Österreich

Frischfleisch von der Apothekerin

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Berlin -

Die Kritik an Massentierhaltung und deren Folgen nimmt zu – sicher auch unter Apothekern. Viele Verbraucher verzichten gänzlich auf Fleischkonsum, andere essen nur Bioprodukte. Apothekerin Elisabeth Gmach-Mittermayer ist einen Schritt weiter: Sie züchtet Schweine und Rinder. Neben ihrer Apotheke „zur Mariahilf“ in Pöggstall, einer kleinen Gemeinde im Bezirk Melk in Niederösterreich, betreibt sie einen eigenen Bauernhof.

Für den Verbraucher sei es kaum möglich, die Produktionsprozesse zu durchschauen. „Mir geht es um die Qualität der Lebensmittel. Die ist im Supermarkt nicht garantiert“, sagt sie. Es sei schwierig, regionale Marken im Lebensmitteleinzelhandel zu finden. „Da muss man ständig schauen, woher die Produkte stammen“, sagt Gmach-Mittermayer, die seit dem Jahr 2000 ihre eigene Apotheke leitet. Mittlerweile arbeiten dort 14 Angestellte, darunter drei Approbierte. So kann sich die Chefin erlauben, Zeit außerhalb der Offizin zu verbringen.

Vor rund 20 Jahren begann sie, Gemüse für den Eigenbedarf anzubauen. Der Grund lag auf der Hand: Die Früchte hätten einen ganz anderen Geschmack, sagt sie. Zum Verkauf sei das Gemüse nicht gedacht. Umso mehr profitieren ihre Tiere: Neben Kartoffeln, Äpfeln und anderem Obst baut sie Topinambur an, eine Bodenfrucht, die besonders Schweine lieben.

Mit anderen Interessierten gründete sie vor einigen Jahren den lokalen Tierschutzverein Pöggstall, indem sie derzeit Obfrau ist. Dort setzt sie sich für Hunde und Katzen ein. Seit sie das Buch „Tiere essen“ von dem amerikanischen Schriftsteller Jonathan Safran Foer gelesen hat, engagiert sie sich noch intensiver. „Ich bin mit der aktuell üblichen Tierhaltung absolut nicht einverstanden“, sagt sie. „Ich möchte, dass die Tiere Lebensqualität haben und ordentlich gefüttert werden. So kommt man auch zum hochqualitativen Lebensmittel.“

Für sie habe es zwei Möglichkeiten gegeben: Zum einen auf Fleisch zu verzichten, zum anderen, selbst zu züchten. „Es macht irrsinnig viel Spaß, Tiere zu halten und zu beobachten.“ Sie entschied sich für eine eigene Zucht. Die Pharmazeutin belegte Kurse bei der Landwirtschaftskammer etwa zur Rinder- und Schweinehaltung und lernte vor Ort beim Bauern. Später holte sie sich eine Betriebsnummer von der Bauernkammer. „Ich bin richtig Bäuerin geworden“, sagt sie.

2011 kaufte sie den Bauernhof, auf dem sie gelernt hatte: 20 Hektar, davon 4 Hektar Weideland, rund eineinhalb Kilometer von ihrer Apotheke entfernt. Mit zwei Rindern begann sie die Mutterkuhhaltung. Die Kälber werden nach zwei Jahren geschlachtet. Derzeit hält sie elf Rinder, gerade hat sie auch einen kleinen Stier bekommen.

Die industrielle Schweinehaltung ist für die Österreicherin eine der schlimmsten. Die Tiere hätten nichts zum Wühlen, zum Suhlen oder zum Abkühlen. Sie lebten nicht zusammen, obwohl sie Herdentiere seien. Gmach-Mittermayer kaufte bald die ersten eigenen Schweine.

Anders als von Fachleuten geraten, war bei den Geburten immer der Eber dabei. „Und die Ferkel hüpften auf ihm herum“, erzählt sie. Bis zu 70 Schweine hielt die Bäuerin zwischenzeitlich, die Würfe zählten bis zu 18 Ferkel. Gefüttert werden die Tiere mit Heu oder Grünfutter, Molke, Gemüse, Saisonobst und Getreideschrot.

„Die ersten drei Jahre waren Lernjahre“, sagt Gmach-Mittermayer. „Man muss wissen, ob und wie fruchtbar die Tiere sind, ob sie künstlich besamt werden müssen oder nicht und dass frühestens sechs Wochen nach dem Wurf wieder gedeckt werden darf. Jetzt kann ich Bilanz ziehen.“ Momentan umfasst die Herde 23 Tiere, im Winter sollen acht geschlachtet werden, im Alter von rund einem Jahr. Zwischen 30 und 50 Ferkel, zwei bis drei Würfe, plant sie pro Jahr.

Die Apothekerin investiert in ihren Hof: Momentan wird ein Schlachtraum gebaut. Dort könnten auch Bauern aus der Region schlachten. Im Frühjahr könne das Schlachten beginnen, hofft sie. Dann werde vor Ort gezüchtet und geschlachtet, zerlegt, die Fleischprodukte würden ab Hof verkauft. Bereits seit Frühjahr 2013 verkauft sie Fleisch selbst, auch über ihre Marke „fair-treat“. „Das wird wahnsinnig gut angenommen.“

Dank ihres Angebots könne der Konsument nun auch beim Fleisch wählen, ob er H&M oder Gucci will. Ihre Produkte liefert Gmach-Mittermayer auch nach Wien – das Kilogramm Schweinskarree derzeit für 16 Euro. Ebenso nimmt sie am HV-Tisch Bestellungen an. Das vakuumverpackte Frischfleisch holt sie aus einem Kühlraum in einem Nebengebäude. „Das kann ich stückweise vom Kühlschrank abverkaufen“, sagt sie.

Mit ihrer Apotheke sei die Tierzucht gut zu vereinbaren, sagt sie. Während der intensiven Aufbauarbeit habe sie diese aber hinten an gestellt. „Jetzt wird sich das einspielen.“ Es gebe Tage, an denen sie den ganzen Tag auf dem Hof sein müsse, an anderen nur eine halbe Stunde. „Manchmal ist es stressig, aber wir kriegen das hin.“ Unterstützt wird sie von einem Arbeiter auf dem Hof.

„Der Hof ist eine wunderbare Ergänzung zur Apotheke. Ich kann meine Neugier abdecken und bin viel im Freien.“ Zwar könne es immer mal zu viel werden. Aber beides betreibe sie gern, und „dadurch macht beides mehr Spaß“.

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