Versandapotheken

Arzneiversand ohne Thermostat

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Berlin -

Auch wenn arktische Stürme und flirrende Hitze in Deutschland die Ausnahme sind: Für Apotheken und Großhändler gelten strenge Vorschriften, was die Einhaltung von Transport- und Lagertemperaturen bei Arzneimitteln angeht. Reine Bürokratie, klagen Kritiker – und verweisen auf die Versandapotheken, die ihre Pakete ungekühlt und zum Teil über mehrere Tage auf Reise durch ganz Deutschland schicken.

Zuletzt wurden die Regeln der Guten Vertriebspraxis (Good Distribution Practice, GDP) verschärft. Seit der Überarbeitung der EU-Richtlinie sind Lagerung und Transport gleichgestellt. Großhändler und Einzelimporteure sind seitdem damit beschäftigt, ihre Logistik anzupassen und nachzuweisen, dass die Lagertemperatur unterwegs eingehalten wurde. Auch Apotheken mit Großhandelserlaubnis müssen darauf achten, sich an die GDP-Vorgaben zu halten – sonst riskieren sie ihre Erlaubnis.

Hintergrund für die Verschärfung der Regeln waren extreme Temperaturen in Europa: In südlichen Ländern war Kühlware immer wieder aufgetaut, während Arzneimittel in Großhandelsfahrzeugen in Skandinavien gelegentlich einfroren.

In gemäßigten Gefilden wie Deutschland scheint die Pflicht, auch nicht kühlpflichtige Medikamente während des gesamten Transports zu überwachen, eher überflüssig. Dennoch muss nach der neuen Vorgabe beispielsweise auch nachgewiesen werden, dass Arzneimittel, die bei Raumtemperatur gelagert werden, nie den Temperaturbereich zwischen 15 und 25 Grad Celsius verlassen haben.

Für Apotheker, die über ihr Lager ebenfalls umfangreich Temperaturprotokolle führen müssen, ist zumindest der Gedanke tröstlich, dass die Arzneimittel nicht bereits ein klimatisches Auf und Ab hinter sich haben und die ganze Mühe nicht von vornherein unnütz ist. Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) schreibt vor, dass in Apotheken eine Lagerhaltung unterhalb einer Temperatur von 25 Grad Celsius möglich sein muss. Einmal täglich soll die Temperatur an mehreren Punkten in Lagerräumen und Rezeptur gemessen und dokumentiert werden.

Die ausführlich dokumentierte Temperaturkontrolle vom Hersteller bis ins Apothekenlager endet allerdings mit der Abgabe an den Endverbraucher. Während schon der Botendienst eine Lücke in die Kette reißt, vergehen im Versandhandel mitunter mehrere Tage, bis der Patient sein Medikament in den Händen hält. Weder DHL noch Hermes müssen sich mit Thermometern und Protokollen befassen: Beim Versandhandel ist laut ApBetrO lediglich sicherzustellen, dass „das Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt“.

Diesen Umstand kritisieren Dr. Hermann Vogel sr., Ehrenpräsident der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), und sein Sohn Dr. Hermann Vogel jr. Letzterer betreibt einen eigenen Großhandel und war von der zuständigen Oberpharmazierätin darauf hingewiesen worden, dass der Transport künftig temperaturkontrolliert beziehungsweise -dokumentiert durchgeführt werden müsse. In dieser Woche will Vogel sr. das Problem auf der BLAK-Vorstandssitzung thematisieren.

Durch die Umsetzung der Vorgabe werde gewährleistet, dass dem Endverbraucher ein stets korrekt gelagertes Arzneimittel übergeben werde, räumen die Apotheker in einer Aktennotiz zur Sitzung ein. „Dies ist bei dem in Deutschland seit 2004 erlaubten Versandhandel nicht gegeben.“ Nur gegen erhebliche Aufpreise seien theoretisch Temperaturprotokolle möglich.

Aus ihrer Sicht ist die gesamte Pflicht zur Temperaturkontrolle daher nicht sinnvoll, „solange dies die Versandhändler während ihres Transports zum Endkunden nicht durchführen“. Derzeit macht es einen entscheidenden Unterschied, in welcher Funktion Vogeln jr. Pakete verschickt: Als Großhandel muss er die Temperatur dokumentieren, als Versandapotheke nicht. Entweder müsse es eine lückenlose Kontrolle zwischen Hersteller und Endkunden geben – oder gar keine, so die beiden Apotheker.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dürften dabei keine Rolle spielen. Denn auch bei Großhändlern entstünden Kosten. So müssten etwa Fahrzeuge für 5000 bis 8000 Euro umgerüstet und mit Kühlequipment ausgestattet werden. „Dass dadurch der Versand von Arzneimitteln aufgrund von Unrentabilität komplett eingestellt werden müsste, könnte aufgrund der bestehenden Apothekenstruktur verkraftet werden“, sind die Apotheker überzeugt.

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