Kommentar

Konditionen und Gegengift

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Berlin -

Die Apotheker machen sich Sorgen. Die einen befürchten, dass der Außendienstler ihres Großhändlers demnächst schlechten Gewissens anrückt und die Konditionen zusammenkürzt. Andere befürchten, dass sich jetzt alle so lange davor fürchten, bis es eines Tages wirklich passiert. Wieder andere versetzt in Unruhe, dass sich der Außendienst nur noch so lange vor dem unangenehmen Besuch fürchtet, bis das Kartell steht.

Gerade die Sorge vor einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führt auf direktem Weg zu einer neuen Angst: dass über das Thema überhaupt gesprochen wird. Beide Seiten reagieren beinahe hysterisch, wenn die Konditionenpolitik ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird.

Warum sich die Verkäuferseite gegen allzu viel Transparenz wehrt, ist noch offensichtlich. Schließlich haben auch die Tankstellenbetreiber nicht aktiv ein Vergleichsportal für Spritpreise eingefordert.

Diffiziler ist die Gefühlslage auf Apothekerseite. Da gibt es die Egoisten, die einfach für sich selbst bessere Konditionen erhoffen, wenn die der anderen schlechter sind – mit positiven Folgeeffekten für den lokalen Wettbewerb. Und es gibt die Misstrauischen, die dem Großhandel zutrauen, flächendeckende Kürzungen einfach herbei reden zu können.

Und dann gibt es noch eine nicht zu unterschätzende Angst vor der Politik. Sollte die Regierung sich erneut für „Funktionsrabatte“ interessieren, wäre die gesetzliche Marge der Großhändler schnell wieder auf dem Kürzungszettel, so die Sorge der Pessimisten. Beim AMNOG hatten die Apotheker ja erfahren, was das für sie bedeutet.

Dem Thema mit diesem Argument aus dem Weg zu gehen, verkennt aber die politischen Marschrouten. Wenn der Rotstift geschwungen wird, findet sich immer ein Abschlag, Honorar oder Funktionsrabatt, und auch die Höhe der Kürzung ist dann ein Mittelweg zwischen politischem Willen und Realitätssinn. Hier müssen die Apotheker mit Inhalten dagegen halten, statt sich zu verstecken.

Vor einigen Jahren hatte die ABDA jedes Mal empfindlich reagiert, wenn das Thema Apothekenketten im Ausland auf die Agenda kam. Still ruht der See, lautete die Devise. Auch wenn unter der Oberfläche längst Bewegung war. Am Ende profitierten die Apotheker davon, dass die Debatte öffentlich ausgetragen wurde. Nur weil die Politik zu einem Bekenntnis gezwungen wurde, konnte der Markt nicht still und heimlich im Interesse von Konzernen liberalisiert werden.

Von Unkenntnis in einer Geschäftsbeziehung profitiert sowieso nur der Größere. Wenn der Großhandel individuelle Vereinbarungen mit allen Apotheken trifft, kennt zunächst nur eine Seite alle Konditionen. Das führt immer stärker dazu, dass sich die Großhändler im Wettlauf um die größte Zahl vor dem Komma allerlei Tricks einfallen lassen, um die Rabatte hinterher wieder einzusammeln. Nach dem Motto: 3 Prozent auf alles* (*außer Angebotsartikel, Hochpreiser, Kühlware und BtM).

Das ist kein Loblied auf Einheitskonditionen, die nie für alle Apotheken passen können. Es geht um Verlässlichkeit. Die Großhändler haben nichts davon, wenn das Misstrauen gegen sie überhandnimmt. Denn dann werden auch ihre Klagen unglaubwürdig.

Wenn die Unternehmen in der Rabattschlacht tatsächlich nur noch Geld verbrennen – wonach es zum Teil aussieht –, dann wäre Transparenz auch für sie ein hilfreiches Gegengift.

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