Sterilrezepturen

Pfusch-Apotheke: BfArM schlägt Alarm

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Berlin -

Der Skandal um mutmaßlich gestreckte Sterilrezepturen zieht weitere Kreise. Jetzt schlägt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Alarm: Weil in der Apotheke offenbar auch Präparate für klinische Studien zubereitet wurden, müssen womöglich ganze Prüfprogramme wiederholt werden. Die Behörde fordert die betroffenen Sponsoren auf, sich umgehend zu melden.

Laut BfArM wurde in der Apotheke in Bottrop nicht nur Sterillösungen für Krebspatienten hergestellt beziehungsweise rekonstituiert, sondern auch Prüfpräparate für klinische Studien. Sollte es auch hier zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, könnten in den Untersuchungen falsch dosierte Präparate zur Anwendung gekommen sein. Das BfArM steht nach eigenen Angaben bereits in Kontakt mit den in dieser Angelegenheit zuständigen Landesbehörden.

Das Problem: Die Sponsoren klinischer Studien müssen nicht mitteilen, wo sie ihre Prüfpräparate herstellen lassen. Allerdings gibt es laut „Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen“ eine Verpflichtung, schwerwiegende Zwischenfälle unverzüglich zu melden.

Daher fordert das BfArM nun alle Institutionen auf sich zu melden, deren Prüfpräparate in der Bottroper Apotheke hergestellt wurden. Die Sponsoren werden gebeten, sich schriftlich oder per E-Mail an [email protected] unter Angabe des Studienzentrums und der Eudra-CT-Nummer zu melden.

Laut Staatsanwaltschaft sind inzwischen zwei Dutzend Anzeigen wegen Körperverletzung eingegangen. Ob noch nachvollzogen werden kann, welche Rezepturen gestreckt wurden und welche Patienten von den gestreckten Krebsmedikamenten betroffen sind und möglicherweise gesundheitliche Schäden davongetragen haben, ist unklar. Der Apotheker schweigt nach wie vor zu den Vorwürfen.

Der Apotheker soll in mindestens 40.000 Fällen Infusionen zur Krebsimmuntherapie abweichend von den individuellen ärztlichen Verordnungen zu gering dosiert haben. Laut Staatsanwaltschaft beruht der Anfangsverdacht auf Informationen eines Insiders. Mehrere Wochen lang wurde bereits ermittelt. Ein Abgleich von Abrechnungen und Lieferscheinen habe dabei Diskrepanzen ergeben.

Mit den Kassen habe der Apotheker den vollen Betrag abgerechnet. Der finanzielle Schaden liege bei 2,5 Millionen Euro. Am 29. November waren die Geschäfts- und Privaträume durchsucht und der Apotheker in U-Haft genommen worden.

Bei der Herstellung soll er auch gegen Hygienevorschriften verstoßen haben. Laut Sprecherin arbeitete er in normaler Straßenkleidung, teilweise seien die Infusionen nicht in steriler Umgebung an der Werkbank gefertigt worden.

Laut Bild-Zeitung könnten außerdem zurückgenommene, bereits abgerechnete Infusionen erneut benutzt worden sein. Teilweise sollen Altmischungen einfach für andere Patienten ausgegeben worden sein, zu denen sie überhaupt nicht passten, so die Bild unter Berufung auf eine ehemalige Mitarbeitern, deren Ex-Mann auf der Grundlage der Aussagen den Fall zur Anzeige gebracht haben soll.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte, dass solche Hinweise vorliegen. Die Quelle halte sich aber in der Bewertung zurück, zumal der Nachweis schwierig werden dürfte. Bei der Durchsuchung wurden noch nicht ausgelieferte Infusionsbeutel sichergestellt, die nun zur Analyse im Labor sind.

Der 46-Jährige war auch Vertragspartner der Krankenkassen. S. hatte bei der Ausschreibung der Knappschaft Bahn-See (KBS) zwei Lose geholt; außerdem war er beim gemeinsamen Vertrag von GWQ und DAK dabei, der in der vergangenen Woche gestartet ist. Wie jetzt bekannt wurde, gehörte S. auch zu den Nachzüglern bei den Open-house-Verträgen von SpectrumK. Die Kassen haben die Verträge ausgesetzt.

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