Sterilrezepturen

Bild: Apotheker verarbeitete Zyto-Müll

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Berlin -

Im Fall der mutmaßlich gestreckten Zyto-Rezepturen werden neue Vorwürfe gegen Peter S. laut: Wie die Bild-Zeitung berichtet, hat der Apotheker auch Altmedikamente für Infusionslösungen verarbeitet. Laut Staatsanwaltschaft hat er außerdem in Straßenbekleidung und nicht an der Werkbank gearbeitet.

„Vergiftete der Panschapotheker Krebsinfusionen?“ Unter dieser Überschrift macht die Bild neue brisante Details zum Fall bekannt. Demnach soll der Apotheker nicht nur die Wirkstoffe in den Krebsimmuntherapien unterdosiert, sondern auch bereits abgelaufene und damit giftige Infusionen neu gemischt und erneut abgerechnet haben.

Nach Bild-Informationen hatte eine Angestellte ihrem damaligen Ehemann offenbart, dass in der Apotheke Infusionslösungen gestreckt wurden. Sie soll darüber hinaus berichtet haben, dass zurückgenommene, bereits abgerechnete Infusionen erneut benutzt wurden. Teilweise sollen Altmischungen einfach für andere Patienten ausgegeben worden sein, zu denen sie überhaupt nicht passten, so die Bild. Der Mann habe auf der Grundlage der Aussagen seiner Ex-Frau den Fall zur Anzeige gebracht.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass solche Hinweise vorliegen. Die Quelle halte sich aber in der Bewertung zurück, zumal der Nachweis schwierig werden dürfte. Bei der Durchsuchung wurden noch nicht ausgelieferte Infusionsbeutel sichergestellt, die nun zur Analyse im Labor sind. Laut Sprecherin macht der Apotheker nach wie vor von seinem Schweigerecht Gebrauch.

In Bottrop staunt man über das „Doppelleben“ des Apothekers: S. habe Spendenläufe organisiert, sich in der Hospiz- und Flüchtlingsarbeit engagiert und als Geschäftsmann in seiner Heimatstadt große Summen investiert, schreibt etwa die Rheinische Post. Bekannte beschreiben die Familie als wohlhabend; die Apotheke wurde bereits seit mehreren Generationen geführt.

Zum Jubiläum wurde ein großes Fest veranstaltet, auch zur Presse hatte S. ein gutes Verhältnis. Zur Eröffnung der neuen Reinräume im Jahr 2014 gab er in einem Interview zu Protokoll, dass er sich der Verantwortung bei der Sterilherstellung bewusst sei: „Ich habe da schon ziemlichen Respekt. Das ist man auch dem Patienten schuldig.“ Schließlich könnten Fehler bei der Dosierung fatale Folgen haben.

Der 46-Jährige war auch Vertragspartner der Krankenkassen. S. hatte bei der Ausschreibung der Knappschaft Bahn-See (KBS) zwei Lose geholt; außerdem war er beim gemeinsamen Vertrag von GWQ und DAK dabei, der in der vergangenen Woche gestartet ist. Wie jetzt bekannt wurde, gehörte S. auch zu den Nachzüglern bei den Open-house-Verträgen von SpectrumK. Die Kassen haben die Verträge ausgesetzt.

S. soll in mindestens 40.000 Fällen Infusionen zur Krebsimmuntherapie abweichend von den individuellen ärztlichen Verordnungen zu gering dosiert haben. Laut Staatsanwaltschaft beruht der Anfangsverdacht auf Informationen eines Insiders. Mehrere Wochen lang wurde bereits ermittelt. Ein Abgleich von Abrechnungen und Lieferscheinen habe dabei Diskrepanzen ergeben. Am 29. November wurden die Geschäfts- und Privaträume durchsucht.

Bei der Herstellung soll er auch gegen Hygienevorschriften verstoßen haben. Laut Sprecherin arbeitete er in normaler Straßenkleidung, teilweise seien die Infusionen nicht in steriler Umgebung an der Werkbank gefertigt worden. Mit den Kassen habe der Apotheker den vollen Betrag abgerechnet. Der finanzielle Schaden liege bei 2,5 Millionen Euro.

Welchen gesundheitlichen Schaden der Apotheker angerichtet hat, ist offen. Aufgrund des rechnerischen Ansatzes sei es nicht möglich zu sagen, ob alle Lösungen gestreckt wurden oder ob nur einzelne Lieferungen zu wenig oder gegebenenfalls gar keinen Wirkstoff enthielten. Daher sei voraussichtlich nicht herauszubekommen, welche Patienten von fehlerhaften Infusionen betroffen waren und welche Auswirkungen das gehabt haben könnte, erklärte die Staatsanwaltschaft.

S. sitzt in Untersuchungshaft, weil Fluchtgefahr besteht. Er verfüge über die finanziellen Möglichkeiten, sich ins Ausland abzusetzen und so seiner Strafe zu entgehen, so die Staatsanwaltschaft. Im Fall einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetzes und gewerbsmäßigen Betruges drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Obwohl es sich um eine ziemlich große Apotheke handeln soll, gibt es laut Staatsanwaltschaft keine weiteren Beschuldigten. Aufgrund der U-Haft sind die Ermittler bestrebt, ihre Arbeit schnellstmöglich zu einem Abschluss zu bringen.

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