Schleswig-Holstein

Notdienst: Apotheker tauschen zu oft

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Berlin -

Seit Januar errechnet in Schleswig-Holstein eine Software die Verteilung der Notdienste. Das neue System sollte gerechter für die Apotheker sein – manche Apotheken hatten nun zum ersten Mal Nachtdienst. Doch die Kritik in der Lokalpresse ist groß. Das kann man in der Apothekerkammer nicht nachvollziehen. Dort überlegt man derweil, wie Apotheker vom allzu exzessiven Tauschen abgehalten werden können.

Die Kammer in Kiel bedient sich neuerdings der Notdienst-Software der Agentur Cyrano aus Münster, die auch schon in Nordrhein und Westfalen-Lippe angewendet wird. Das Programm berechnet die Notdienstverteilung anhand von Geodaten. Notdienstbezirke gibt es nicht mehr. Ein großer Vorteil für die Apotheker, durch den die Akzeptanz des Systems gefördert werden sollte, sollte die Möglichkeit zum kurzfristigen Tausch sein.

Die Menge der Tauschwilligen hat die Kammer aber offenbar überrascht. Im Oktober hatte Geschäftsführer Frank Jaschkowski noch versichert, dass er kein Chaos erwarte und davon ausgehe, dass auch weiterhin nur sehr vereinzelt getauscht werde.

Allerdings sieht die Lage nun anders aus: „Unheimlich viele“ seien es, die die neue Chance nutzen und kurzfristig den Dienst mit einem Kollegen tauschten, sagt Dr. Stefan Zerres, Justiziar der Kammer und für den Notdienst verantwortlich. Von der Möglichkeit werde so intensiv Gebrauch gemacht, dass die Kammer nun darüber nachdenke, wie das Tauschen wieder eingedämmt werden könne. Diskutiert werde beispielsweise eine Gebühr, wie sie etwa in Nordrhein und Westfalen-Lippe erhoben wird.

Das Problem sei die Informationsflut, die durch den Tausch entstehe, erklärt Zerres. Alle betroffenen Apotheker im Umfeld werden per Fax oder E-Mail informiert. Viele empfänden die zahlreichen Mitteilungen bereits als störend, so Zerres.

Insgesamt ist der Justiziar mit der Umstellung des Notdienstes allerdings sehr zufrieden. „Wir hatten viel erwartet, aber es ist sehr entspannt angelaufen.“ Es habe kaum Anfragen von Apothekern und Patienten gegeben, sondern vor allem von Journalisten.

Die Lokalpresse hat den Start eher kritisch begleitet. Das ist nicht unüblich und eine Erfahrung, die auch die Apotheker in Westfalen-Lippe und Nordrhein schon machten, als sie ihre Notdienste umstellten und Dienste gestrichen wurden. In Nordrhein waren durch die neue Planung rund 6000 Dienste weggefallen.

Anders in Schleswig-Holstein, wo die Zahl der Volldienste nahezu unverändert ist: Statt 12.654 Diensten 2014 sollen es im kommenden Jahr 12.616 Dienste sein. Allerdings wurden die Teildienste, die es vielerorts gab, komplett gestrichen. Aus Sicht von Zerres stellt das allerdings kein Problem dar. Die Regelung stamme noch aus einer Zeit mit einem strengen Ladenschlussgesetz – heute hätten die Apotheken in dicht besiedelten Gebieten oft ohnehin bis 19 oder 20 Uhr geöffnet. Dadurch würden die Spätdienste praktisch ersetzt.

Voll- statt Spätdienst leistet nun auch die Apothekerin Susanne Pradel aus Flintbek bei Kiel. Bislang war sie regelmäßig eine Woche lang mit Spätdiensten dran. Die Apotheke musste in der Woche bis 20 Uhr, am Samstag zwischen 18 und 20 Uhr und am Sonntag zwischen 11 und 13 sowie zwischen 18 und 20 Uhr geöffnet sein. „Da war der Tag auch hinüber und es gab nichts dafür“, so Pradel. Für die Nachtdienste erhält sie – anders als bei den Spätdiensten – immerhin die Notdienstpauschale. Trotzdem fand Pradel das alte System besser. Die Nacht durchzuarbeiten und am nächsten Tag wieder zu stehen, sei sehr anstrengend. In ihrem ersten Nachtdienst kamen zwei Patienten, einer um elf und einer um zwei.

Die neue Planung verteilt die Notdienste anhand von Ortsgrößen und Entfernungsregelungen. Von Landstädten bis 5000 Einwohnern aus darf die nächste Notdienstapotheke beispielsweise maximal 38 Kilometer entfernt sein. „Bei Kreisstädten werden Rangemeinden einbezogen“, erklärt Zerres. Dadurch kann es passieren, dass Bewohner aus der Stadt rausfahren müssen. In den Medien würden sich nun aber Personen aus Gegenden aufregen, in denen die Regelung schon immer so gewesen sei, wie sie jetzt sei.

Besonders geärgert hat sich Zerres über einen Artikel im Pinneberger Tageblatt, in dem der Allgemeinmediziner Dr. Marc Dupas, ein Abgeordneter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die Neuregelung kritisiert. „Es kann nicht sein, dass es in unmittelbarer Nähe der Notfallpraxen keine Apotheke mehr gibt“, monierte Dupas. Dies sei eine Katastrophe, Patienten hätten bis nach Wedel fahren müssen.

Das kann Zerres nicht nachvollziehen – besonders, da Pinneberg und Wedel schon vor der Umstellung einen Notdienstbezirk gebildet hätten. „Es war auch früher schon so, dass Patienten fahren müssen“, so Zerres. Während es im ärztlichen Notdienst zentrale Praxen gebe, seien am Apothekennotdienst alle beteiligt.

Im Vorfeld habe es intensive Gespräche mit Vertretern der KV gegeben, in auch die unterschiedliche Rechtsgrundlagen für ärztlichen und apothekerlichen Notdienste erörtert worden sei, so Zerres. Eine Abstimmung habe also stattgefunden, betont der Kammerjustiziar mit Blick auf Dupas' Kritik, dass mit den Ärzten niemand gesprochen habe.

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