Becherovka

Kräuterlikör vom Apotheker

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Berlin -

Auch eine buchstäbliche Schnapsidee kann zu großem Erfolg führen: Josef Vitus Becher, Apotheker im böhmischen Kurort Karlsbad, mietete im Jahr 1794 einen Destillierapparat. Er experimentierte mit Kräuter- und Gewürzessenzen und entwickelte mit einem Arzt aus England einen grünlich-gelben Magenbitter. Sein „Becherovka“ wird noch 200 Jahre später nach der geheim gehaltenen Originalrezeptur hergestellt und inzwischen in 35 Länder exportiert.

Becher führte Anfang des 19. Jahrhunderts die Apotheke „Zu den drei Lerchen“ am Marktplatz von Karlsbad, heute Karlovy Vary genannt Die Stadt war schon damals ein beliebter Kurbadeort, berühmt für seine zwölf Mineralquellen. Wie allgemein üblich, brachte auch Becher Kurgäste in seinem Haus unter. 1805 wohnte der Reichsgraf Maximilian Friedrich von Plettenheim-Wittem zu Mietingen mit seinem englischen Leibarzt Dr. Christian Frobrig bei dem Apotheker.

Becher und Frobrig freundeten sich bald an: Beide interessierten sich sehr für Heilkräuter. Sie experimentierten in der Apotheke gemeinsam mit unterschiedlichen Kräutermischungen und Alkohol und testeten die Wirkung. Zum Abschied überreichte der Mediziner seinem Freund eine Notiz: „Das hier hat mich ziemlich begeistert!“

Auf dem Zettel stand eine Rezeptur, die der Arzt während der Experimente mitgeschrieben und der er den Titel „Lebenselixier“ gegeben hatte. In den folgenden zwei Jahren beschäftigte sich Becher eingehend mit dieser Mischung aus Kräutern, Ölen und Alkohol. Er verfeinerte sie weiter und verkaufte schließlich ab 1807 einen Verdauungsschnaps mit etwa 40 Volumenprozent, zunächst unter dem Namen „Englischer Bitter“. Der Tropfen galt unter den Kurgästen schnell als 13. Heilquelle von Karlsbad.

Bechers Sohn Jan übernahm um 1840 die Geschäfte. Er trieb den Handel mit dem Schnaps, inzwischen „Original Karlsbader Becherbitter“ genannt, weiter voran. In den Räumen der Apotheke konnte die Nachfrage bald nicht mehr bedient werden: 1867 ließ Becher daher eine Fabrik am Stadtrand bauen und den Magenbitter fortan dort abgefüllen. Ab 1885 exportierte er den Schnaps zuerst nach Polen, dann nach Deutschland und Frankreich. Monatlich erhielt jeder Kunde höchstens fünf Liter, wodurch Becher die Nachfrage noch zusätzlich ankurbelte. 1901 wurden der „Becherbitter“ als Marke im Handelsregister der Monarchie Österreich-Ungarn eingetragen und das Unternehmen zum königlichen Hoflieferanten erklärt. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte Böhmen zur Tschechoslowakei und der Kräuterschnaps erhielt den tschechischen Namen „Becherovka“.

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs verließ Familie Becher das Geschäftsglück: Der Betrieb wurde verstaatlicht; Erbin Hedda Becher war gezwungen, das Geheimrezept herauszugeben. Sie wurde nach Deutschland vertrieben. Aber die Nachfahrin des Firmengründers kannte das Rezept auswendig: 1949 gründete sie daher die Johann Becher OHG Likörfabrik in Köln und stellte „Karlsbader Becher“ her. Über Jahrzehnte hinweg existierten beide Unternehmen nebeneinander: Im Ostblock verkaufte der verstaatlichte Betrieb den Likör, in Deutschland übernahm das die neu gegründete Firma.

Doch kurz vor dem Mauerfall begannen die Unternehmen, sich um das Markenrecht zu streiten, das schließlich der Erbin zugesprochen wurde. 1997 erwarb der französische Spirituosenhersteller Pernod Ricard die Mehrheit am privatisierten tschechischen Unternehmen und beendete den Konflikt endgültig, indem er zwei Jahre später auch die deutsche Konkurrenz aufkaufte.

Die Produktpalette ist seitdem um andere Spirituosen erweitert worden. Vor fünf Jahren bezog das Unternehmen neue, modernere Produktionsräume, allerdings weiterhin in Karlsbad. Denn das Quellwasser der Stadt ist eine Zutat des Becherovka.

Um die etwa 20 Kräuter und Gewürze, deren Essenzen Bestandteil des Likörs sind, wird hingegen ein großes Geheimnis gemacht: So kennen nach Angaben des Unternehmens nur zwei Mitarbeiter die genauen Zutaten, die nicht nur aus Tschechien, sondern auch aus Südafrika, Australien und Indonesien stammen. Sie stellen die Mischung weiterhin in der sogenannten „Drogikamr“ in der ersten Becherovka-Fabrik zusammen.

Die alten Fabrikräume beherbergen nun das Jan-Becher-Museum, die Apotheke „Zu den drei Lerchen“ ist inzwischen ein Wohnhaus. Hedda Becher, die letzte Firmeneigentümerin aus der Gründerfamilie, starb im Jahr 2007 – genau 200 Jahre nach dem ersten Verkauf des Kräuterlikörs.

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