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Mutti spritzt, Kürbis speit

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Berlin -

Reformationstag. Allerheiligen. Dazwischen Halloween: Irgendwo zwischen Besinnung und Partystimmung liegen die vergangenen Tage. Während Gläubige Kerzen entzünden, Monster ihre Partys feiern und Kassen Zusatzbeiträge ausrechnen, werden fleißig Arzneimittel bei ebay & Co. verscherbelt und mit Muttermilch Apotheken ausgeraubt. Da wird sogar dem Grusel-Kürbis übel.

Es ist nicht neu: Arzneimittel werden wie auf dem Flohmarkt angeboten. Während sich die Deutschen allzu gern über die Zustände in allen anderen Ländern dieser Welt echauffieren und sich nur vor der heimischen Flimmerkiste sicher und geborgen fühlen, gehen sie zeitgleich auf Schnäppchenjagd im Netz. Das Ganze ist ebenso dumm wie illegal. Nicht legal, aber egal: Staatsanwälte und Richter wollen mit den Untiefen des ebay-Medikamenten-Shoppings nichts zu tun haben.

Doch es gibt einen Hort von Ordnung und Rechtssinn: die Apothekerkammern. Aus dem Bedürfnis, dass alles artig geregelt wird, ziehen sie Saft und Kraft und ganz besonders Mitgliedsbeiträge. In Saarland darf die Kammer ab 2015 bisher vom Ministerium wahrgenommene hoheitliche Aufgaben in den Apotheken übernehmen. In Saarbrücken ist man stolz darauf und investiert kräftig in die Erweiterung der eigenen Räume. Besser jedenfalls, als wenn der TÜV solche Aufgaben übernommen hätte, heißt es aus Saarbrücken. Beifall.

Von Überwachung versteht auch der Fiskus einiges. Den Finanzbehörden ist es ein Graus, wenn Belege fehlen, Gesetze und Regeln nicht befolgt werden. Das kann teuer werden. Eine Apothekerin sollte zahlen, weil ihr Rechenzentren bei einem Software-Update die geforderten Daten zwar nicht frisiert, sondern gleich gelöscht hatte. Dem Finanzamt war das ein fetter Strafbefehl über 40.000 Euro wert. Am Ende einigte man sich vor Gericht auf 10.000 Euro.

Bestraft gehört das Management der AOK Hessen, die munter vor sich hin retaxiert; zuletzt besonders gerne bei Sterilrezepturen. Für die Kasse setzt es aber derzeit eine Klatsche nach der anderen. So stellte nun das Sozialgericht Darmstadt (SG) klar, dass die AOK ihren Versicherten das Recht auf freie Apothekenwahl nicht nehmen kann. Zuvor hatte die Kasse einem Apotheker die Zahlung eines höheren fünfstelligen Betrags verweigert.

Bestrafen lassen dürfen Verbraucher nun auch ihre lieb gewordene Hausbank. Insbesondere dann, wenn die sich im Rahmen ihrer Kreditvergaben in den vergangenen Jahren ganz entspannt mehr Provisionen in die eigene Tasche gesteckt hatte als sie gedurft hätte. Betroffen sind davon zigtausende Bankkunden, die nun klagen dürfen. Dabei dürfen sie aber nicht die Zeit aus den Augen verlieren. Also: Kürbissuppe auslöffeln und Kreditunterlagen durchblättern.

Beinahe überlesen hätte man den neuesten OTC-Verriss im ehemaligen Sturmgeschütz der Demokratie. Der frühere IQWiG-Chef Professor Dr. Peter Sawicki darf im Spiegel immer wieder seine persönliche Meinung über Sinn und Unsinn verordnender Ärzte und abgegebener Apotheker kund tun. Dass da nichts Gutes für die Heilberufler rauskommt, ist Teil des Redaktionskonzepts. Nur der Schock stellt sich nicht mehr ein, eher Gewohnheit. Schließlich wird im Wechsel immer eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Hoffnung? Irgendwann entdeckt Sawicki sicherlich auch ebay und fragt sich, was da eigentlich abgeht.

Während sich der Marburger Bund als Nischengewerkschaft von der geplanten Gesetzgebung der Bundesregierung bedroht sieht, bekommen die Mediziner Unterstützung von der AOK. Wolfgang Söller, Verwaltungsratschef in Bremen, findet den Vorstoß der ABDA mit ihrem Perspektivpapier 2030 unnütz. Er will nicht, dass die Rolle der Ärzte durch das Vorpreschen der Apotheker verändert wird. Im Übrigen würden die ja schon für genau solche Leistungen honoriert, die nun die Apotheker erbringen wollten.

Aufreger der Woche war der Rauswurf von Sanofi-Konzernchef Christopher Viehbacher. In gewohnter Manier wurde der Spitzenmanager erst öffentlich bloß gestellt und dann abserviert. In dem Machtkampf ging es angeblich auch um die französische Identität des Konzerns mit deutschen Wurzeln. Und um Stellenabbau und Einsparungen.

Sparen will man auch bei Celesio: Es sei „von grundlegender Bedeutung“, dass Kostenstruktur und Effizienz fortschreitend optimiert würden, hieß es vom neuen Konzernchef Marc Owen, der so viel Rabattschlacht nicht erwartet hatte: „Die zukünftige Entwicklung wird entscheidend davon geprägt sein, wie schnell [...] die internationale Plattform umgesetzt werden kann.“ Ein Team soll jetzt Potenziale identifizieren, Lösungen vorbereiten und die sukzessive Eingliederung von Celesio in die Organisationsstruktur von McKesson sicherstellen.

Einige teure Mitarbeiter ist der Konzern schon los, einige von ihnen sind nun bei Phoenix in verantwortlichen Positionen wieder aufgetaucht. Unterdessen schaute bei AEP der junge CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber vorbei. Die ansonsten eher schnörkellose Branche schmückt sich gerne mit politischem Besuch – diesbezüglich steht der Newcomer den Arrivierten also in nichts nach.

Ein bisschen Berühmtheit will übrigens auch die Noweda: Firmenchef Wilfried Hollmann hält zwar nichts von Apotheken-, wohl aber von Eigenmarken. Nahrungsergänzungsmittel sind das im Wesentlichen und ein Präparat, mit dem Apothekenkunden besonders toll abnehmen können.

In einer ganz anderen Liga spielt diesebezüglich Johnson & Johnson: Mit Regaine wird aus einen kahlen Schädel für den Hersteller ein Umsatzbringer. Auch Bayer, Merz, Galderma und Inneov haben Männer mit bestimmten Verlustängsten als Zielgruppe erkannt. Nun versucht der Hersteller von Bio-H-Tin, Dr. Pfleger, mit einem preisgünstigen Generikum im Haar-Wachtumsmarkt sein Glück.

Anderes Segment, ähnliche Situation: Nach der Trennung von ihren Vertriebspartnern haben sich Serumwerk Bernburg und Doublehill zusammengetan, um ihre Produkte in Ost und West in die Apotheken zu bringen. Ein Schlüsselprodukt ist neben Pulmotin das Mückenschutzmittel Doctan. Ob Anti-Brumm, Autan & Co. wirklich Marktanteile abgeben müssen?

Glück gehabt hat Stada mit Grippostad: Die berühmte Marke darf vermutlich bald auch für andere Erkältungsmittel genutzt werden – denn bei mehreren Wirkstoffen wüssten Patienten ohnehin nicht, was drin sei.

Eine Orientierungshilfe will solchen Kunden die Shop-Apotheke geben: Die Versandapotheke spuckt auf ihrer Internetseite zahlreiche Daten zu den Käufern bestimmter Produkte aus. Man lerne und staune: Die 20er-Packung Paracetamol von Hexal wird in zwei von drei Fällen an Frauen verkauft. Das Durchschnittsalter liegt bei 43,838 Jahren, wobei mehr als die Hälfte der Käufer zwischen 30 und 49 Jahre alt ist. Gekauft.

Und zum Schluss, für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, noch einmal die Nachricht der Woche. Denn die schuf eine ziemlich abgedrehte Apotheken-Diebin, die in Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern in die Schlagzeilen des Boulevards geriet. Bei ihrer „Shopping-Tour“ setzte die Dame das Apothekenpersonal einer Apotheke in Darmstadt hinter dem HV-Tisch mit gezielten Muttermilch-Spritzern außer Gefecht. Nach einem Griff in die Schütte verließ die räuberische Lady die Offizin halbnackt. Ein Fahndungsfoto gibt es bislang nicht.

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