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Dildo-Erlass: Regierung erlaubt ApoToys

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Berlin -

Dieses unsägliche EuGH-Urteil oder Sigmar Gabriels zermürbendes Spiel mit dem Apothekenhonorar – als Apotheker könnte man leicht die Lust an der Arbeit verlieren. Wenigstens die Kunden sollen Spaß haben. Laut einem im Regierungsviertel kursierenden Entwurf soll es Apotheken künftig erlaubt sein, Sextoys mit rotem Apotheken-A zu vertreiben. Auch Handschellen und Peitschen erhalten demnach eine PZN und das Prädikat „apothekenüblich“.

Die Abhängigkeit der allermeisten Apotheken vom Rx-Geschäft ist frappierend. Da die OTC-Hersteller auf der anderen Seite kaum noch mehr Geld in TV-Werbung stecken können, stagniert in mancher Offizin das Geschäft. Das liegt zum Teil auch daran, dass Apotheker beim Verkauf anderer Waren die Hände gebunden sind: gefesselt und geknebelt von der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und den eigenen Leuten bei der Aufsicht.

Der Sinn dahinter: Apotheken sollen in ihrer Sortimentstiefe nicht mit Baumärkten verwechselt werden. Das ist einzusehen. Aber es gibt Randbereiche, sogar zulässige. Nicht jedes Kosmetikprodukt aus der Offizin ist ein effektiver Hustenstiller und der gesundheitliche Nutzen von Gummibärchen wird noch untersucht.

Was aber ist mit der schönsten Nebensache der Welt? Niemand – außer er ist strengst katholisch – würde einer Apotheke verbieten, Kondome zu verkaufen, der präventive Nutzen ist unbestritten. Und auch bei Gleitgel ist der gesundheitliche Aspekt noch relativ leicht in den Vordergrund zu rücken. Probleme bekamen Apotheken bislang, wenn sie Vibratoren und Dildos auf oder unter dem HV-Tisch zum Verkauf bereithielten. Denn der Gesundheitsbezug war einigen Aufsichtsbehörden einfach nicht unmittelbar genug, die Gerichte sahen das ähnlich. Apotheke muss Apotheke sein, steril im doppelten Wortsinn der Sauberkeit wie der Prüderie.

Abgemahnte Versandapotheken mussten ihre Themenseite Lust & Liebe aufräumen – natürlich nicht alle Versandapotheken. Denn an der Grenze versagt die Manneskraft hiesiger Aufsichtsbehörden, so dass niederländische Onlineshops versenden, was sie wollen. Ein entsprechende Mahnschreiben aus Amsterdam wäre zugegebenermaßen auch wenig glaubwürdig. Also schon wieder eine Ungleichbehandlung und Inländerdiskrimierung.

Innerhalb der Regierung wird am Rx-Versandverbot gestrickt, auch wenn die SPD ab und zu absichtsvoll eine Masche fallen lässt. Jedenfalls wollte man nicht auch noch ein Dildo-Versandverbot anfassen, schon aus Angst vor der Sex-Lobby. Und überhaupt, die leidige Debatte um den Gesundheitsbezug: Viel unmittelbarer als ein Dildo geht eigentlich nicht, so die Denke im Bundesgesundheitsministerium. Die ApBetrO soll nun erweitert werden, um den sogenannten Orion-Paragraphen. Im Omnibusverfahren sollen gleich noch diese Fake-News verboten werden.

Was auf jeden Fall – und in Wirklichkeit – apothekentypisch ist, sind Abnehmmittel. Denn Übergewicht ist unbestritten ungesund. Aber Mittel gegen den Winterspeck gibt es viele, da ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Zumal manche Produkte so apothekenexklusiv sind, dass sie sogar einen eigenen Webshop benötigen… Ungesund kann es für das Personal am HV-Tisch allerdings werden, wenn sie das Thema Adipositas gegenüber Kunden allzu lapidar ansprechen.

Nicht mehr apothekentypisch soll – geht es nach dem OLG Bamberg – künftig Skonto sein. Das Verfahren rund um die Einkaufskonditionen der Apotheken geht jetzt vor den Bundesgerichtshof (BGH). Folgt man der Analyse von Kohlpharma und AEP, hängt vom Ausgang dieses Verfahrens mehr ab als vom EuGH-Urteil.

Und wie nun auf den Spruch aus Luxemburg reagieren? CDU-Politiker Patrick Schnieder schlägt den Einsatz von Drohnen im Botendienst vor, trotzdem ist er für ein Rx-Versandverbot. Davon konnte der SPD-Landtagsabgeordnete Gordan Dudas trotz mehrstündigem Praktikum in der Apotheke noch nicht überzeugt werden. Merkwürdig: Seine Landtagsfraktion ist es bereits.

Sehr merkwürdig: Die ebenfalls vom EuGH benachteiligten deutschen Versandapotheken erklären lautstark, dass das Apothekenhonorar seit Jahren gestiegen ist. Vielleicht ist das ein alter Reflex des BVDVA, immer gegen die ABDA zu sein. Der Gegenvorschlag: Große Stadtapotheken sollen einen Teil ihrer Marge abgeben und als „Notdienst-Soli“ an die Kollegen auf dem Land abgeben. Die Versender wollen sogar auch mit einzahlen, dafür aber ihren Kunden Rx-Boni gewähren dürfen. Auf die Idee muss man als Lobbytruppe erst einmal kommen.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will den Apothekern Einbußen ersparen, indem er den Rx-Versandhandel verbietet. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach will den Apothekern mehr Geld für die Beratung geben, damit sie Rx-Boni aushalten. AOK-Chef Martin Litsch will den Versandapotheken das Honorar kürzen und Rx-Boni erlauben, den Vogel also aus dem Käfig herauslassen, ihm aber vorher die Flügel stutzen. Dass der Vorschlag der Kassen zur Rettung des Apothekensystems darin besteht, dem System Geld zu entziehen, bringt das derzeitige Verhältnis ganz gut auf den Punkt.

Der einzig taugliche „Vorschlag“ kam in dieser Woche ausgerechnet vom Bundessozialgericht (BSG). Demnach stehen DocMorris die Herstellerabschläge vergangener Tage nicht zu – weil die Versandapotheke nicht gemäß Rahmenvertrag abgerechnet hat. DocMorris habe die Wahl, sich nicht an die deutschen Preisvorschriften zu halten und damit auf Erstattung des Herstellerrabatts zu verzichten – oder dem Rahmenvertrag beizutreten. Beide Vorteile sind einer zu viel. DocMorris sitzt ein bisschen in der Rabattfalle zwischen EuGH-Urteil und Rahmenvertrag.

Geld aus der Apotheke ziehen regelmäßig die Festbeträge. Denn wenn die Ware im Lager über Nacht an Wert verliert, bleibt der Apotheker auf dem Minus sitzen. Einen Ausgleich bekommen – zumindest bei einigen Herstellern – nur die Großhändler. Die Apotheke hat dann hoffentlich eine gute Retourenregelung.

Die Ärzte fühlen sich unterdessen von den eigenen Softwarefirmen ausgenommen, weil die Geld für die Umsetzung des Medikationsplans fordern. Der Modellpatient ARMIN leidet zusätzlich unter technischen Mailessen.

Sanofi sagt Bye bye zu einigen Originalen und Lothar Guske sagt Bye bye bei Stada. Er wechselt zu Neubourg. Nur leicht neue Namen gibt es für Lemocin und Cetebe. Gute Nachricht: Sildenafil und Entzündungshemmer wirken gegen Bauchfett.

Und die Apothekengewerkschaft Adexa meldet sich zu Wort: Der neue Vorsitzende Andreas May (PTA, m) wünscht sich mehr männliche PTA und die Chefin der Tarifkommission gibt zu Protokoll, die meisten Apotheker seien keine Goldschatz-hütenden Drachen. Darauf reagieren einige Apothekerinnen und Apotheker in den Kommentaren dann aber doch etwas smaughaft. Nicht ärgern lassen. Schönes Wochenende!

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