Ernährung

Insekten: Nährstoffreich, gesund, klimafreundlich

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Magdeburg/Baruth -

Heinrich Katz greift in einen großen Sack mit getrockneten Larven und steckt sich einige in den Mund – wie zum Beweis für die Harmlosigkeit der Krabbeltiere. Nussig schmeckt es, würzig. Was für die meisten Menschen einfach nur eklig ist, ist für den Insektenzüchter aus dem brandenburgischen Baruth die Zukunft.

Auch aus Sicht einer Reihe von Forschern und der Welternährungsorganisation FAO könnten Insekten ein Teil der Ernährung von Mensch und Tier werden – nährstoffreich, gesund und klimafreundlich seien sie. Bei einer internationalen Tagung mit dem Titel „Insecta“ tauschten sich heute in Magdeburg Experten aus 24 Ländern über das Thema aus.

„Bei Insekten als Futtermittel sehe ich das höchste Potenzial“, sagt die Lebensmitteltechnologin vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie Potsdam, Birgit Rumpold. „Es wird händeringend nach Fischmehl-Ersatz gesucht.“ Fischmehl gefährde die Biodiversität in den Meeren. Für Soja, das vielfach eingesetzt werde, würden Regenwälder abgeholzt. „Insekten lassen sich lokal oder regional züchten. Das wäre viel sinnvoller“, sagt Rumpold.

Genau damit hat Insektenzüchter Katz schon vor Jahren begonnen. Seine Firma ist mit der biologischen Schädlingsbekämpfung groß geworden. Seine Marienkäfer beispielsweise machen sich über Blattläuse her, so dass die chemische Keule nicht mehr nötig ist. Nun blickt der 58-Jährige auf den riesigen Markt für Tierfutter.

Denn: Bello, Miezie und andere Haustiere dürfen schon heute Produkte aus Insekten verspeisen. Katz züchtet dazu Hermetia Illucens, die Schwarze Soldatenfliege. In großen Gewächshäusern wimmeln unter Netzen unzählige Exemplare. Ihre Larven wachsen binnen weniger Tage heran und werden abgetötet. Daraus wird Insektenpulver gewonnen. Derzeit stelle er 50 Tonnen Mehl pro Jahr her, sagt Katz. Das Pulver vermarktet er etwa als Hundenahrung.

Katz erwartet ein starkes Wachstum in den kommenden Jahren: Er wolle sein Mehl nutzen für Aquakulturen, die bislang etwa noch mit Fischmehl gefüttert würden. Eine Produktion von 500 Tonnen peile er für 2017 an. Als Futtermittel für Schweine, Fische oder Geflügel sind Insekten und Produkte aus ihnen allerdings noch verboten. Nach der BSE-Krise waren laut Leibniz-Forscherin Birgit Rumpold alle verarbeiteten tierischen Proteine tabu.

Auch wenn einige Fragen wie Allergien und Krankheiten noch nicht geklärt sind: Die Welternährungsorganisation FAO setzt auf Insekten als Lebens- und Futtermittel, weil die winzigen Tiere besonders effizient seien. Im Schnitt entstehe aus zwei Kilogramm Futter ein Kilogramm Insektenmasse. Bei Rindern sind acht Kilogramm Futter nötig, um ein Kilogramm Körpermasse zuzulegen. Insekten produzieren deutlich weniger klimaschädliche Treibhausgase und brauchen deutlich weniger Wasser.

Für Mensch und Tier würden sie im Vergleich zu Fisch und Fleisch qualitativ hochwertiges Protein sowie weitere Nährstoffe liefern. Im Hinterkopf hat die Welternährungsorganisation die wachsende Weltbevölkerung, die voraussichtlich im Jahr 2030 die Neun-Milliarden-Marke überschritten haben wird.

Bei all den Vorteilen: Bis Insekten tatsächlich einen nennenswerten Anteil an Futtermitteln ausmachen, wird es noch mehrere Jahre dauern. Da sind sich die Experten einig. „Derzeit ist die Insektenzucht noch nicht wirtschaftlich genug“, sagt Leibniz-Expertin Rumpold. Noch seien die Verfahren zu wenig automatisiert, und es werde noch zu viel Personal benötigt.

Und wie steht es um die Menschen? „Ich bin nicht sicher, ob sich Insekten im Lebensmittelbereich durchsetzen“, sagt Rumpold. Der Ekelfaktor ist möglicherweise zu hoch. Die Verbraucherakzeptanz könne aber auch plötzlich enorm wachsen. „Es kann sein, dass es hip wird wie etwa Sushi.“ Die Menschen reisten schließlich viel, eine Menge Leute hätten im Urlaub schon Grillen, Heuschrecken oder Larven probiert. „Die Angst ist geringer geworden.“ Rumpold verweist auf die USA, wo es Grillenzuchten gebe. Das Grillenmehl werde vertrieben, zu kaufen seien Riegel mit Grillenproteinen.

Der FAO-Experte Arnold van Huis setzt auf viele Informationen für die Verbraucher und auf die Experimentierfreude der westlichen Welt. „Das Interesse an dem Thema ist gewachsen“, sagt van Huis, der auch schon Insekten-Kochbücher veröffentlicht hat. Es brauche Vorbilder, die Insekten-Essen publik machten. Denn völlig neu sei es für viele Menschen auf der Welt eben nicht: In Afrika, Asien und Lateinamerika verspeisten rund zwei Milliarden Menschen regelmäßig Insekten.

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