Großhändler

Online-Shop für Kurzläufer

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Berlin -

Um sich das eigene Preisgefüge nicht zu ruinieren, setzen Hersteller und Großhändler bei Produkten nahe dem Verfall in der Regel auf Zwischenhändler. Feste Regeln oder Ansprechpartner gibt es in dem Markt bislang nicht. Der Spezialgroßhändler Max Pharma wittert seine Chance und bietet sich als „Totale Resterampe“ den Herstellern und Apotheken an – mit einem Augenzwinkern in Richtung Politik.

Über seinen neuen Online-Shop stellt der Shortliner seinen Kunden Spotware zu Konditionen unterhalb des Listenpreises zur Verfügung. „Klick & Kauf ist das Motto“, heißt es vom Unternehmen. Zunächst seien ausschließlich Arzneimittel im Shop erhältlich, die nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterlägen.

Werden zu Beginn nur Zytostatika angeboten, sollen später weitere biopharmazeutisch hergestellte Produkte zum Einsatz für Sterilrezepturen dazu kommen, aber auch Medizinprodukte wie etwa Vakuumpumpen oder sogar OTC-Präparate. Max Pharma will mit Herstellern sprechen, zwei Anfragen von Firmen gebe es bereits.

Von den derzeit rund 140 Zyto-Apotheken im Kundenstamm hätten sich seit dem Start des Portals vor zwei Wochen bereits zehn registriert. Der Mindestbestellwert für eine versandkostenfreie Lieferung liegt bei 14,95 Euro. Bestellt werden kann nur online, Retouren sind nicht möglich. „Wir bieten keinen Service, es ist nur billig“, sagt Firmenchef Michael Kretzer über sein Angebot.

Nach ersten positiven Erfahrungen sehe man eine gute Chance, eine Plattform für schwierige Produkte zu werden. Bislang sei der Markt mit Kurzläufern sehr heterogen und desorientiert, sagt Kretzer, es gebe keine Strukturen. „Jetzt haben Hersteller eine feste Adresse.“

Die Kurzläufer werden an das Zentrallager in Gattendorf bei Hof geliefert und über die Plattform angeboten. Nicht verkaufte Ware geht nach Ende der Verfallszeit zur Vernichtung an den Hersteller zurück. „Das ist deshalb ein bisschen holzig, weil die Rechtslage eine entscheidende Rolle spielt. Wir müssen im Rahmen des Arzneimittelgesetzes agieren, nicht im Namen Dritter. Wir übernehmen für die Arzneimittel die Verantwortung“, sagt Kretzer.

Die Reaktionen der Hersteller seien überraschend positiv: „Es hieß, bislang gebe es keinen Anlaufpunkt für solche Produkte“, so Kretzer. „Wir wollen aber noch abwarten, wie die Reaktion der Endkunden ist und wie der technische Ablauf funktioniert.“ Wenn die Nachfrage der Produzenten und Kunden groß sei, passe man sich entsprechend an.

Laut Kretzer gibt es einen Markt für Produkte nahe dem Ablaufdatum: Für die Hersteller ließe sich der Schaden durch Verfallware begrenzen: „Dahinter steckt ein Verlust, den es zu minimieren gilt.“ Für die Apotheker bedeute das Angebot ein Einsparpotenzial.

Das Risiko, dass die kurzen Haltbarkeitszeiten zu einem Lagerverlust führen könnten, sieht er nicht: In der Onkologie würden die Arzneimittel oft am nächsten Tag verbraucht. Kaum eine Apotheke kaufe auf Vorrat. Selbst wenn etwas verfalle, entstehe wegen der niedrigen Preise kein Schaden.

Besonderheiten im Markt wie der scharfe Wettbewerb im Zytostatika-Bereich könnten das Geschäftsmodell nicht beeinträchtigen. „Der onkologische Markt ist gekennzeichnet von immer neuen Herstellern in einem Segment, das bereits überversorgt ist“, sagt Kretzer. Kurzläufer seien dafür ein Ausdruck, diese Entwicklung werde noch zunehmen.

Sein Konzept sieht er als Last-Minute-Angebot für Apotheken – und als Antwort auf die Hilfstaxe gleichermaßen: Die Politik habe das Maß verloren und kenne offensichtlich die Wertigkeit von Medikamenten nicht mehr: „Für mich ist es ein ganz großes Ärgernis, wie die Politik mit Medikamenten für lebensbedrohliche Krankheiten umgeht“, sagt Kretzer.

Das Design der Website solle daher den Verantwortlichen den Spiegel vorhalten: Er wolle die „schrottigste Seite“, um damit die Realität optisch abzubilden. „Unser Erscheinungsbild entspricht der Politik“, sagt Kretzer. Die Firmen hätten sich alle wiedergefunden. „Als ob sie zu Hause angekommen wären.“ Das sei überraschend gewesen und habe ihn bestärkt. „Wir sind frech, dreist, und frohen Mutes“, sagt Kretzer.

Max Pharma beschäftigt rund 25 Mitarbeiter und erwirtschaftete zuletzt Umsätze von 45 Millionen Euro. Mit einem Marktanteil von rund 5 Prozent im ambulanten onkologischen Markt liegt Max Pharma deutlich hinter der Boots-Tochter Megapharm. Weitere Wettbewerber sind Axios, Cranach und Omnicare; neben den Generikaherstellern, die direkt liefern, sind durch den Belieferungsanspruch auch die Vollsortimenter seit einigen Jahren verstärkt im Geschäft.

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