Zyto-Verträge

Apotheker lassen Praxen hängen

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Berlin -

Die Politik ist nicht mehr überzeugt von den Zyto-Verträgen der Krankenkassen: Die Regierung will zurück zur freien Apothekenwahl und plant eine Gesetzesänderung. Der Kassendienstleister SpectrumK hält seine Open-house-Verträge für die richtige Antwort. Doch in der Praxis zeigen sich auch bei diesem Modell gravierende Schwächen.

SpectrumK hatte einen anderen Weg gewählt als beispielsweise die AOK oder die Ersatzkassen: Bei den Open-house-Verträgen gibt der Kassendienstleister die Konditionen vor, zu denen dann jede Apotheke liefern kann, die die Bedingungen erfüllt. Dazu wurde das Bundesgebiet in 788 Regionallose aufgeteilt. Damit wollte SpectrumK die Regionalität und Flexibilität erhalten.

Schwierigkeiten gab es schon, bevor es richtig los ging: Längst nicht in allen Regionen hatten sich Apotheken gemeldet, so dass diese Losgebiete geschlossen werden mussten. Ein späterer Beitritt ist nur möglich, wenn sich zum Start mindestens eine Apotheke gemeldet hatte. Einzelne Apotheken haben sich dagegen auf zahlreiche Lose beworben. Der Extremfall ist ein Apotheker aus Bayern, der in 35 Gebietslosen seinen Beitritt erklärt hat und damit bis zu 86 Praxen versorgen könnte.

Der plötzliche Start nach dem langen Wochenende Anfang Oktober tat sein Übriges: Vielerorts waren die Zuständigkeiten nicht klar. Die Onkologen wussten teilweise nicht, bei wem sie neuerdings bestellen mussten. Apotheken ohne Vertrag wussten nicht, ob sie noch liefern dürfen. Besonders Perfide: In nicht vergebenen Gebietslosen sind die Apotheken de facto zur Lieferung verpflichtet. Weil Chaos in den Praxen drohte, gewährte SpectrumK eine Übergangsfrist von zwei Wochen.

Doch trotz des Aufschubs hakte es weiter: SpectrumK hat Ärzten zufolge in einigen Fällen die betroffenen Praxen nicht über die ab dem 17. Oktober versorgende Apotheke informiert. Zum Teil hatten sich zudem offenbar Apotheken registriert, die anschließend aber keine Versorgung übernehmen wollten. „Eine Apotheke im Raum Hannover meldete sich nicht einmal in den Praxen“, berichtet ein onkologisches Zentrum. Der Apotheker habe auf Nachfrage vielmehr mitgeteilt, dass er kein Interesse an der Versorgung habe, die aktuell versorgende Apotheke sollte sich doch selbst bei SpectrumK eintragen lassen, damit die Versorgung sicher gestellt sei.

Ein Apotheker aus Goslar hatte sich für mehrere Lose im Raum 80 Kilometer entfernten Göttingen eingetragen. Dem Vernehmen nach hat SpectrumK dem Apotheker gekündigt, als Betroffene wegen der Entfernung nachfragten. Der Apotheker wollte es sich auf Nachfrage dazu nicht äußern, da es sich um ein schwebendes Verfahren handele.

SpectrumK beantwortet Detailfragen zu den Verträgen ebenfalls nicht. Vom Kassendienstleister gibt es nur die schriftliche Mitteilung: „Wir bewerten den Verlauf unseres Open-House-Verfahrens ausgesprochen positiv.“

Ende vergangener Woche hatte sich SpectrumK sogar öffentlich für das eigene Modell gefeiert, das „eine hochwertige und wohnortnahe Versorgung der Menschen“ sicherstelle. Im Gegensatz zur exklusiven Ausschreibung forderten die eigenen Verträge keine „Umsteuerung von den verordnenden Ärzten zu anderen Apotheken“. Wegen der vorab bekannten Vertragskonditionen hätten die Apotheker Kalkulations- und Planungssicherheit. Das Angebot werde „von Apothekern und Ärzten breit akzeptiert und gut angenommen“. Schon 170 Vertragsapotheken hätten sich zur Lieferung verpflichtet – „und es werden täglich mehr“, so SpectrumK-Chef Yves Rawiel.

In der Praxis ist die Wahrnehmung eine andere: Im Kölner Raum drohte die Versorgung laut einer Apothekerin mehr oder weniger zusammen zu brechen, weil die Praxen nicht wussten, woher sie die Sterilrezepturen bekommen sollten. Erst als die Onkologen und ihre bisher liefernden Apotheken Alarm schlugen, erteilte SpectrumK in mehreren Fällen Ausnahmegenehmigungen. Diese gelten vorerst bis Ende des Monats.

Die Planung sei eine Katastrophe gewesen, sagt die Apothekerin. Sie ist dem Vertrag nicht beigetreten, musste die Versorgung aber trotzdem übernehmen, weil sich auch hier die Vertragsapotheke nicht beim Arzt gemeldet hatte. „SpectrumK hatte einfach Glück, dass wir eingesprungen sind. Denn natürlich lassen wir unsere Patienten nicht hängen“, sagt sie.

Die Apotheke habe viel telefoniert, um die Versorgung zu ermöglichen, die betroffenen Praxen ebenfalls. „Aber das dankt einem natürlich bei SpectrumK keiner. Und am Ende heißt es nur wieder, dass doch alles ganz toll geklappt hat“, so die Apothekerin. SpectrumK habe ihr telefonisch nur nahegelegt, den Verträgen doch einfach beizutreten. „Ich sehe nur noch Qualitätsverlust“, so die Apothekerin.

Eine Kollegin aus dem Rheinland bestätigt dies. Auch hier musste sich die Praxis die Versorgung selbst organisieren. Die bislang liefernden Apotheken erhielten eine Ausnahmegenehmigung. Die Apothekerin geht davon aus, dass diese noch einmal verlängert werden muss.

Die Probleme könnten sich legen, wenn tatsächlich mehr Apotheken beitreten. Die Onkologen machen teilweise auch Druck auf ihre bisherigen Lieferapotheken, genau das zu tun. Doch zum Start hatte sich in den allermeisten Losen nur eine einzige Apotheke gemeldet, so dass die Probleme noch eine Weile anhalten dürften.

Ist eine Vertragsapotheke nicht lieferfähig, muss sie eine andere Apotheke benennen, die Sterilrezepturen herstellen kann. Ist diese dem Vertrag nicht beigetreten, rechnet sie ganz normal zur Hilfstaxe ab. Die Differenz zum sonst gewährten Rabatt kann SpectrumK von der lieferunfähigen Vertragsapotheke einfordern. Inwiefern bereits Schadenersatzansprüche geltend gemacht wurden, wollte der Kassendienstleister auf Nachfrage aber ebenfalls nicht verraten.

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