Flüchtlinge

Arztskandal in Asylbewerberheim

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Nürnberg/Mainz -

Ein Asylbewerberpaar aus Serbien war verzweifelt, flehte um Hilfe für sein lebensgefährlich erkranktes Kleinkind. Doch in der Erstaufnahmeeinrichtung im mittelfränkischen Zirndorf rief keiner der Mitarbeiter den Notarzt; stattdessen wurde die Familie zu Fuß zu einem Kinderarzt geschickt. Der Junge überlebte nur knapp.

Am Montag wurde der Fall aus dem Dezember 2011 vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth erneut aufgerollt. In erster Instanz waren zwei Wachmänner und eine Angestellte wegen fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise unterlassener Hilfeleistung zu Geldstrafen verurteilt worden. Einen Arzt hatte das Amtsgericht hingegen freigesprochen.

Gegen das Urteil legten mit Ausnahme des Mediziners sämtliche Prozessbeteiligte Berufung ein. In dem neuen Prozess schilderte der Vater des damals eineinhalb Jahre alten Kindes daher erneut den dramatischen Ablauf des Geschehens: Sein Sohn hatte am Vorabend hohes Fieber bekommen; der herbeigerufene Arzt habe ihn aber nur oberflächlich untersucht. In der Nacht verschlechterte sich der Zustand des Jungen dann massiv, am Morgen war seine Haut mit schwarzen Flecken übersät.

„Das war der Horror. Er war in einem Zustand, dass ich meinen Sohn nicht mehr erkannt habe“, schilderte der 27-Jährige. Er habe Hilfe an der Pforte gesucht, doch der Wachmann habe ihn weggeschickt, um zunächst einen Krankenschein zu besorgen. Als er diesen nach längerem Hin und Her endlich bekommen habe, habe dennoch niemand einen Krankenwagen oder ein Taxi gerufen.

Letztlich habe eine Mitarbeiterin der Gesundheitsstation die Familie zu Fuß zu einer knapp zwei Kilometer entfernten Kinderärztin geschickt. Ein Autofahrer sammelte die Familie unterwegs auf, die Ärztin rief sofort die Rettung. Im Krankenhaus kämpften die Ärzte tagelang um das Leben des Kindes, das sich eine bakterielle Infektion eingefangen hatte und immer von der Krankheit gezeichnet bleiben wird.

Die angeklagte Angestellte erschien aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht; das Verfahren gegen sie wurde abgetrennt. Von den anderen Angeklagten erklärte sich nur der Mediziner zu einer Aussage bereit. Er wies den Vorwurf der oberflächlichen Untersuchung zurück. Das Urteil wird am zweiten Verhandlungstag am 6. Mai erwartet.

Laut der Flüchtlingsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sind Asylbewerber in den ersten 15 Monaten von der regulären Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. Über einen Arztbesuch entscheiden Mitarbeiter von Sozialämtern ohne entsprechende Ausbildung. Mit der Gesundheitskarte für Asylbewerber soll sich das ändern: Özoguz zeigte sich optimistisch, dass diese bundesweit kommt.

Die Erfahrungen in Bremen und Hamburg, die die Chipkarte bereits eingeführt hätten, seien positiv. „Man spart auch Kosten“, sagte die SPD-Politikerin zum Auftakt einer zweitägigen Konferenz von rund 250 Integrationsbeauftragten von Bund, Ländern und Kommunen in Mainz. Entscheidend für die Verbreitung sei, dass auch ein Flächenland mitziehe – obwohl sich hier die Umsetzung mit Krankenkassen komplizierter gestalte als in kleinen Stadtstaaten.

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