Krankheitsbilder

Was die Zunge über die Gesundheit verrät

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Basel/Erfurt -

Mund auf, Zunge raus: In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist das eine der gängigen Untersuchungen. Über das Aussehen der Zunge werden seit Jahrtausenden Erkrankungen diagnostiziert – übrigens auch deshalb, weil sich die Menschen früher schämten, vor einem Arzt ihre Kleider abzulegen. Das hat sich zwar inzwischen längst gewandelt. Aber immer noch kommen selbst Schulmediziner über den Zustand der Zunge Krankheiten auf die Spur.

Die Zunge ist über Nervenbahnen bestens mit dem Gehirn und den Organen vernetzt. Wenn irgendetwas im Körper nicht stimmt, zeigt sich das deshalb auch an der Zunge. Sie spiegelt den Gesundheitszustand eines Menschen wider, wie Professor Dr. Dirk Eßer, Chefarzt der Abteilung Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Helios Klinikum Erfurt erklärt.

Normalerweise ist die Zunge blassrosa, leicht belegt und an der Oberfläche etwas rau. Sieht sie deutlich anders aus und das nicht nur für ein paar Stunden, kann das ein Hinweis auf eine Erkrankung sein. Eine nicht nur zeitweise schwarz-gefärbte Zunge etwa kann auf Leukämie hindeuten. Hat die Zunge dauerhaft einen kräftig gelben Belag, steckt möglicherweise eine Erkrankung im Leber-Gallen-Bereich dahinter. Ist die Zunge braun, gibt es eventuell Probleme im Verdauungstrakt. Eine gräulich gefärbte Zunge kann auf Blutarmut hindeuten, eine blau gefärbte auf eine Lungenkrankheit. Eine Erkältung oder eine Magen-Darm-Störung zeigt sich häufig an einem dicken weißen Belag der Zunge.

„Welche biochemischen Prozesse bei der Zungenfärbung im Körper exakt ablaufen, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt“, sagt der Heilpraktiker René Gräber aus Preetz in Schleswig-Holstein. Ihm zufolge könnte der Säurehaushalt im Körper eine Rolle spielen. Gerät etwa die gelbbraune Gallenflüssigkeit, die für die Fettverdauung wichtig ist, krankheitsbedingt aus dem Gleichgewicht, dann wird auch der Säurehaushalt durcheinandergewirbelt.

„Das könnte eine Erklärung für einen gelben Belag der Zunge, die mit der Galle in Verbindung steht, sein.“ Einer Studie aus dem Jahr 2015 zufolge könnten Veränderungen beim Auf- und Abbau von Aminosäuren dazu beitragen, dass sich bei einer Gastritis ein bräunlicher Zungenbelag zeigt.

Es gibt aber auch noch andere Veränderungen. Von einer „Lackzunge“ ist die Rede, wenn das Organ an der Oberfläche glänzend und glatt ist. „Das tritt bei Mangelerscheinungen von Vitaminen oder Mineralstoffen auf“, erläutert Professor Dr. Andreas Filippi, Fachzahnarzt für Oralchirurgie am Universitären Zentrum für Zahnmedizin in Basel. Auch ein brennendes Gefühl oder Entzündungen auf der Zunge können auf einen Vitaminmangel hindeuten. Ist die Zunge dauerhaft rotgefärbt („Himbeer“- oder „Erdbeerzunge“), dann ist der Mensch wahrscheinlich an Scharlach erkrankt.

Auch ein einseitiger Belag auf nur einer Zungenhälfte kommt vor. Er kann mit einer Nervenerkrankung oder Mittelohrentzündung zusammenhängen. Eine geschwollene, braun verfärbte Zunge deutet eventuell auf eine Nierenschwäche hin. Die sogenannte „Landkartenzunge“ – ein ungleichmäßiger Belag, auf dem Zahnabdrücke zu sehen sind, – weist auf Störungen im Verdauungstrakt hin, erklärt Gräber.

Kein Grund zur Sorge ist dagegen in der Regel ein kurzzeitig sichtbarer Belag. Heidelbeeren zum Beispiel verfärben die Zunge blau, ohne dass irgendeine Erkrankung dahintersteckt. Ein Belag auf der Zunge kann also - muss aber nicht - auf eine Krankheit hindeuten.

Ein täglicher Zungencheck zu Hause vor dem Spiegel hilft, Hinweise auf mögliche Krankheiten zu finden. Jeder sollte das Aussehen seiner Zunge regelmäßig beobachten, rät Eßer. Am besten geschieht das bei Tageslicht, idealerweise gleich nach dem Aufstehen. Dann ist die Zunge noch nicht durch Speisen oder Getränke verfärbt. Fällt etwas auf, dann sollte dies am besten zunächst beim Hausarzt thematisiert werden.

Mitunter kann die Zunge auch von Pilzen befallen sein. Betroffen sind meist Menschen, deren Abwehr geschwächt ist. Auch während einer Antibiotika-Therapie treten manchmal Pilzerkrankungen auf. Behandeln lässt sich das mit Lutschtabletten. Auch bestimmte Mundspülungen, die in der Apotheke erhältlich sind, können helfen, wie Eßer erklärt.

Filippi empfiehlt, die Zunge regelmäßig zu reinigen: „Das geht am besten mit einer Zungenbürste und nicht mit einem Zungenschaber.“ Da sich die meisten Bakterien in der Mundhöhle auf der Zunge befinden, hilft eine Reinigung, Karies und Mundgeruch vorzubeugen. Die Zungenbürste sollte mit einer speziellen Paste oder der Zahnpasta verwendet werden. Gräber gibt einen weiteren Tipp für die Zungenreinigung: das Ölziehen. Dabei werden für eine Mundspülung je ein Teelöffel Kokos- und Sesamöl vermengt. „Das schont die Mundflora und hilft bei Entzündungen in der Mundhöhle.“

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