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Healthbots – digitale Berater in medizinischen Fragen

Laichingen -

Die meisten von uns kennen Siri (Apple), Cortana (Windows) oder die Stimme, die auf „Okay, Google!“ reagiert, wenn man dies in sein Smartphone spricht. Wer es selbst noch nicht ausprobiert hat, hat vielleicht zumindest eine Werbung mit den interaktiven Damen gesehen, die uns in der virtuellen Welt der Daten als Assistentin oder gar als persönliche rechte Hand das Leben erleichtern. Wem all dies gar kein Begriff ist, für den sei schnell erklärt: Es handelt sich um eine künstliche Intelligenz, die auf Befehle des Nutzers reagiert. So kann man beispielsweise sein Handy mit einem bestimmten Befehl nach dem Wetter fragen und eine Roboterstimme antwortet direkt, ohne dass man die Wetter-App öffnen und selbst suchen muss. Das alles hat noch nicht viel mit Gesundheit zu tun. Doch genau diese Idee, das Thema Gesundheit einzubinden, steckt hinter den sogenannten Healthbots.

Eine Roboterstimme für die Gesundheit?

So in etwa. Der Idee wohnt die Theorie inne, dass Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt oder nach einer ärztlichen Behandlung weiterhin aktive Beratung brauchen, da viele schlichtweg vergessen, ihre Medikamente selbstständig einzunehmen. Andere möchten sich nicht ständig ihre Krankheit vor Augen führen und empfinden es als lästig, sich an einen bestimmten Tagesablauf zu halten, zur richtigen Zeit an Medikamente zu denken oder sich selbstständig mit Hilfe von Apps Unterstützung und Informationen zu holen. Kurz gesagt: Der Patient möchte oftmals möglichst passiv bleiben, was bedeutet, dass die App selbst aktiver werden muss. Auch aktive Patienten sollen von den Healthbots Gebrauch machen können, da die Idee eines Healthbots einem interaktiven Lexikon nahekommt, in dem der Patient Symptome und Ähnliches nachschlagen kann.

Wie aber wird eine App selbst aktiv?

Mit Hilfe von Roboterstimmen und künstlicher Intelligenz! Statt dass der Patient nun selbst eine App öffnen muss, wird er von seiner virtuellen Krankenschwester angerufen oder angemailt. Diese kleine Erinnerung muss dann nur noch in die Tat umgesetzt werden, der Patient muss jedoch Behandlungsschritte oder Medikamentenzeiten nicht mehr selbst im Gedächtnis behalten. Diese Healthbots stehen außerdem mit fachmännischem Rat und Tat zur Seite und können jederzeit auf medizinische Fragen antworten. Im Grunde kann man sich die Healthbots wie mobile Health Apps vorstellen, die uns dabei helfen, gesünder zu leben, jedoch mit mehr künstlicher Intelligenz und Eigeninitiative seitens der App.

So viel zur Theorie – aber funktioniert es?

Sagen wir es so: Wäre die Bot-Entwicklung eine Schullaufbahn, so stünden Siri und Cortana kurz vor dem Abitur, während die meisten anderen Healthbots sich in der Mittelstufe herumtummeln würden. Die Breite an Informationen, die Siri und Cortana bieten, gibt es noch bei kaum einem Healthbot. Dennoch gibt es schon einige dieser Bots und wie das bei Schülern so ist, lernen sie ständig dazu. Um vollen Erfolg zu haben, müssen Healthbots irgendwann einmal wie eine Mischung aus Bücherei und erfahrenem Arzt/Krankenschwester bzw. Apotheker/PTA funktionieren: eine Menge Informationen zu Krankheiten, Symptomen und Behandlungen bieten sowie den Patienten gewissenhaft und zuverlässig betreuen und ihn an bestimmte Maßnahmen erinnern. Sie müssen außerdem Funktionen bieten, mit denen der Nutzer selbst Bilder und andere Formate versenden kann, um diese Daten dann auswerten lassen zu können. Healthbots müssen außerdem den Menschen und seine Empathie nachahmen lernen. Kein Patient begibt sich gern in die Hände eines Roboters. Einfühlungsvermögen, menschliche Stimm- und Tonlagen sowie Redewendungen sind besonders wichtig für ein positives Gefühl des Nutzers.

Ein paar nennenswerte Beispiele solcher Healthbots gibt es bereits heute:

  • Xiao Ice aus China ist beispielsweise so empathisch, dass „sie“ aus einem bloßen Bild eines geschwollenen Knöchels nicht nur herauslesen kann, dass dieser ein menschlicher Knöchel und geschwollen ist, „sie“ weiß auch, dass dies mitunter sehr schmerzhaft sein kann, und fragt den Patienten direkt nach seinen Schmerzen. Xiao Ice ist allerdings eher eine Siri-Cortana-Dame, die sich nicht auf Medizin spezialisiert hat, sondern einfach die Funktionen einer virtuellen Assistentin übernimmt.
  • Lange vorher (etwa vor 50 Jahren) gab es schon ELIZA, eine Psychologin, die virtuell das Gesagte des Patienten auswerten konnte und ihre Antwort dementsprechend formulierte. Etwas aktueller und bekannter dürfte „Krankenschwester“ Louise von Project RED sein, die sich empathisch und liebevoll um ihre Patienten und deren weiterführende Behandlungen kümmert.
  • Wenn es um reines Medikamenten-Management geht, hat die Gruppe Viget einen zukunftsweisenden Chatbot namens Florence auf den Markt gebracht.
  • Weitere Namen und Hersteller sind Sense.ly, Your.MD, Babylon Health, MedWhat, HealthTap, HealthYotta und weitere, die sich auf Fitness oder Ernährung spezialisiert haben (Forksy, Fitmeal, GymBot, WorkoutBot). Diese sind jedoch alle englischsprachig – bis auf HealthYotta, dies ist der erste arabische Healthbot. Auf botlist sind die englischsprachigen Healthbots aufgelistet.
  • Auf dem deutschen Markt ist die Entwicklung noch nicht so weit vorangeschritten. Die existierenden Healthbots arbeiten meist mit der Messenger App von Facebook zusammen.

Chancen und Anwendungsgebiete

Wie lange man mitunter auf einen Arzttermin warten muss, vor allem bei einem Spezialisten, ist uns allen bekannt. Gerade wenn man kein absoluter Notfall ist, sind die Termine beim Physiotherapeuten, Zahnarzt oder Frauenarzt oftmals über Wochen ausgebucht – meist genau die Zeit, die der Knöchel zum selbstständigen Heilen braucht. Diese Wartezeiten ließen sich wirkungsvoller überbrücken, wenn man per Bot eine Erstmeinung einholen und grob einschätzen könnte, ob man den Fuß nun lieber kühlen oder wärmen sollte. Auch außerhalb Deutschlands bieten Healthbots großartige Chancen. Die medizinische Versorgung ist in vielen Ländern aufgrund von fehlenden Informationen sehr lückenhaft. Sicherlich sind Healthbots nicht die Lösung, um AIDS in Afrika zu heilen, sie könnten jedoch in entwicklungspolitischen Projekten hervorragend zur Aufklärung beitragen und so im Kampf gegen Geschlechtskrankheiten und andere Tabuthemen eingesetzt werden. Zwar sind der Informationsfluss und die Aufklärung in Deutschland nicht mit Afrika zu vergleichen, mehr und einfacher zugängliche Informationen können jedoch auch hier nicht schaden.
Immer mehr Menschen sind an ihrer Gesundheit interessiert und nutzen Fitness- und Healthapps. Dies kannst Du als medizinischer Fachmann nutzen und mitgestalten. Die Infos, die an die breite Masse gelangen, müssen von Experten verfasst werden. Sie können jedoch in keinster Weise einen Arzt oder Apotheker ersetzen. Ein Healthbot soll immer nur unterstützend wirken, darum ist es gerade heute so wichtig, dass Du als Pharmazeut aktiv auf Deinen Kunden zugehst und ihn an die Hand nimmst. Führe ihn durch neue Entwicklungen und stehe mit Rat und Tat zur Seite. Natürlich kannst Du Dich auch an der Gestaltung der Healthbots beteiligen und sicherstellen, dass diese die richtigen Informationen verbreiten. Sieh die technische Entwicklung einfach als Chance, mehr Menschen auf einfachen Wegen zu erreichen, und überlege Dir doch schon einmal, in welcher Art und Weise – ob nun beratend oder aktiv gestaltend – Du an dieser Entwicklung teilhaben könntest.

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