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Galderma: Leitfaden für Kosmetik-Ärzte

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Berlin -

Die Produkte von Galderma sind apothekenexklusiv – aber auch bei Ärzten zu beziehen. Der Verkauf von Produkten in der Praxis ist berufsrechtlich nicht unproblematisch. Die Nestlé-Tochter rüstet deshalb die Mediziner und gibt ihnen in einer Broschüre zweifelhafte Tipps, wie sie juristisch und betriebswirtschaftlich mit dem Thema umgehen können.

Galderma verweist auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH). Im Mai 2008 habe Karlsruhe „höchstrichterlich bestätigt, dass Ärztinnen und Ärzte in den Räumen der Praxis eine gewerbliche Tätigkeit ausüben und durchführen dürfen, bei der auch Produkte abgegeben werden“, so der Herstelller.

Im damaligen Fall ging es um Ernährungsberatung und die Auslegung der Berufsordnung für Ärzte in Hessen. Im Urteil heißt es: „Ein Arzt, der in den Räumen seiner Praxis eine gewerbliche Ernährungsberatung durchführt, handelt weder berufsrechtswidrig noch wettbewerbswidrig, wenn er diese Tätigkeit im Übrigen von seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht getrennt hält.“

Laut BGH soll so verhindert werden, dass das besondere Vertrauen in den Arztberuf zur Verkaufsförderung von Produkten missbraucht werde, die die Patienten nicht notwendigerweise für die Behandlung bräuchten. Im spezifischen Fall der Ernährungsberatung wurde argumentiert, dass Übergewicht zwar nicht stets krankhaft sei, aber eine Ernährungsberatung die medizinischen Erkenntnisse berücksichtigen sollte.

Ein weiteres BGH-Urteil vom Juli 2009 stellt laut Galderma klar, dass die Abgabe auch während der Sprechzeiten erfolgen darf, wenn dies zum notwendigen Bestandteil der ärztlichen Therapie gehört. Dem Arzt stehe dabei ein „erhebliches therapeutisches Ermessen“ zu.

In dem Fall ging es um einen Augenarzt, der die Patienten in seiner Praxis unter rund 60 Musterbrillen einer bestimmten Firma auswählen ließ und sogar die Einmessung durchführte. Der BGH hatte den Fall allerdings an die Vorinstanz zurückgewiesen, weil aus seiner Sicht die Vermittlung an die Optikerfirma „ohne hinreichenden Grund“ nicht erlaubt ist. Auch die Einmessung oder sogar Abgabe sei womöglich nur als „notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie“ zulässig.

Am Ende wurde das Modell verboten, auch weil der BGH in seinem Urteil klargestellt hatte, dass merkantile Gesichtspunkte grundsätzlich vom Heilauftrag zu trennen seien.

Galderma beruft sich trotzdem auf das Urteil und spannt den Bogen so weit, dass großzügig die eigenen Produkte mit eingeschlossen sind: „Diese höchstrichterliche Rechtssprechung hat festgelegt, dass auch in der Praxis während der Sprechstundenzeiten aus medizinischen Gründen (und das entscheidet nur der Arzt selber) und im therapeutischen Ermessen Produkte, z.B. Cetaphil, an Patineten, abgegeben werden dürfen.“

Auch betriebswirtschaftliche Tipps hat Galderma parat: So wird dem Arzt geraten, „medizinische Fachangestellte oder anderes Hilfspersonal aus seiner Praxis im Gewerbe als Verkäufer/in zu beschäftigen“, nicht aber ärztliches Personal. „Der Arzt sollte seiner Mitarbeiterin (schriftlich) eine Nebentätigkeit während der Praxiszeiten erlauben, damit diese den kaufmännischen Bereich, wie Produktabgabe, Abrechnung, etc. übernehmen kann“, heißt es in der Broschüre.

Hinweise zur praktischen Ausgestaltung folgen: Geeignet sei ein „Arbeitsvertrag auf Abruf auf 400-Euro-Basis mit einer pauschalierten Versteuerung der Einkünfte durch den Arbeitgeber“. Die Gesamtkosten für den Arbeitgeber betrügen damit rund 520 Euro im Monat.

Eigentlich bewirbt Galderma die Marken der Vertriebslinie Spirig als apothekenexklusiv. Doch Produkte wie Excipial Hydrolotion und Cetaphil Gesichtspflege werden auch direkt in Arztpraxen an die Kunden verkauft. Im Wartebereich gibt es mitunter Aufsteller mit den Produkten.

Apotheker sprechen von aggressiven Praktiken in diesem Bereich. Regelmäßig versorge der Galderma-Außendienst die Praxen der Dermatologen mit Mustern, heißt es. Abgewickelt wird das Geschäft über die Firma DVG Gesundheitslogistik, die zur GHD Gesundheits GmbH gehört.

Die Ware wird über Trans-o-flex in Großkartons direkt an die Arztpraxen geliefert, diese stellt teilweise auch die Quittungen aus. Mitunter werden die „Kosmetikinstitute“ auch von den Ehefrauen der Mediziner betrieben.

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