Lieferengpässe

Gute Vorsätze und gestrichene Segel

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Berlin -

Nicht nur bei Impfstoffen wurde die Geduld von Apothekern, Ärzten und Patienten in diesem Jahr auf eine harte Probe gestellt. Auch andere Produkte machten 2015 wegen Lieferengpässen Schlagzeilen. Einige Probleme werden die Apotheken ins neue Jahr begleiten. Von anderen Präparaten müssen sich die Apotheken komplett verabschieden.

Bereits seit September 2014 hat Sanofi Probleme mit L-Thyrox in Tropfenform. Bis Januar 2015 musste der französische Konzern 13 Chargen zurückrufen. Damit war der Markt weitgehend leer gefegt – und bleibt es weiterhin. Wann die Tropfen wieder lieferbar sind, ist nach Angaben des Herstellers derzeit nicht abzusehen.

Seit zwölf Monaten gibt es keine neue Ware mehr; da der Konzern der einzige Hersteller mit Thyroxin-Tropfen im Sortiment ist, müssen Apotheken nach anderen Lösungen suchen. Besonders ärgerlich: Seitdem Levothyroxin auf der Aut-idem-Liste steht, müssen die Apotheker ihre Patienten notfalls zum Arzt zurückschicken.

Sanofi gibt in seinem Informationsschreiben an Heilberufler den Hinweis, die Tabletten in den Dosierungen 25 bis 200 Mikrogramm als Alternative einzusetzen. Bei Kindern, die eine niedrigere Dosierung benötigten, könnten die Tabletten mit der geringsten Wirkstärke halbiert werden. Bei Bedarf sei auch eine Suspendierung möglich. „Hierzu lässt man die Tablette in etwas Wasser (10 bis 15 ml) zerfallen und verabreicht die entstehende feine Verteilung (sie ist für jede Einnahme frisch zuzubereiten!) mit etwas weiterer Flüssigkeit (5 bis 10 ml)“, heißt es. Wer unbedingt eine Lösung benötigt, hat aber weiterhin das Nachsehen: Auch die Rezeptursubstanz ist nicht lieferbar.

Auch für weitere Produkte hat Sanofi Lieferschwierigkeiten: Neben Engpässen bei den Impfstoffen sind bis voraussichtlich Juli 2016 mehrere Packungsgrößen von Insuman basal und Insuman Comb nicht lieferbar. Grund sind Kapazitätsprobleme bei der Herstellung. Sanofi bittet die Apotheken, von den noch verfügbaren Packungen nicht mehr als eine Packung pro Patient abzugeben. So sollen möglichst viele Patienten weiter kontinuierlich mit dem Mischinsulin versorgt werden können. Auch die Ärzte werden gebeten, die Verordnungen entsprechend anzupassen. Neue Patienten sollen auf ein anderes Insulin eingestellt werden.

Immerhin wieder lieferbar ist Novaminsulfon Lichtenstein (Metamizol). Die Sanofi-Tochter Zentiva hatte im August mit Lieferschwierigkeiten bei den Tropfen zu kämpfen, ist mittlerweile aber wieder voll lieferfähig. Grund waren Engpässe bei der Produktion eines Lohnherstellers.

MSD Sharp & Dohme kann derzeit die Injektionslösung Celestan solubile nicht beliefern. Eine Restmenge sei im Lager noch verfügbar, werde aber nur für Notfälle versendet. Man hoffe, Anfang des Jahres wieder lieferfähig zu sein, so das Unternehmen. Die ebenfalls defekten Xanef 5 und 10 mg (Enalapril) sollen ab der zweiten Januarwoche mit neuer PZN wieder bestellbar sein, so der Hersteller.

Infectopharm muss auch im neuen Jahr auf die Belieferung mit InfectoFos in der Stärke 8 g verzichten; die geringer dosierten Präparate sind verfügbar. Der Lieferengpass des Antibiotikums dauert bereits sechs Monate an. Wann das Produkt wieder zur Verfügung steht, ist nicht bekannt. Gleiches gilt auch für Pendysin (Benzyplpenicillin-Benzthiazin) zur Injektion. Infectopharm hatte den Lieferanten für den Wirkstoff gewechselt und kämpft seit nunmehr zwei Jahren um die behördliche Genehmigung. Als Ausweichpräparat steht aber immerhin das wirkstoffgleiche Tardocillin zur Verfügung.

Schwierig ist die Lage außerdem bei Digoxin-Produkten. Die beiden Hersteller Aspen und Teofarma können derzeit Tropfen beziehungsweise Tabletten nicht liefern. Aspen plant aber, Anfang Januar wieder in die Apotheken liefern zu können. Auch das Parkinsonmittel Tabletten (Procyclidin) soll nach Aussage von Aspen ab Mitte Januar wieder erhältlich sein.

Einige Produkte verlassen den deutschen Markt komplett: Bereits mit dem Jahreswechsel 2014/15 musste Dr. Kade sein Muskelrelaxans DoloVisano vom Markt nehmen. Konkurrent Recordati hatte gegen den Wechsel des Wirkstoffes von Mephenesin auf Methocarbamol geklagt. Dr. Kade hatte sich in seinem Zulassungsantrag 2010 auf Unterlagen bezogen, die seinerzeit noch geschützt waren. Ohne Zulassung sei DoloVisano nicht mehr verkehrsfähig und dürfe daher bis zur endgültigen Klärung auch in den Apotheken nicht mehr abgegeben werden, entschied das Verwaltungsgericht Köln.

Am 15. Januar 2016 ist Schluss für Tresiba: Novo Nordisk nimmt sein Basalinsulin vom Markt. Der dänische Hersteller hatte sich mit dem GKV-Spitzenverband nicht auf einen Erstattungspreis einigen können. Novo Nordisk hatte den Schritt bereits im Sommer angekündigt, die Frist im September aber noch einmal verlängert. Ein großer Teil der Tresiba-Patienten sei noch nicht umgestellt worden, hieß es von Novo Nordisk.

Der vom Hersteller ausgewiesene Zusatznutzen war vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nicht anerkannt worden. Grund waren formale Mängel; Novo Nordisk hatte Wirksamkeitsstudien teilweise zurückgehalten oder geschwärzt.

Nach nur vier Monaten hat Takeda im März 2015 Latuda (Lurasidon) wieder vom Markt genommen. Das IQWiG hatte die eingereichten Studien für eine Nutzenbewertung des Schizophrenie-Mittels als nicht ausreichend bewertet. Sowohl in der Akuttherapie als auch bei der Rückfallprophylaxe sei unsicher, ob Lurasidon gegen die Symptome einer Schizophrenie ähnlich gut wirke wie die zweckmäßigen Vergleichstherapien. Latuda bindet an D2- sowie 5-HT2A- und 5-HT7-Rezeptoren und soll innerhalb von 6 Wochen Schizophrenie-Symptome lindern.

Zum Ende des Jahres erlischt die Zulassung für einige Altpräparate. Dolormin Compact bei Erkältungsschmerzen und Fieber (Ibuprofen) ist mittlerweile unter dem Namen Dolormin bei Erkältungsschmerzen und Fieber im Handel. Mit Ende der Abverkaufsfrist am 31. Dezember 2015 darf das alte Produkt von US-Konzern Johnson & Johnson (J&J) nicht mehr abgegeben werden. Gleiches gilt auch für Microklist. Die Rektallösung ist seit 2003 unter Microlax in den Apotheken zu finden. Auch hier endet die Abverkaufsfrist mit Ende des Jahres.

Pfizer trennt sich zum Jahresende von seiner Diflucan Infusionslösung (Fluconazol). Die Hartkapseln bleiben weiterhin im Handel. Sanofi bittet um die Rückgabe aller Chargen von Dontisanin Tabletten (Bromelain). Die Zulassung der Packungsgröße à 40 Stück erlischt am 31. Dezember.

Takeda nimmt Rusedal (Medazepam) vom Markt, Merck streicht mit Biselect die Segel vor den Bisoprolol-Generika. Die Schmelztabletten Risperdal Quicklet (Janssen) verschwinden ebenso wie die Filmtabletten von Lorpressor (Metoprolol, Recordati).

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