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Relativ exklusiv & nicht ganz Pflicht

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Berlin -

Die Welt ist Ansichtssache, Gesetze sind Auslegungssache. Deshalb gibt es Verträge und Gerichte. Manche schließen erstere, andere wollen erstere aufkündigen, manche drohen mit letzteren, andere ziehen vor letztere. Und im Wahlkampf wollen sowieso nicht alle das Gleiche. Im Wochenrückblick mehr darüber.

Ab Montag gilt die neue Hilfstaxe: Mehr Rabatt für die Kassen auf Ausgangsstoffe zur Zytoherstellung gegen höheren Arbeitspreis. Der Branchenverband VZA klagt über fatale wirtschaftliche Folgen für die Apotheken. Die ABDA dagegen lobt den Handel: Das Honorar der Apotheken hänge künftig stärker von der Arbeitsleistung ab als vom Wareneinsatz. Gleiche Chance für Groß und Klein, also keine Ausschreibungen mehr. Mal sehen, ob die Wette aufgeht.

Vielleicht hätte man sich das Opfer sparen können: Das Sozialgericht Darmstadt hat entschieden, dass das Wahlrecht der Versicherten über den Exklusivverträgen der Kassen steht. Der Apotheker bekommt sein Geld, auch Kollegen können hoffen, mit ihren Widersprüchen gegen bis zu sechsstellige Retaxationen durchzudringen. Doch es gibt auch Risiken: Am Ende des Verfahrens könnte der Gesetzgeber für diesen Bereich entweder die Möglichkeit von Ausschreibungen aus dem Sozialgesetzbuch streichen – oder die freie Apothekenwahl.

Gestrichen wurde bereits still und heimlich die Apothekenpflicht, zumindest bei der Belieferung von Praxen und Kliniken mit Medizinprodukten. Die neuen Regelungen der Medizinprodukteabgabeverordnung (MPAV) relativieren damit ein Grundprinzip des Apothekenrechts. Und begründen das Paradoxon der freiverkäuflichen Verschreibungspflicht.

Womöglich können die Ärzte mit dieser neuen Kategorie bald ihr Gehalt aufbessern. Zwar spendieren die Kassen abermals rund 800 Millionen Euro zusätzlich. Doch wenn man 5 Milliarden Euro fordert, muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, keines der selbst gesteckten Ziele erreicht zu haben. So könne es jedenfalls nicht weitergehen, sagte Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des NAV-Virchow-Bunds, und verlangte Konsequenzen bei der Honorarpolitik. Alles „im normalen Rahmen“ , findet dagegen KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Die KVen könnten ja noch nachgebessern.

Gründlich nachgebessert wurde in Bonn. Der Großhandel darf weiter nach 12 Uhr mittags die Apotheken in der Fußgängerzonen beliefern. Dass der Versorgungsauftrag gesetzlich verankert ist, überzeugte letztendlich, auch wenn der Unterschied zwischen Arzneimitteln und Markenjeans den Stadtvertretern erst erklärt werden musste.

In Grevenbroich sorgt eine Apotheke für Ärger, die es noch nicht einmal gibt. In einem ehemaligen Praktikermarkt soll eine Offizin entstehen, neben einem Drogerie- und einem Supermarkt. Der Eigentümer fände das gut, die Verwaltung aber nicht. Aus Sicht der Stadtväter würde eine Apotheke den Standort allzu attraktiv machen – und den Geschäften in der Innenstadt schaden. Gutachten hin oder her, der Streit geht vor Gericht.

Weiter nördlich in Bremen stand eine Apotheke in der Kritik: Die Apothekerin hatte das Schlankheitsmittel Formoline L 112 (Certmedica) an eine 13-Jährige abgegeben. Vor Gericht muss sie aber nicht, auch sonst hat sie als reuige Sünderin keine Folgen zu befürchten.

Ansonsten war die Woche geprägt von der Frage, wie notwendig Apotheker in den Augen der Parteien sind. Denn morgen wählt Sachsen. Die Alternative für Deutschland (AfD) wird es vermutlich in den Landtag schaffen. Unter Apothekern war die Anti-Euro-Partei relativ beliebt. Wie beliebt die Apotheker bei den jungen AfD-Mitgliedern ist, zeigte eine Umfrage: Jeder Dritte war gegen die Apothekenpflicht für OTC-Präparate. Immerhin: Knapp jeder zweite Teilnehmer sprach sich dafür aus.

Für den Leipziger Apothekernachwuchs könnte die Wahl ein Hoffnungsschimmer sein: Denn in Sachen Leipziger Pharmazie-Institut tut sich seit Jahren gar nichts. Nun heizen frei werdende Finanzmittel die Diskussion an. Ob die Gelder das Institut retten, hängt davon ab, wer gewinnt.

Ganz so konkret ist es in Brandenburg noch nicht. Aber auch hier nutzen die Apotheker die Landtagswahl im kommenden Monat, um zu erfahren, wie viel sie und ihr Nachwuchs den Parteien bedeuten: Weil die Wahlprogramme zu den Apotheken schweigen, hat die Kammer nachgehakt. Ein neuer Studiengang Pharmazie an der Universität Potsdam wird aber wohl zunächst noch ein schöner Zukunftstraum bleiben.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich in dieser Woche aus seinem Wahlkreis Neuss gewagt und schnupperte in Sachsen den Duft von Zukunft, Plänen und Wandel. Mal sehen, ob er Inspirationen für seine Arbeit im Bundesgesundheitsministerium gefunden hat. Dort wird er bald gebraucht, denn das Versorgungsgesetz wartet, auf das auch die Apotheker hoffen.

Zukunft ja, Wandel eher nein: Pünktlich zum geplanten Ausstieg stiegen die Kosten beim Rechenzentrum ARZ Haan so stark, dass der errechnete Firmenwert sinkt. Schlecht, dass der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) gerade jetzt Kasse machen will. Ein neutrales Wertgutachten müsse her, lässt Verbandschef Dr. Klaus Michels in Abwesenheit zur Hauptversammlung ausrichten.Doch die Allianz aus Apothekerverband Nordrhein (AVNR) und Deutscher Apotheker- und Ärztebank (Apobank) mauert. Womöglich landet auch dieser Konflikt demnächst vor Gericht.

Zu guter Letzt: Hilfsmittel sind kein „Wunschkonzert“, findet der Bayerische Apothekerverband und unterzeichnet einen neuen Liefervertrag, der ein Viertel der Pauschale kostet. Immerhin müssen die Apotheker nicht mehr ganz so viele Qualifikationen nachweisen. Ein kleiner Lichtblick in der Dunkelheit, finden viele Kollegen. Bei der Novellierung der Apothekenbetriebsordung wurden solche Ideen noch überhört.

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