Berlin

Und plötzlich Apothekenretter

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Berlin -

Die Regenbogen-Apotheke nahe des Victoria-Luise-Platzes in Berlin ist eine der ältesten und bekanntesten HIV/AIDS-Apotheken im Kiez. 1996 eröffnet, hätte die Apotheke nach dem unerwarteten Tod von Inhaber Volker Horstmeyer im August beinahe schließen müssen – wegen einer Klausel im Mietvertrag. Apotheker Dr. Goetz Krauter, der selbst zwei Apotheken in der Gegend betreibt, sprang spontan ein und bewahrte die Apotheke vor dem Aus – aber kaufen will er sie eigentlich nicht.

Krauter zufolge war der Mietvertrag so formuliert, dass er vom Vermieter bei Tod des Mieters gekündigt werden konnte. Im Normalfall gibt es in Mietverträgen eine solche Klausel nicht, meist ist eine Verlängerungsoption vereinbart. Im vorliegenden Fall hätten jedoch beide Seiten einer Verlängerung zustimmen müssen. Da Horstmeyer keine nahen Verwandten hatte, die die Apotheke hätten übernehmen können, und die Nachlassverwalterin weder einen Mieter noch einen Käufer fand, kündigte der Vermieter zum Jahresende.

Eigentlich sollte die Apotheke in dieser Woche geschlossen werden. Krauter schätzt, dass dies unmittelbar zu einem Verlust von rund 400.000 Euro führen würde. Er sei überrascht gewesen, wie schnell man den Mietvertrag verlieren könne – und wie schnell man eine gute Apotheke in den Ruin führen könne. „Jeder will eigentlich, dass die Apotheke besteht. Aber keiner hält den Kopf hin“, sagt er.

Die zwölf Angestellten hatten bereits im September von dem drohenden Aus erfahren. In der Folge kündigten die vier Apothekerinnen, in dieser Woche sollten die letzten Arbeitsverträge aufgelöst werden. „Viele Kolleginnen arbeiten dort seit vielen Jahren. Die sind Mitte 50 und würden nie wieder eine Anstellung finden“, sagt Krauter.

Vor rund zwei Wochen erfuhr Krauter, was in der Regenbogen-Apotheke vor sich ging – er fasste den Entschluss, die Schließung zu verhindern. „Wir haben mündlich vereinbart: Egal, was passiert, ich übernehme.“ Nun müsse der Betrieb aufrecht erhalten werden, bis die Apotheke ordnungsgemäß verkauft sei, entweder an ihn selbst oder an einen anderen Apotheker. Krauter sagte zu, der Apotheke übergangsweise zu helfen und die Verwalterin zu unterstützen, einen neuen Mietvertrag auszuhandeln und die Kündigungen zurückzunehmen.

„Innerhalb von acht Tagen musste alles organisiert werden, alle mussten zustimmen“, sagt Krauter. Er sprach mit Vermieter und Nachlassverwalterin. „So kurz vor der Schließung waren alle ganz faire Verhandlungspartner.“ Auch mit dem aufgebrachten Apothekenteam redete er. „Wenn die Mannschaft weggehen würde, würden die Kunden mitwandern“, so Krauter.

Die Verwalterin der Regenbogen-Apotheke überredete er, noch bis zum 31. Dezember weiter zu arbeiten. Außerdem schickt er eigenes Personal: „Wir schließen in diesem Monat einen Leihvertrag für eine junge Kollegin ab. Ab Dezember wird sie dort fest arbeiten, ab Januar als Verwalterin, später als Filialleiterin“, sagt Krauter. „Man findet sonst so kurzfristig keinen Verwalter, denn der muss ja für alles gerade stehen. Außerdem gibt es so wenige Apotheker und die meisten sind angestellt.“

Einer seiner Approbierten soll ebenfalls in die Regenbogen-Apotheke wechseln, eine weitere Apothekerin soll neu eingestellt werden. Beim endgültigen Verkauf der Regenbogen-Apotheke würden alle bestehenden Verträge 1:1 übernommen, egal ob von ihm selbst oder einem anderen Käufer, verspricht Krauter. Die notwendigen Investition schätzt er auf 400.000 Euro, inklusive Warenlager, Umbauten, Liquiditätsmittel und Kaution.

Ob er selbst kaufen will, weiß er noch nicht. „Ich bin hin und her gerissen. Wenn ich niemanden finde, muss ich die Apotheke als Filiale übernehmen.“ Ein anderer Käufer wäre ihm eigentlich lieber: „Die Apotheke braucht sehr viel Arbeit. Da würde ich zwei Jahre lang Tag und Nacht drin stehen.“ Die EDV-Anlage müsse erneuert werden, die Verkaufsräume müssten schöner gestaltet werden, die Kontakte müssten gepflegt werden. „Man müsste ganz viele Termine zur 'Gesichtspflege' machen, um die Kunden zu halten“ – Pflegedienste, Heime und onkologische Schwerpunktpraxen.

Krauter kann sich vorstellen, der künftigen Filialleiterin in die Selbstständigkeit zu verhelfen. Überschneidungen bei den Kunden gibt es nicht: „Wenn die Regenbogen-Apotheke schließen würde, würde ich nicht einen Kunden mehr bekommen.” 80 Prozent des Umsatzes mache die Regenbogen-Apotheke mit den Schwerpunkt-Praxen.

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