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Zielscheibe der eigenen Leute

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Berlin -

Nur Züchtigung bringt Ertüchtigung. Dachten sich früher die Offiziere in Preußen, denken sich heute die Kammern, Pharmazieräte und TV-Glaeskes überall im Land. Die Prügelstrafe erlebt ihr Comeback. Es ist ja nur zu Eurem Besten, Apotheker! Verluste sind nicht zu vermeiden, wenn Apotheken zu Zielscheiben der eigenen Leute werden. Die ABDA will ohnehin nicht mehr auf die Langsamsten warten.

Testkauf. Wir kennen das. Regelmäßig marschieren Reporter in ein gutes Dutzend Apotheken, kaufen irgendwas und – Zack! – bewertet Professor Dr. Gerd Glaeske die Leistung als mangelhaft. Wick und Grippostad sind K.o.-Kriterien und wer mehr als zehn Euro zahlt, wurde abgezockt. Über die „Tricks der Apotheker“ wusste diesmal der NDR zu berichten. Parallel deckte Mario Barth Missstände in zwei Apotheken auf, aber der Beitrag hatte genauso wenig Resonanz wie die neuerliche Skandalisierung des Rezeptdatenhandels auf Spiegel online.

Auch in der WirtschaftsWoche durfte unlängst ein Reporter Dampf ablassen. „Irgendwas mit Vitracap“ wollte der Autor haben, und weil gleich zwei Apotheker an der Aufgabe scheiterten, sich aus dem Gestammel das richtige Produkt zusammenzureimen, schlug „Werner knallhart“ kräftig drauf.

Als „Supermarktverkäufer mit Hochschulabschluss“ wollte sich Apotheker Christian Redmann dann doch nicht diffamieren lassen, also postete er an die Facebook-Pinnwand des Wirtschaftsmagazins. Und weil sich seine Anmerkungen im verschrobenen Sprachstil eines Wolf Haas besser lasen als der ursprüngliche Beitrag, hagelte es Likes und Kommentare. Bückstück als Kunststück. Ein wenig Balsam für die Seele.

Was Redmann nicht wusste, als er den Angriff auf seine Berufsehre mit dem Florett parierte: Auch in den eigenen Reihen werden jetzt massiv Apothekentests organisiert – aus pädagogischen Gründen. So will Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz mindestens 10 Prozent der Apotheken im Land überprüfen lassen. In Baden-Württemberg bekommen 400 Apotheken unangekündigten Besuch, in Schleswig-Holstein wird jede dritte Apotheke auf Herz und Nieren geprüft. Wer bietet mehr?

Und weil das noch nicht genug ist oder weil ihnen so langweilig ist, wollen auch die Pharmazieräte künftig nicht nur die räumliche Ausstattung, sondern auch die Beratungskompetenz der Apotheken testen: Kleine Wissenstests sollen die Belegschaft fit machen. Nicht dass irgendwann zur Verbesserung der Hygienestandards auch noch die Sauberkeit der Unterwäsche vorgeführt werden muss.

Und auch die Adexa wirft mit spitzen Pfeilen. Vorstandsjustiziarin Iris Borrmann rät Arbeitnehmern, ihr Zeugnis generell überprüfen zu lassen. Eine verschwindend geringe Anzahl sei fehlerfrei: nachlässig geschrieben, Rechtschreibung mangelhaft. „Inhaber sind keine ausgebildeten Zeugnisschreiber.“ Vorsicht! Wenn das Professor Glaeske auch noch mitbekommt...

Einen Schuss vor den apothekerlichen Bug bekam ein Kollege, der dringend eine Pause brauchte, aber dabei vergaß, für eine Vertretung zu sorgen. Mittags- statt HV-Tisch: 1000 Euro Strafe.

Nicht auf sich sitzen lassen wollte ein Apotheker aus Berlin die Abmahnung einer Apothekerin aus Hamburg. Weil er in seinem Webshop Himalaya-Salz hatte, obwohl es im Himalaya kein Salz gibt, sollte er 900 Euro Anwaltskosten sparen. Flugs bestellte er dieselben Produkte bei der Kollegin – mit Erfolg. Am Ende wurden die gegenseitigen Ansprüche fallen gelassen. Um die Sache ging es wohl doch nicht.

Als Testkäuferin unterwegs war auch eine Apothekerin aus Berlin in Sachen Rx-Boni: Sie hatte bei DocMorris bestellt und belastendes Material zugeschickt bekommen. Da die Versandapotheke schon mehrfach gegen eine einstweilige Verfügung verstoßen hat, verhängten die Richter das höchstmögliche Ordnungsgeld von 250.000 Euro.

Wehren will sich auch ein Apotheker gegen zwei Retaxationen der DAK, die nur dadurch zustande kamen, dass die Kasse das Abgabedatum eigenmächtig korrigiert hatte. Sein Verband gibt ihm Recht und auch die Barmer GEK sieht den Sachverhalt anders als die Kasse aus Hamburg.

Bei den Apothekern ist die DAK in Sachen Retax übrigens berüchtigt: Auf Platz 1 zusammen mit der KKH und vor AOK im Retax-Ranking. Via Twitter ließ die KKH wissen: „Nehmen das Meinungsbild von 239 Befragten gern zur Kenntnis, unabhängig davon, ob es repräsentativ für 48.000 Apotheker ist.“

In Bonn werden die Innenstadtapotheker von Beamten und Verwaltungsmenschen der rheinischen Provinzmetropole gequält, die die Notwendigkeiten der Pharmalogistik nicht verstehen wollen. Die Fußgängerzone soll für Anlieferfahrzeuge des Großhandels tabu sein. Nach dem ersten Verbot folgte dessen Aufhebung; nun geht alles von vorne los. Denn im Rathaus hat man sich ausgedacht, dass so ein paar Lieferkisten auch zu Fuß transportiert werden können. Sind ja eh nur ein paar Schachteln drin. Und geliefert wird bekanntlich ohnehin bald nur noch aus der Luft. Auf der Nordseeinsel Juist fliegt die DHL-Drohne jedenfalls sicher und ruhig.

Bei der ABDA freut man sich, eine Nachfolgerin für Karl-Heinz Resch gefunden zu haben. Claudia Korf, derzeit noch Geschäftsstellenleiterin der Barmer GEK in Berlin/Brandenburg, wird ab Januar Geschäftsführerin des Bereichs Wirtschaft, Soziales und Verträge. Ihren Faible für Selektivverträge, die Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem GKV-(Versorgungs)stärkungsgesetz (GKV-VSG) erleichtern will, wird sie dann im Sinne der Apotheker ausleben können.

So gesehen haben die standeseigenen Beratungstests wieder etwas für sich: Wer mehr Geld für zusätzliche Leistungen will, der muss wenigstens die Basics beherrschen. Wer nicht mitkommt, wird zurückgelassen – und bekommt das Apotheken-A vielleicht irgendwann abmontiert.

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