Medizinprodukte

Urteil: Ein Kondom, ein Orgasmus

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Berlin -

Medizinprodukte sind schwieriges Gelände für witzig gemeintes Marketing. Im Streit um einen Orgasmus-Slogan auf Kondom-Verpackungen hat ein Gericht die Spaßbremse gezogen – trotz einer Demo auf dem Pariser Platz.

Für Einhorn-Geschäftsführer Philip Siefer ist der Orgasmus-Streit abgehakt. „Wir haben es jetzt halt gestrichen und denken uns was Neues aus“, sagt der 32-Jährige. Das Düsseldorfer Landgericht hat dem Berliner Kondom-Hersteller die erwartete Niederlage beschert. Da half auch eine Hauptstadt-Demo „gegen Orgasmuslimitierung“ auf dem Pariser Platz nicht.

Die Angabe „entspricht bis zu 21 Orgasmen“ auf einer Verpackung mit sieben Kondomen ist irreführend und bleibt verboten, urteilt das Gericht. Die Aussage könne zum Mehrfachgebrauch eines Kondoms verleiten. Gerade bei Jugendlichen sei die mehrfache Verwendung von Kondomen aber „nach wie vor einer der häufigsten Fehler“. Dies zeige, wie wichtig eindeutige Angaben seien.

Es gehe immerhin um Schwangerschaftsverhütung und den Schutz vor gefährlichen Geschlechtskrankheiten, hatte die Vorsitzende Richterin Johanna Brückner-Hofmann betont. Als Medizinprodukte gelten für Kondome strenge Anforderungen. „Niemand hat etwas gegen Spaß. Aber das kann man leicht in den falschen Hals bekommen“, sagt ein Gerichtssprecher.

Beim Konkurrenten Fair Squared in Köln, der das Verfahren angestrengt hatte, herrscht Genugtuung: „Das Urteil bestätigt unsere Auffassung, dass es gefährlich ist, insbesondere junge Verbraucher mit pseudo-lustigen Aussagen über die Orgasmusfähigkeit von Kondomen zu irritieren“, sagt Geschäftsführer Oliver Gothe.

Die Sorten von Einhorn heißen „Make Love“, „Moonshine“ und „Spermamonster“ – und erschienen zuletzt mit dem Makel eines schwarzen Balkens auf der Verpackung. Die Einhorn-Anwälte hatten argumentiert, die Angaben richteten sich an eine junge Käuferschaft, die Spaß verstehe. „Kann Spuren von Feenstaub enthalten“, stehe ebenfalls auf der Verpackung. Das glaube auch keiner.

Doch das Gericht sieht das anders: Auf der Verpackung seien lustige neben ernsten Angaben zu finden. Was nun was sei, werde dem Verbraucher eben „nicht auf Anhieb klar“.

Die Orgasmus-Aussage sei aber nicht falsch, hatten die „Einhörner“ gekontert: „Warum sollte eine Frau bei der Verwendung eines Kondoms nicht zwei Orgasmen haben?“, argumentierten sie. Nimmt man den Orgasmus des Mannes dazu, sind es drei und bei sieben Kondomen macht das 21 Orgasmen – trotz Einmalgebrauchs.
Ihr Gegenpart von Fair Squared, Condomi-Gründer Gothe, ist seit 26 Jahren im Lümmeltüten-Geschäft und hat mit den Neulingen aus Berlin schon mehrfach juristisch die Klingen gekreuzt. Die Berliner hatten forsch mit dem angeblich ersten fair gehandelten Kondom um Investorengeld geworben – und prompt den Kürzeren gezogen.

Während Gothes Kondome nämlich bereits seit geraumer Zeit das „Fair Rubber“-Siegel tragen, müssen die Berliner noch auf die Zukunft vertrösten. „Deren Produkte sind ja gar nicht fair. Sie behaupten, dass sie es eines Tages sein werden“, sagt Gothe. Die Umsetzung von Fairness- und Nachhaltigkeitszielen dauere nun einmal Jahre, verteidigen sich die Berliner.

Die Lust auf eine weitere Prozessrunde vor dem Oberlandesgericht scheint den Berliner Verhütungs-Spezialisten erst einmal vergangen. Man werde das aber noch einmal prüfen.

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