Pharmakonzerne

Steuergesetze: Pfizer sagt Allergan ab

, Uhr aktualisiert am 06.04.2016 13:51 Uhr
Berlin -

Der weltweit größte Pharmadeal ist geplatzt. Nachdem die US-Regierung neue Maßnahmen gegen die Steuerflucht von Großkonzernen verabschiedet hat, hat Pfizer jetzt Allergan abgesagt. Der Verkauf der Generikasparte von Allergan – vormals Actavis/Watson – soll aber durchgezogen werden.

Wie Pfizer mitteilt, habe man sich mit Allergan auf eine Beendigung des Übernahmeprozesses geeinigt. Konzernchef Ian Read sagte, man habe die Transaktion aus einer Position der Stärke heraus angepeilt und die Fusion als Möglichkeit gesehen, die bisherigen Strategien zu beschleunigen. Nun behalte man die finanzielle Kraft und Flexibilität, um attraktive Möglichkeiten in Sachen Geschäftsentwicklung und Kapitaleinsatz zu nutzen.

Bis zum Ende des Jahres soll entschieden werden, ob Pfizer in die Bereiche patentgeschützte und patentfreie Präparate aufgespalten wird. Dies sei die Fortsetzung des Weges, den man vor dem Deal mit Allergan eingeschlagen habe. Für Pfizer ist die Absage mit zusätzlichen Kosten von 150 Millionen Dollar verbunden. Nach Medienberichten war für den Fall, dass der Konzern den Deal platzen lässt, eine Vertragsstrafe von 400 Millionen US-Dollar vorgesehen.

Allergan-CEO Brent Saunders erklärte, dass man zwar enttäuscht sei, mit einer der stärksten Pipelines in der Branche aber in einer starken Position sei, um auch alleine zu wachsen. Am Verkauf der Generikasparte an Teva hält Allergan fest; allerdings sollen nach Abschluss der Transaktion im Juni alle verbleibenden Strukturen hinsichtlich einer möglichen Vereinfachung auf den Prüfstand. Auf Allergan selbst hätten die neuen Steuergesetze keine Auswirkungen.

Pfizer wollte Allergan für rund 160 Milliarden US-Dollar übernehmen. Nach Medienberichten haben sich bei ausländischen Tochterfirmen rund 128 Milliarden Dollar angesammelt, die bei einer Gewinnausschüttung in den USA besteuert würden. Durch ein geschicktes Fusionsmodell sollten die Pfizer-Aktionäre nach der Fusion 56 Prozent an der bisherigen Dachgesellschaft von Allergan mit Sitz in Irland halten.

Ende 2014 hatte Actavis den Botox-Hersteller für 66 Milliarden US-Dollar gekauft. Im vergangenen Jahr nahm der Konzern den neuen Namen an, um sich kurze Zeit später von seinem ehemaligen Kerngeschäft zu trennen: Die komplette Generikasparte soll für 40,5 Milliarden US-Dollar an Teva gehen.

Vor vier Jahren kaufte der US-Generikakonzern Watson den bis dahin isländischen Konkurrenten Actavis, bei dem infolge der Finanzkrise die Deutsche Bank die Macht übernommen hatte. Watson nahm den neuen Namen an – um kurz darauf das Europageschäft an Aurobindo zu verkaufen. Im Herbst 2014 legte der Konzern dann die Rekordsumme von 66 Milliarden US-Dollar für Allergan auf den Tisch und nahm abermals den neuen Namen an.

Seit Jahren müssen die US-Steuerbehörden zusehen, wie Großkonzerne ihren Sitz ins Ausland verlegen und so den Staat um Milliardeneinnahmen bringen. Valeant ging nach Kanada, Mylan zog es in die Niederlande, oft zieht es die Firmen aber nach Irland. Die jüngste Übernahmewelle im Pharmabereich fußt ganz wesentlich auf Finanzierungsmodellen, die zu Lasten des Steuerzahlers gehen.

Erwirtschaftet ein US-Unternehmen Gewinne im Ausland, ist es meist ratsam, diese nicht an die Zentrale in den USA zu transferieren, um den dort üblichen Steuersatz von 35 Prozent zu vermeiden, auch wenn dieser durch legale Sparmodelle meist auf 20 bis 30 Prozent gedrückt werden kann. So konnten die Konzerne Steuern sparen, indem sie mit dem im Ausland angesparten Vermögen andere Firmen aufkauften – und anschließend ihren Firmensitz gleich ins Exil verlegten. In den vergangenen Jahren hat es zahlreiche solcher „Tax Inversion Deals“ gegeben.

Das US-Finanzministerium hatte bereits mehrfach die Daumenschrauben angezogen, um es US-Konzernen schwerer zu machen, ihre Zentrale in Länder mit niedrigeren Steuersätzen zu verlagern. Abbvie musste die geplante Shire-Übernahme platzen lassen, nachdem die US-Behörden im September 2014 neue Steuerregeln eingeführt hatten. Der Konzern hätte durch einen Umzug nach Irland seine jährliche Steuerquote um bis zu 7 Prozent reduzieren können – stattdessen mussten nun 1,6 Milliarden Dollar als Entschädigung an Shire überwiesen werden. Das wiederum ermöglichte dem britischen Hersteller, ein Angebot für Baxalta vorzulegen.

Jetzt hat US-Finanzminister Jack Lew weitere Maßnahmen angekündigt, mit denen die Steuerflucht verhindert werden soll. Zinsen auf Kredite innerhalb der Konzerne, die sich nicht rechtfertigen lassen, sollen nicht mehr in dem Maße anerkannt werden wie bisher. Außerdem sollen Steuervorteile nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn die Größenverhältnisse nicht stimmen.

Nach den neuen Plänen der US-Regierung würde der Deal gleich an verschiedenen Stellen torpediert. So könnten der bisherigen Fusionen von Allergan nicht in vollem Umfang steuerlich anerkannt werden, wodurch der rechnerische Anteil der Pfizer-Aktionäre am neuen Gesamtkonzern so groß würde, dass Steuervorteile entfielen.

Auch bei Walgreens Boots Alliance (WBA) hatte man im Vorfeld der Fusion über eine Verlegung des Sitzes nachgedacht. Bei einem Geheimtreffen in Paris wurde über das Für und Wider eines formalen Firmensitzes in der Schweiz gesprochen, am Ende entschied man sich aus Vorsichtsgründen dagegen. Zwar hätte der Gewinn je Aktie um drei Viertel steigen können; doch drohte ein massiver Imageschaden: Als Einzelhandelskette mit rund 8000 Filialen hätte sich der Konzern nicht so einfach davon schleichen können wie so mancher Pharmahersteller. Alliance Boots stand in Großbritannien bereits im Visier von Aktivisten, die sich gegen die Steuerflucht von Unternehmen wenden. Allerdings sind Großaktionäre wie Stefano Pessina oder KKR mit ihren Finanzdrehscheiben in Steueroasen wie Gibraltar, Monaco, Luxemburg und Cayman Islands regelrecht zu Hause.

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