde noch der Preis jener Substanz herangezogen, die bereits seit Monaten nicht mehr verfügbar ist. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, hätten die Apotheken eigentlich 29 Euro berechnen müssen.

Doch selbst um den niedrigeren Betrag mussten die Apotheken noch kämpfen. Ein Apotheker wurde retaxiert, weil er den Einkaufspreis nicht dokumentiert hatte. Immerhin: Die Knappschaft Bahn-See (KBS) zeigte sich kulant und ließ den Apotheker die fehlende Angabe nachtragen.

Die KBS schacherte auch beim Einzelimport – und zahlte nur einen 1-prozentigen Aufschlag auf den Einkaufspreis. Ein entsprechendes Produkt in 0,55-prozentiger Konzentration konnte bislang ausschließlich aus Großbritannien bezogen werden. Der Bedarf für eine Woche kostete im Einkauf etwa 260 Euro. Nun kann jedoch das Fertigarzneimittel abgegeben werden – für einen Apothekenabgabepreis von 1401,30 Euro.

Cystinose ist eine seltene hereditäre Stoffwechselkrankheit. Weltweit wird die Zahl der Erkrankten auf 2000 Menschen geschätzt. Der Abtransport von Cystin, einem durch eine Schwefelbrücke entstandenen Dimer der Aminosäure Cystein, aus den Lysosomen wird gestört. In der Folge können sich Kristalle in fast allen Körpergeweben ablagern. Betroffene werden systemisch und lokal mit dem Wirkstoff Cysteamin behandelt.

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