Mehrkosten

Aufzahlung ohne Schmerzgrenze

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Berlin -

Immer öfter müssen Patienten in der Apotheke zuzahlen. Im vergangenen Jahr waren nur noch 3889 Arzneimittel von der Zuzahlung befreit – nach rund 7000 im Jahr 2011. Insgesamt leisteten die Patienten fast 2,09 Milliarden Euro an Zuzahlungen. Hinzu kommen Aufzahlungen bei Arzneimitteln, deren Preise oberhalb des Festbetrags liegen. Für diese zusätzliche Belastung gibt es in der Regel nicht einmal eine Befreiung von der Kasse.

Versicherte werden nicht nur bei Arzneimitteln, sondern auch bei vielen Leistungen mit Zuzahlungen zur Kasse gebeten – neben ihren monatlichen Beiträgen. Dazu zählen Hilfsmittel, Behandlungen in der Physiotherapie, im Krankenhaus, in der Reha-Klinik oder bei häuslicher Krankenpflege.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein informierte gesetzlich Versicherte aktuell über die Möglichkeiten der Befreiung. Als „normaler Versicherter“ muss man nicht mehr als 2 Prozent seines Einkommens für Gesundheitskosten ausgeben. Zur Berechnung der persönlichen Belastungsgrenze wird das Einkommen der Familienmitglieder im gemeinsamen Haushalt zusammengerechnet. Berechtigte Mitglieder sind verheiratete Paare, eingetragene Lebenspartnerschaften und Stief-, Enkel- oder Pflegekinder. Kinder ab 19 Jahren zählen nur dazu, solange sie familienversichert sind.

Für Ehepartner können Freibeträge von 5229 Euro und für jedes Kind 7248 Euro vom Bruttoeinkommen der Familie abgezogen werden. 2 Prozent der Restsumme gelten dann als Belastungsgrenze. Die Verbraucherzentrale rechnet vor: Eltern mit zwei Kindern, die über ein Jahreseinkommen von 36.000 Euro verfügen, müssen somit pro Jahr höchstens 325,50 Euro zusätzlich für ihre Gesundheitsversorgung zahlen. Für Familien, die Sozialhilfe beziehen, wird als Einnahme zum Lebensunterhalt einmal der Regelsatz von 4848 Euro für die Regelbedarfsstufe 1 angesetzt. 2 Prozent macht hier jährlich eine Zuzahlung von maximal 96,96 Euro aus.

Für chronisch Kranke gibt es eine Ausnahme: Für sie gilt eine Belastungsgrenze von 1 Prozent der Bruttoeinnahmen. Die reduzierte Zuzahlung gilt für die gesamte Familie. Voraussetzung ist, dass der behandelnde Arzt einem Patienten die chronische Erkrankung bescheinigt. Die niedrige Belastungsgrenze gilt auch bei den Pflegestufen 2 und 3, im Falle eine Behinderung oder einer Erwerbsminderung von mindestens 60 Prozent, falls diese auf einer chronischen Erkrankung basieren.

Bei Arzneimitteln auf Rezept liegt die Zuzahlung bei 10 Prozent des Abgabepreises, mindestens fünf und höchstens zehn Euro. Stationäre Aufenthalte schlagen mit zehn Euro pro Tag zu Buche. Die Zuzahlungspflicht ist hier laut Verbraucherzentrale in der Regel auf 28 Tage pro Jahr begrenzt. Bei Behandlungen wie Physiotherapie oder Logopädie und bei häuslicher Krankenpflege müssen 10 Prozent der Kosten plus zehn Euro für jede Verordnung extra entrichtet werden.

Die Verbraucherzentrale erinnert Versicherte daran, dass sie sich selbst um ihre Befreiung kümmern müssen. Die Kasse gibt nämlich nicht von sich aus Bescheid, wenn die Belastungsgrenze erreicht ist. Der Versicherte muss Belege sammeln und einen Befreiungsantrag bei ihrer Krankenkasse stellen. Um eine zu hohe Kostenbelastung nachzuweisen, müssten sich Versicherte sämtliche gesetzlichen Zuzahlungen quittieren lassen. In den Belegen müssten Datum, Vor- und Zuname des Versicherten, die konkrete Leistung, der Zuzahlungsbetrag und die Kontaktdaten des Leistungserbringers enthalten sein.

Die Befreiung gilt immer für das Kalenderjahr und muss jährlich neu beantragt werden. Versicherte erhalten nach positiver Prüfung einen Befreiungsausweis. Betroffene können auch bis zum Jahresende warten und alle Belege nachträglich einreichen. Falls zu viel gezahlt wurde, erstattet die Krankenkasse die überschüssigen Beträge. Auch eine Vorauszahlung ist möglich. Fallen die tatsächlich geleisteten Zuzahlungen dann aber niedriger aus, gebe es keine Rückerstattung, warnt die Verbraucherzentrale.

Bei Arzneimitteln können neben den Zuzahlungen Mehrkosten für den Patienten entstehen, wenn die Hersteller die Preisgrenze ihrer Festbetragsgruppen ignorieren. Diese werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt; die Preise, die die Kassen erstatten, bestimmt der GKV-Spitzenverband nach bestimmten Regeln.

Aufzahlungen werden bei der Zuzahlungsbefreiung nicht berücksichtigt. Allerdings können Versicherte sich in begründeten Einzelfällen an ihre Kasse wenden, damit ein Gutachten des Medizinischen Dienstes erstellt wird. Kann der Patient etwa nur mit einem bestimmten Arzneimittel behandelt werden, übernimmt die Kasse dann auch die Kosten für die Aufzahlung.

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