Warzenmittel

Ärger mit der Eis-Banane

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Berlin -

Warum, warum ist die Banane vereist? Weil der Hersteller Hennig Arzneimittel zeigen wollte, wie punktgenau sich mit seinem neuen Produkt Wortie Warzen vereisen lassen. Dass die Werbeaktion mit einem Lebensmittel – ausgerechnet einer Banane – zumindest heikel ist, war der Marketingabteilung bewusst. Deshalb wurde in dem Anschreiben an Apotheken extra darauf hingewiesen, dass die Banane immer noch bedenkenlos gegessen werden kann. Trotzdem kam die Aktion nicht überall gut an.

Entwickelt wurde Wortie von der niederländischen Ingenieursfirma YouMedical. In den Niederlanden, Großbritannien und Skandinavien gibt es das Produkt schon seit etwa drei Jahren, für den deutschen Markt hat Hennig den Vertrieb übernommen. Mitte Januar wurde das Produkt eingeführt. Seitdem ist der 85-köpfige Außendienst bei Ärzten und Apotheken unterwegs, um das Gerät vorzustellen.

Wie bei anderen Produkten in diesem Indikationsgebiet werden die Warzen vereist, das betroffene Gewebe stirbt ab und fällt innerhalb von zwei Wochen ab. Bei Wortie wird ein Metallstab von innen mit flüssigem Stickstoff auf -24°C heruntergekühlt, das Gas kommt nicht mit der Haut in Kontakt. Die sogenannte Kryotherapie kommt auch in Arztpraxen zur Anwendung. Mit Wortie sei auch in der Selbstmedikation eine punktgenaue Vereisung möglich, so Hennig. Anders als bei Applikatoren der Konkurrenz gebe es keine schmerzhaften „Kollateralschäden“ im umliegenden Gewebe, so der der Hersteller.

Um dies in der Praxis zu demonstrieren, kam Hennig die Idee mit der Banane. Deren Schale wird bei niedrigen Temperaturen dunkel, was jeder weiß, der Bananen im Kühlschrank aufbewahrt. An der Demonstrationsbanane ist die mit Wortie vereiste Stelle komplett schwarz, die Ränder sind scharf abgegrenzt. Die Flecken der angeblich mit den Geräten der Konkurrenz vereisten Stellen sind dagegen ungleichmäßig und ausgefranst.

Der Außendienst sollte die Vereisung in der Apotheke vorführen. Doch trotz der für einen Mittelständler beachtlichen Mannschaft konnten nicht alle Apotheken sofort besucht werden. Einige hundert bekamen die Banane daher mit der Post geschickt – was teilweise für Ärger sorgte. „Eine Banane als Werbeträger geht gar nicht. Es gibt viele Menschen auf der Welt, die Hunger leiden, und diese Firma schickt Lebensmittel in einen Pappkarton durch die Gegend. Die glauben doch nicht ernsthaft, dass die Banane noch jemand isst“, empört sich eine Apothekerin.

Hennig-Marketingchef Dr. Tom Waldmüller zufolge gab es nur vereinzelt Beschwerden, die man im Unternehmen gleichwohl sehr ernst nehme. Die Aktion sei vorab intern lange diskutiert und mit der Geschäftsleitung abgestimmt worden, so Waldmüller. Es habe keine Probleme gegeben, wenn der Außendienst die Vereisung vor Ort vorführen konnte. Die Banane sei dann immer gleich gegessen worden.

Gegenüber den nicht besuchten Apotheken versicherte Hennig im Begleitschreiben, dass die vorbehandelte Banane bedenkenlos verzehrt werden könne, lediglich die Schale sei lokal vereist worden. Heute hat der Hersteller eine Erklärung nachgeschoben, dass sich die Funktion des Stabes nur an einem lebendigen Objekt – hier einer kälteempfindlichen Banane – demonstrieren lasse.

Trotzdem entschuldigt sich der Hersteller bei Apotheken: „Sollten wir trotz unserer Erklärung Ihre persönlichen Wertvorstellungen mit dieser Form der Werbung verletzt haben, bitten wir Sie hiermit vielmals um Verzeihung“, heißt es in der Stellungnahme. Die Werbeaktion sei „zugegebenermaßen etwas ungewöhnlich“, einer „Vernichtung von Lebensmitteln“ leiste man aber keinerlei Vorschub.

Dennoch könnte die Konkurrenz die Aktion ausnutzen, um Stimmung gegen den Newcomer zu machen. Mit Wartner (Omega) und Verrukill (Ratiopharm) gibt es schon zwei Warzenvereiser auf dem Markt. Vor allem Omega hat dem Neuling den Start nicht gerade leicht gemacht: Das in einer Wartner-Werbung gezeigte Kondom sollte den Unterschied betonen, dass der Applikator nach jeder Anwendung ausgetauscht wird, der Metallstift bei Wortie dagegen nicht. Tenor: Es gibt Dinge, die benutzt man nur einmal.

Bei Hennig weist man diese Kritik zurück: Der blanke Metallstift sei extrem einfach zu sterilisieren. Überdies sei die zu vereisende Stelle bei einer zweiten Anwendung ohnehin mit Papillomaviren infiziert – und das Gewebe werde zerstört. Die Wirkung des Metallstabes sei präziser und tiefer und entspreche dem Standard in Arztpraxen.

Der Markt ist für Hennig interessant: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 2,3 Millionen Packungen im Wert von 12,5 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) umgesetzt. Davon entfallen nach Umsatz 36 Prozent und nach Absatz 16 Prozent auf Vereisungsmittel – deren Preis ist mit durchschnittlich 12 Euro fast dreimal so hoch wie der der säurehaltigen Lösungen.

Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren dank zahlreicher Neueinführungen verändert. Omega ist mit Wartner und Clabin Branchenprimus: Das 2006 eingeführte Vereisungsspray kam zuletzt auf einen Marktanteil von 30 Prozent nach Umsatz; unter der Marke gibt es seit 2011 auch einen säurehaltigen Stift, der weitere 5 Prozent ausmachte. Die Lösung mit Milchsäure und Salicylsäure wird bereits seit den 1990er Jahren vertrieben und kam 2014 – bei doppelt so vielen Packungen – auf 20 Prozent.

Meda hatte Endwarts 2013 eingeführt und kam zuletzt auf 18 Prozent. Ganz neu ist der Pen, mit dem die Ameisensäure punktgenau auf die Warze aufgetragen wird. Beiersdorf lag 2014 mit Guttaplast bei 11 Prozent; nach Packungen liegt das in den 1970er Jahren eingeführte Pflaster sogar auf Rang 2.

Von untergeordnete Bedeutung sind die ebenfalls bereits etwas in die Jahre gekommenen Tropfen von Warz-ab (Ohropax), Duofilm (GlaxoSmithKline) und Verrucid (Galenpharma). Obwohl sich Ratiopharm mit Verukill namentlich eng an den Klassiker angelehnt hat, konnte das 2009 eingeführte Vereisungsspray bislang keine große Bedeutung erlangen.

Hennig will mit erklärungsbedürftigen Produkten im OTC-Bereich ein weiteres Standbein aufbauen. Wortie zählt in diese Gruppe, ebenso Licener. Entwickelt wurde das Läusemittel von Professor Dr. Heinz Mehlhorn von der Universität Düsseldorf. Das gleiche gilt für das Zeckenmittel Viticks, das Hennig ganz neu im Sortiment hat. Nährstoffkonzepte und Nahrungsergänzungsmitteln mit chinesischen Vitalpilzen gehören ebenfalls zum Portfolio.

Hennig ist ein Familienunternehmen mit einer 117-jährigen Geschichte. Im Rx-Segment ist man in den Bereichen Schwindel/Gleichgewichtsstörung nach eigenen Angaben Marktführer. Das Unternehmen aus dem hessischen Flörsheim bietet auch regelmäßig bei Rabattverträgen mit. Namhafte Konkurrenten nutzen Hennig zudem als Lohnhersteller, etwa für Retardtabletten.

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