Apothekenrecht

„Apotheker sollten Prokuristen haben“

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Berlin -

Ein Apotheker aus Süddeutschland war sehr überrascht, als er von dem Prozess eines Kollegen erfuhr. Der kämpft vor Gericht um und für seinen Prokuristen. Der Bundesgerichtshof (BGH) muss in letzter Instanz klären, ob Apothekeninhaber grundsätzlich Prokura erteilen dürfen. „Ich habe seit Jahren eine Prokuristin und fühle mich dazu quasi auch verpflichtet“, so der Apotheker, der wegen des anderen Verfahrens derzeit lieber nicht namentlich genannt werden möchte.

Vier Filialen mit mehr als 50 Mitarbeitern betreibt der Apotheker. Die Filialleiter dürfen weitgehend selbstständig entscheiden, etwa was Dienstpläne oder das Direktgeschäft betrifft. „Sie sollen den gesamten operativen Bereich so führen, als ob es ihre eigene Apotheke wäre“, so der Inhaber. Die Filialleiter hätten auch Einblick in alle betriebswirtschaftlichen Kennzahlen.

Selbst die Hauptapotheke hat intern einen Filialstatus mit einem zuständigen Apotheker, damit die Filialleiter auf Augenhöhe untereinander sind. „Ansonsten entsteht schnell der Eindruck, die Hauptapotheke sei etwas Besonderes und die anderen nachgeordnet. Das ist aus meiner Sicht kontraproduktiv“, so der Inhaber. Er selbst kümmert sich vor allem um die Gesamtorganisation der Betriebe, die Personalführung und den gesamten Finanzbereich.

Dennoch hat eine Filialleiterin formal einen Sonderstatus, da sie mit einer Prokura ausgestattet ist. Sie kann damit nach außen wirksam Verträge im Namen des Inhabers schließen oder kündigen. Die Prokura ist im Handelsregister offiziell eingetragen, anders als beim Kollegen aus Baden-Württemberg gab es damit in diesem Fall aber noch nie Probleme.

Der Grundgedanke des Apothekers bei der Prokura war eine sichere Nachfolgeregelung: „Wenn mir etwas zustößt, habe ich eine Verantwortung für zwei Gruppen: meine Familie und meine Mitarbeiter“, so der Inhaber. Die Prokuristin könnte in Abstimmung mit den Erben den Betrieb der Apotheken fortführen, das sei auch testamentarisch geregelt. Damit sei der Erhalt der Arbeitsplätze sichergestellt, bis die Apotheken verkauft oder verpachtet seien oder eine andere Lösung gefunden sei. „Im Rahmen meiner Sorgfaltspflicht empfinde ich das fast als unerlässlich, solche Regelung zu treffen. Trotzdem bleibe ich doch Herr im eigenen Haus“, betont der Inhaber.

Während die Vollmachten der Filialleiter zunächst mündlich in der Leiterrunde besprochen wurden, gab es mit der Prokuristin von Anfang an eine schriftliche Vereinbarung. Für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Apotheken hinausgehen, benötigt die Prokuristin demnach die ausdrückliche vorherige Zustimmung des Inhabers oder seiner Erben.

Dazu zählen grundsätzliche Miet- und Grundstücksangelegenheiten, Aufnahme und Kündigung von Darlehen von mehr als 10.000 Euro sowie die Bewilligung von Krediten außerhalb des üblichen Geschäftsverkehrs. Der Vertrag regelt ein weiteres Dutzend Punkte, bei denen die Prokuristin die Zustimmung des Inhabers benötigt, etwa die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, Eröffnung von Geschäftskonten oder die Erteilung weiterer Prokuren.

Die Vereinbarung regelt allerdings nur das Innenverhältnis, beim Missbrauch der Prokura macht sich die Filialleiterin höchstens schadensersatzpflichtig gegenüber dem Inhaber. Die geschlossenen Verträge bleiben trotzdem wirksam. „Das hat etwas mit Vertrauen zu tun“, sagt der Apotheker. Die Mitarbeiterin sei seine rechte Hand und zuvor schon Filialleiterin gewesen. Im Alltag treffe sie Entscheidungen aber nur in diesem Rahmen und müsse von ihrer Prokura keinen Gebrauch machen.

Die Ernennung der Prokuristin ist für den Apotheker eher eine Absicherung seiner Nachfolge. „Ich vertraue ihr blind und gehe davon aus, dass sie in Abstimmung mit dem Testamentsvollstrecker so entscheiden wird, dass es in meinem Sinne ist.“ Die Filialleiterin verfügt daher über eine Einzelprokura, bedarf also bei ihren Entscheidungen weder der Zustimmung des Inhabers noch eines weiteren Prokuristen. Sein Fazit: „Apotheker sollten Prokuristen haben.“

Der Kollege aus Baden-Württemberg hat wegen seines Prokuristen Ärger. Das Registergericht hatte die Eintragung im Handelsregister gelöscht. Denn laut Apothekengesetz (ApoG) sei der Inhaber zu persönlichen Leitung verpflichtet. Dies sei mit der Erteilung einer Prokura nicht vereinbar. Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg unterstützte diese Position auf Nachfrage.

Doch das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) hatte keine Probleme mit der Prokuraerteilung. Der Apotheker müsse den Prokuristen eben sorgfältig auswählen und die Freiheitsgrade intern beschränken, so das Argument. Letztlich könne auch ein Mitarbeiter mit entsprechender Vollmacht Entscheidung treffen, die der Apotheke schadeten. Beim Prokuristen sah das OLG immerhin den Vorteil, dass dieser offiziell benannt und das Konstrukt somit einer Kontrolle der Aufsichtsbehörden leichter zugänglich sei. Die Apothekerkammer hat gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt.

Die Leser von APOTHEKE ADHOC stehen dem Thema Prokuraerteilung überwiegend kritisch gegenüber. Bei einer Umfrage hielt knapp ein Drittel (32 Prozent) dies für riskant, da es auf Dauer zum Fremdbesitz von Apotheken führe. Weitere 24 Prozent findet es zumindest bedenklich, der Apotheker sollte allein entschieden. Und 15 Prozent halten eine Prokura schlicht für unnötig, da Apotheken Kleinbetriebe seien.

Dagegen finden 17 Prozent eine Lösung mit Prokurist gut, Verantwortung müsse delegiert werden. Weitere 10 Prozent sind der Ansicht, dies sei ohnehin gelebte Praxis. 2 Prozent hatte zu der Frage keine Meinung. An der Umfrage nahmen am 10. und 11. März insgesamt 220 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC teil.

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