Antibiotika

Resistenz gegen die letzte Reserve

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Berlin -

In China sind Erreger aufgetaucht, die gegen das Reserveantibiotikum Colistin resistent sind. Das berichtet eine Forschergruppe um Professor Jianzhong Shem im Fachjournal „Lancet Infectious Diseases“. Erstmals wurde ein stabiles Plasmid in Escherichia coli entdeckt, welches das Resistenz-Gen MCR-1 codiert. Sowohl in Tieren als auch bei Menschen wurde die Resistenz identifiziert. Damit ist auch die letzte Antibiotika-Gruppe nicht mehr uneingeschränkt wirksam.

Sporadisch auftretende Colistin-Resistenzen waren bereits vorher bekannt, die Mutationen zeigten sich aber nur auf den Chromosomen der Bakterien und waren damit nicht übertragbar. Das jetzt gefundene Resistenz-Gen mit dem Namen MCR-1 ist stabil auf Plasmiden von Stämmen von Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae zu finden. In dieser Form kann es leicht auf andere Bakterienarten übertragen werden.

Das bakterielle Plasmid trägt die Information für eine Transferase, welches den Zellmembran-Baustein Lipid A mit einem Phosphoethanolamin verknüpft. Dadurch kann Colistin nicht mehr an Lipid A binden und den Aufbau der bakteriellen Zellmembran verhindern.

Das Resistenz-Gen war zuerst in Schweinen und Hühnern entdeckt worden. Bei Routineuntersuchungen war aufgefallen, dass ein Bakterienstamm eine auffällig starke Resistenz gegen Colistin aufwies. Diese Resistenz ließ sich in Laborversuchen problemlos auf andere Darmkeime übertragen.

In 20 Prozent der in fünf chinesischen Provinzen untersuchten Tiere identifizierten die Forscher das Resistenz-Gen. Auch in Menschen wurde MCR-1 bereits entdeckt: Von 1322 untersuchten Patienten in Krankenhäusern der Region trugen bereits 16 Personen E. coli mit der Resistenz in sich.

Bislang ist das Resistenz-Plasmid nur in China sicher aufgetreten. Dort wird Colistin nach wie vor im großen Stil im Agrarbereich eingesetzt. Wissenschaftler befürchten allerdings eine rasche Ausbreitung. In umliegenden Ländern seien ungeklärte Fälle von Resistenzen gemeldet worden, die möglicherweise auf MCR-1 zurückzuführen sind. Um eine weltweite Ausbreitung zu vermeiden, fordern die Autoren der Studie, den Einsatz von Colistin in der Viehzucht streng zu begrenzen.

Bereits 2009 war in Forscherkreisen vom „Ende der Antibiotika“ die Rede, als im Fachjournal „Lancet“ die Entdeckung eines multiresistenten Erregers mit dem Gen NDM-1 veröffentlicht wurde. Es verschlüsselt das Enzym Neu-Delhi-Metallo-Beta-Laktamase (NDM-1), das zu den Carbapenemasen zählt. Das Enzym inaktiviert nicht nur Reserveantibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme (Doripenem, Ertapenem, Imipenem und Meropenem), sondern auch andere Betalactam-Antibiotika.

Lediglich die beiden Reserveantibiotika Colistin und das Tetracyclin Tigecyclin besaßen eine Wirkung gegen Erreger mit NDM-1. Nun scheint auch Colistin nicht mehr uneingeschränkt wirksam zu sein. Das Polymyxin-Antibiotikum hatte zuletzt eine Renaissance erlebt, soll aber laut Europäischer Arzneimittelagentur (EMA) in Kombination mit anderen Wirkstoffen streng als Reserveantibiotikum eingesetzt werden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt seit 2010 Colistin wieder zu den unverzichtbaren Medikamenten in der Humanmedizin. Wegen ihrer Nebenwirkungen hatten Colistin und sein Prodrug seit Einführung Ende der 1960er Jahre an Bedeutung verloren. Aus diesem Grund reagieren viele Bakterien empfindlich auf die Wirkstoffe, die schlecht resorbiert werden und daher entweder parenteral oder inhalativ eingesetzt oder nur lokal wirken.

Laut EMA sollen die Wirkstoffe zur Behandlung von erwachsenen Patienten und Kindern angewendet werden, die eine Infektion mit gram-negativen Keimen aufweisen und bei denen andere verfügbare Mittel keine Wirkung zeigen. Empfohlen wird die Kombination mit einem weiteren Antibiotikum.

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