Walgreens/Boots

Gläserne Berge für globale Ketten

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Berlin -

Als die US-Apothekenkette Walgreens Anfang August den zweiten Teil der Übernahme von Alliance Boots ankündigte, brach der Aktienkurs ein. Denn während Konzernchef Greg Wasson gemeinsam mit Stefano Pessina über die Zukunft des globalen Pharmahandels fabulierte, mussten in der Konzernzentrale zwei Vorstandsmitglieder wegen eines Milliardenfehlers bei der mittelfristigen Umsatzprognose ihren Hut nehmen. Nicht aus der Bahn werfen lassen, lautet Wassons Devise. Nach vorne blicken. Ganz weit nach vorne.

370 Großhandelsniederlassungen mit 180.000 Kunden, 12.400 eigene Apotheken, 130 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz und bis zu 9 Milliarden Dollar Gewinn: Wenn Wasson und Pessina den ersten globalen Apothekenkonzern in Zahlen fassen, kann einem schwindelig werden. Andererseits: Wer in solchen Dimensionen denkt, verliert offenbar im Kleinklein des Alltags selbst schnell den Überblick.

Im Juli musste Walgreens seine Prognose für das Jahr 2016 korrigieren: Statt 8,5 Milliarden Dollar würde das Apothekengeschäft in den USA nur 7,4 Milliarden Dollar in die Kasse spülen. Finanzchef Wade Miquelon hatte im April 2010 – also zwei Monate vor Bekanntgabe der Fusion mit Boots – bei den Berechnungen die jährlichen Anpassungen bei den Generikapreisen vergessen. Nicht nur Miquelon wurde vor die Tür gesetzt; auch Kermit Crawford, verantwortlich für das gesamte Apothekengeschäft, verlässt den Konzern zum Jahresende.

Und damit nicht genug, musste Walgreens auch noch verkünden, dass ein Umzug in steuerlich günstigere Gefilde doch nicht infrage kommt – das Management hatte lange sondiert und sich dann dem wachsenden gesellschaftlichen und politischen Druck gebeugt. Wie aber übersteht man eine solche Krise, wenn man eigentlich als globaler Branchenprimus gefeiert werden will?

In seinem Blog gab Wasson die Parole aus: Fokussieren! „Wir haben viel Arbeit zu erledigen, vor uns liegen großeartige Möglichkeiten. Also wird es Zeit, all die Störgeräusche von Medien, Politikern und von den Finanzmärkten auszublenden. Sie haben sich geäußert, und die Reaktionen waren das, was wir erwartet haben.“

Seine Forderungen an die Belegschaft daher: „Seid offen für Veränderungen: Der permanente Wandel gehört zum Leben (nicht nur bei Walgreens), und wir müssen unser Bestes tun, um die Dinge zu nehmen wie sie kommen und die Chancen zu nutzen, die sich bieten. Seid geduldig: Wir haben noch nicht alle Antworten, aber wir tun unser Bestes, um Euch über jeden Schritt des Weges zu informieren.“

Und weiter: „Gebt Gas: Wir werden jeden brauchen. Fragt Euch in jeder Situation: 'Was kann ich persönlich tun, damit wir unsere Ziele erreichen.' Seid mutig: In dieser Welt ist auf Nummer sicher gehen das Unsicherste, was man tun kann. Seid ausdauernd: Macht weiter Druck. Fokussiert Euch auf das Ziel und lasst nicht nach.“

Der Konzernchef räumt ein, dass es jetzt und auf absehbare Zeit „etwas ruckeln“ und dass es auch Zweifler geben wird. Doch davon sollen sich die Angestellten nicht verunsichern lassen. Schließlich hätten er und sein „Freund und Mentor“ Pessina eine klare Vision.

Laut Wasson wird Walgreens Boots Alliance das Modell des Einzelhandels für Gesundheit und Wohlbefinden komplett verändern. Außerdem sollen die Apotheker besser integriert werden, damit sie innovative Dienstleistungen anbieten können. Und auf der Einkaufsseite geht es um nicht weniger, als die pharmazeutische Wertschöpfungskette neu zu definieren.

Weil aber Ideen wie die Einführung der Boots-Generikamarke Almus oder der Apothekenkooperation Alphega in den USA das große Ganze nicht im Ansatz erahnen lassen, gab Wasson seinem Team eine Geschichte mit auf den Weg: Bei einer Mitarbeiterversammlung berichtete er, wie er vor seinem ersten Bosten-Marathon von einem älteren Läufer ermutigt wurde, auch bei bergigen Streckenabschnitten durchzuhalten. „Greg, was Du tun musst, ist Folgendes: Du musst durch die Berge hindurchsehen, wenn Du Dich ihnen näherst. Denk nicht an diese Berge. Lauf einfach durch sie hindurch und denk an die andere Seite.“

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